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Testosteron-Pflaster für lustlose Frauen

Endokrinologie. - Sex sells. Dieser Leitsatz aus der Werbebranche hilft heutzutage selbst die unerotischsten Dinge, wie zum Beispiel Bausparverträge zu verkaufen. Er gilt erst recht, wenn das Produkt selbst ein erfülltes Sex-Leben verspricht. Das hat die Firma Pfizer mit den Viagra-Pillen vorgemacht. Und das würde Procter und Gamble nun sicherlich gerne mit seinem Testosteron-Pflaster für Frauen wiederholen. Bei der Jahrestagung der Amerikanischen Fortpflanzungsmediziner in Philadelphia wurde diese Woche eine große Studie mit Frauen jenseits der Wechseljahre vorgestellt, denen das Pflaster wieder Lust gemacht hat.

Von Grit Kienzlen |
    Möglicherweise gehört HSDD zu jenen von der Industrie erdachten Gesundheitsproblemen, über die der Spiegel-Autor Jörg Blech in seinem Buch, "die Krankheitserfinder" geschrieben hat. Vielleicht ist HSDD aber auch ein echtes Krankheitsbild und tausende Frauen weltweit sind erleichtert, dass ihnen endlich Aufmerksamkeit geschenkt wird. HSDD ist die Abkürzung für das englische Begriffsungetüm "Hypoaktive Sexual Desire Disorder", also eine Störung die mit unterentwickelter sexueller Lust zu tun hat und von Sandra Leiblum vom Zentrum für Sexuelle Gesundheit in Piscataway, New Jersey so beschrieben wird:

    Ein dauernders oder wiederkehrenders Fehlen sexueller Phantasien, Gedanken und Lust bzw. mangelnde Empfänglichkeit für sexuelle Aktivität, die persönliches Leid auslösen - und dieser letzte Halbsatz ist der wichtigste: Wenn Frauen wenig sexuelles Interesse haben, ihnen das aber egal ist, nur vielleicht ihrem Partner nicht, fallen sie nicht in die Definition. Nur wenn sie selbst darunter leiden.

    Allerdings vermutet Sandra Leibluhms, dass die Zufriedenheit des Partners schon einiges mit dem von den Frauen empfundenen Leid zu tun hat. Junge Frauen, die aufgrund einer Operation zu früh in die Wechseljahre gekommen sind, erleben zu eine viertel eine HSDD-Störung, von den älteren, die natürliche Wechseljahre erleben, nur jede zehnte. Diese älteren Frauen waren die Zielgruppe einer jetzt veröffentlichten großen Studie zur Therapie von HSDD mit einem Testosteronpflaster. Frauen produzieren ebenso wie Männer Testosteron, wenn auch nur einen Bruchteil davon, und man weiß seit einiger Zeit, dass dieses Testosteron ihre Libido steuert. Von den 550 im Schnitt 54 Jahre alten Frauen, die an der Studie teilnahmen, bekam ein Teil über ein halbes Jahr hinweg das Testosteron-Pflaster geklebt, der andere Teil nur ein Plazebo. Die mit Testosteron behandelten Frauen bericheteten darauf hin, von mehr und befriedigenderem Sex. In harten Zahlen ausgedrückt kamen sie auf zwei Akte mehr pro Monat oder 73 Prozent Steigerung. Allerdings erlebte auch die Placebo-Gruppe einen Anstieg von 19 Prozent, berichtet Studienleiterin Robin Kroll vom Woman's Clinical Research Center in Seattle:

    Wir werden immer gefragt, wie diese 19 Prozent in der Placebo Gruppe zu erklären sind. Aber eine Placebo-Antwort ist bei solchen Studien normal. Die Patientinnen in beiden Gruppen wurden befragt, sie wurden von unseren Mitarbeitern betreut, dabei ging es dauernd um ihre sexuellen Funktionen, sie haben darüber Tabellen geführt und über ihre Teilnahme an der Studie mit ihren Partnern gesprochen. Sie wurden also auch behandelt, nur bekamen sie eben keine pharmakologische Behandlung.

    Interessanterweise entwickelten die Frauen in der Plazebo Gruppe auch, allerdings wieder zu einem geringeren Prozentsatz die einzige Nebenwirkung, die in der kurzen Studiendauer sichtbar wurde. Kroll:

    Unerwünschte Gesichtsbehaarung ist schon ein Punkt der die Frauen besorgt und das ist in geringem Maß aufgetreten. Die Frauen haben aber nicht unbedingt berichtet, dass sie das stört, sondern wir haben bei jedem Besuch ihr Kinn und die Oberlippe untersucht. Wenn man die Daten jetzt betrachtet, muss man dazu wissen, dass keine der Frauen in der mit Testosteron behandelten Gruppe wegen unerwünschter Gesichtsbehaarung aus der Studie ausstieg.

    Außer dem Damenbart erwartet Studienleiterin Robin Kroll offenbar keine Nebenwirkungen. Langzeitfolgen, wie sie von der Behandlung mit weiblichen Geschlechtshormonen nach der Menopause bekannt sind, tat sie in Philadelphia mit der Bemerkung ab, hier werde ja eine Krankheit behandelt und keine Hormontherapie für alle älteren Frauen empfohlen. Ihre Studie hat Procter & Gamble finanziert, die Firma, die das Testosteron-Pflaster herstellt.