Es ist ein Leuchtturmprojekt: das Tesla-Werk im brandenburgischen Grünheide (Mark) nahe Berlin. Die sogenannte Gigafactory Berlin-Brandenburg ist das erste Werk des US-amerikanischen E-Autobauers in Europa – und eine der von vielen begehrten Industrieansiedlungen in Ostdeutschland. Zudem noch in der als Zukunftsbranche geltenden Elektromobilität.
Produziert werden E-Autos und Teile von E-Autobatterien. Die Fabrik gibt derzeit mehr als 12.000 Menschen Arbeit. Angesichts sinkender Absatzzahlen hat der Konzern aber jüngst einen Stellenabbau angekündigt.
Zahlreiche Menschen kritisieren die E-Auto-Produktionsstätte, die am 22. März 2022 im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz eröffnet wurde. Dabei geht es vor allem um die Themen Wasserverbrauch, Umweltverschmutzung und Waldrodungen.
Pläne für eine Erweiterung des Werksgeländes hatten den Widerstand angefeuert. Im März 2024 legte ein Brandanschlag einer linksextremistischen Gruppe auf einen Strommast in der Nähe des Werks die Produktion für Tage lahm. Am 16. Mai 2024 stimmte die Mehrheit der Gemeindevertretung für eine Erweiterung des Werksgeländes.
Worum geht es bei Teslas Erweiterungsplänen?
Teslas E-Autofabrik steht auf einem etwa 300 Hektar großen Grundstück in Grünheide im Landkreis Oder-Spree, das Tesla vom Land Brandenburg gekauft hat. Tesla, an dessen Spitze der US-Unternehmer Elon Musk steht, hatte ursprünglich den Plan, das Gelände um 170 Hektar zu erweitern.
Das Ziel: mehr Autos zu produzieren. Zuletzt waren es hochgerechnet 300.000 Fahrzeuge im Jahr. Das aktuelle Etappenziel von 500.000 Autos im Jahr sollte auf eine Million verdoppelt werden.
Teslas Erweiterungspläne riefen breite Ablehnung und Proteste in der Region hervor. Der Wald, der gerodet werden sollte, liegt in einem Landschaftsschutzgebiet. Ende Februar stimmten die Einwohner von Grünheide in einer Bürgerbefragung mit fast zwei Dritteln gegen die Werkserweiterung.
Daraufhin wurde der Bebauungsplan von der Verwaltung und der Landesentwicklungsgesellschaft Brandenburg geändert. Nun sollen nur noch knapp 50 Hektar Wald für einen Güterbahnhof, für neue Lagerflächen und eine neue Landstraße gerodet werden.
Gemeindevertretung stimmt für Ausbau
Am 16. Mai 2024 stimmte die Gemeindevertretung, die aus ehrenamtlichen Lokalpolitikern besteht, über den modifizierten Bebauungsplan ab. Dabei stimmten elf Gemeindevertreter mit Ja, sechs mit Nein, zwei Vertreter enthielten sich. Damit kann Tesla einen Güterbahnhof östlich seines Werks bauen, über den die Fahrzeuge abtransportiert werden sollen. Zudem sollen die Logistikflächen erweitert werden.
Die Bürgerinitiative Grünheide kündigte an, den neuen Bebauungsplan von Tesla prüfen zu lassen. Die Initiative und das Bündnis "Tesla den Hahn abdrehen" verwiesen auf die Bürgerbefragung, in der 62,1 Prozent für Nein gestimmt hatten. Die Gemeindevertretung habe das Votum der Grünheider ignoriert. Man wolle eine Klage prüfen.
Wie gefährlich ist das Werk für die Umwelt?
Hauptkritikpunkt an der Tesla-Fabrik ist deren Wasserverbrauch – zumal sie zum Teil in einem Wasserschutzgebiet liegt. Teslas Wasserbedarf – mit 1,4 Millionen Kubikmeter pro Jahr beziffert – entspricht ungefähr einer 30.000-Einwohner-Stadt.
Hinzu kommt, dass Brandenburg seit mehreren Jahren unter verstärkter Trockenheit leidet – obwohl es in der Region viele Seen gibt. Doch sobald es weniger regne oder mehr Wasser genutzt werde, gebe es ein Problem bei der Wassernachlieferung, erklärt Gewässerökologe Martin Pusch. Durch den Klimawandel und die starke Wassernutzung sei bei einigen Seen der Wasserspiegel bereits deutlich abgesunken, kleinere Seen seien bereits ausgetrocknet, sagte Pusch bereits im Jahr 2022.
Von Tesla hieß es jedoch Mitte März 2024 laut „Wirtschaftswoche“, der Autobauer verbrauche weniger als ein Drittel der vertraglich zugelassenen Wassermenge. Der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) beliefert Tesla jährlich mit bis zu 1,8 Millionen Kubikmeter Wasser. In einem Abwasserbericht der Fabrik für das Jahr 2023 Jahr heißt es nach Informationen des „Tagesspiegel“, Tesla habe 451.654 Kubikmeter Frischwasser verbraucht. Auch für seine Erweiterung will der E-Autobauer nach eigenen Angaben nicht mehr Wasser brauchen.
Doch Kritik gibt es nicht nur am Wasserverbrauch. Seit der Eröffnung der Fabrik registrierte das Landesamt für Umwelt bereits zahlreiche Umweltvorfälle. Bis Herbst 2023 waren es 26. Unter anderem handelt es sich um Brände oder den Austritt von Dieselkraftstoff und Lacken.
In den ersten Monaten des Jahres 2024 wurde bekannt, dass Tesla mehrfach Abwassergrenzwerte bei Stickstoff und Phosphor deutlich überschritten hat. Es habe keine Gefahren für die Gesundheit und die öffentliche Trinkwasserversorgung gegeben, hieß es von den Behörden. Doch eine Studie von Umweltforschern aus Leipzig sagt, zu hohe Einträge von Phosphor und Stickstoff seien für Menschen gefährlich, könnten aber auch das Algenwachstum in Flüssen und Seen stark beeinflussen sowie Fischsterben auslösen.
Wie sinnvoll ist die E-Auto-Produktion?
Die Kritik an Tesla endet nicht bei Fragen nach Umweltschäden rund um das Werk in Grünheide. Manche Kritiker stellen grundsätzlich infrage, ob E-Autos eine Lösung für die Klimakrise sein können. Hierfür führen sie etwa den Lithiumabbau an, der in Lateinamerika große Umweltschäden verursache. E-Autos hätten zwar einen grünen Anstrich, seien aber keine Lösung für die Klimakrise, sagt beispielsweise Lou Winters vom Bündnis „Tesla den Hahn abdrehen“, welches das an Tesla angrenzende Waldstück besetzt hat. Sie fordert die Produktion von E-Bussen für einen kostenlosen Nahverkehr statt SUV.
Wie wichtig ist das Werk für die Region und darüber hinaus?
Doch neben zahlreichen Kritikerinnen und Kritikern des Tesla-Werks in Grünheide gibt es auch Befürworterinnen und Befürworter der E-Auto-Fabrik.
Schon die Entscheidung für das Werk in Brandenburg und damit im Großraum von Berlin löste starken Jubel in Politik und Wirtschaft aus – der bezog sich auf die Zukunftsfähigkeit des Autostandorts Deutschland.
„Das Unternehmen bildet den Kern einer neuen Wertschöpfungskette Elektromobilität in der Hauptstadtregion“, erläutert Sven Weickert, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg im März 2024. Bei Tesla und bei den Zulieferern seien Tausende neue Arbeitsplätze entstanden, dort finde Ausbildung statt.
Wie sicher diese Arbeitsplätze sind, ist allerdings fraglich. Am 15. April kündigte der Unternehmens-Chef laut "Handelsblatt" in einer internen Mitteilung an, 14.000 Arbeitsplätze und damit jede zehnte Stelle streichen zu wollen, auch in Deutschland.
In Grünheide werden 700 Menschen ihre Arbeit verlieren, darunter 300 Leiharbeiter, deren Verträge nicht verlängert werden. Grund für den Stellenabbau ist dem Unternehmen zufolge ein genereller Rückgang im E-Auto-Absatz. Auch Tesla hat weniger E-Autos verkauft als geplant. Das spüren auch alle, die Tesla-Aktien gekauft haben. Diese haben allein in diesem Jahr ein Drittel an Wert verloren.
Nach dem Brandanschlag besuchte Elon Musk das Werk in Grünheide und posierte mit Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Das Tesla-Werk habe eine große Bedeutung für Brandenburg und den Wirtschaftsstandort Deutschland, schrieb Woidke daraufhin auf Instagram. Es stehe für Arbeitsplätze, Wohlstand und technischen Fortschritt, der auch dem Klima nütze.
Wegen ihres Umgangs mit Tesla steht Brandenburgs Landesregierung und besonders Ministerpräsident Woidke seit der Genehmigungsphase in der Kritik: Das Projekt sei durchgewunken und Tesla der rote Teppich ausgerollt worden, sogar von einer „Lex Tesla“ ist die Rede.
Auch der parteilose Bürgermeister von Grünheide, Arne Christiani, sieht die Ansiedlung von Tesla positiv – und nennt sie einen „Lottogewinn“. Die Gründe sind vermutlich im Steuertopf der Gemeinde zu suchen: Rund sechs Millionen Euro Gewerbesteuer soll der Elektroautobauer der Gemeinde Grünheide 2022 nach Informationen des Rundfunks Berlin-Brandenburg gezahlt haben.
Wie sind die Arbeitsbedingungen bei Tesla in Grünheide?
Im Herbst 2023 gab es Vorwürfe zu Versäumnissen beim Gesundheitsschutz und der Arbeitssicherheit. Das Magazin „Stern“ berichtete, am Tesla-Standort Grünheide habe es ungewöhnlich viele Arbeitsunfälle gegeben. Tesla wies die Vorwürfe als nicht zutreffend zurück.
Zudem demonstrierten mehr als tausend Beschäftigte für bessere Arbeitsbedingungen. Laut der Gewerkschaft IG Metall hatten Mitarbeitende des Werks schon seit Längerem eine starke Arbeitsbelastung wegen Personalmangels und überzogener Produktionsziele bemängelt. Einen Tarifvertrag gibt es für die Tesla-Beschäftigten in Grünheide nicht. Einen Betriebsrat dagegen schon: Er hat 39 Mitglieder.
Nach dem Brandanschlag im März 2024 kündigte Tesla jährliche Lohnänderungen und ein Bonussystem an.
abr