Teure Mieten, wenig Wohnraum, viel Redebedarf
Wohnen in Deutschland

Wohnungsnot und steigende Mieten: Die Debatte um die allgemeine Wohnsituation in Deutschland hat sich in den letzten Wochen und Monaten verschärft. Die Politik versucht mit Gesetzesmaßnahmen dagegenzuhalten, in der Hauptstadt Berlin fordern die Menschen Enteignungen. Eine Übersicht.

Von Niklas Potthoff |
    Berlin. In einem Mehrfamilienhaus im Bezirk Steglitz-Zehlendorf sind in der Abenddämmerung bereits einige Fenster erleuchtet.
    Wie wollen die Menschen in Deutschland wohnen? (picture alliance / dpa / Wolfram Steinberg)
    Die Wohnungsnot in Deutschland sei der "große soziale Sprengstoff in den nächsten zehn Jahren", so IG-Bau-Chef Robert Feiger im Dlf. Im Fokus: Ein stetiger Mietenanstieg. Anfang April demonstrierten in mehr als 20 Städten Tausende Menschen und Mieterbündnisse gegen die steigenden Wohnungskosten.
    Gleichzeitig gibt es einen großen Bedarf nach mehr Wohnungen. Daten der Hans-Böckler-Stiftung zeigen, dass die Lage besonders in den Ballungszentren dramatisch ist: In 77 Großstädten fehlten insgesamt rund 1,9 Millionen Wohnungen. Im Mittelpunkt: Benötigte Sozialwohnungen für einkommensschwache Personen und Familien.
    Doch wie kommt man zu den neuen Wohnungen? Insbesondere aus Berlin kommt ein viel diskutierter Vorschlag: Die Initiative "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" will, dass sich das Bundesland Wohnungen vom größten Vermieterverband der Hauptstadt, Deutsche Wohnen SE, zurückholt. Statt einer wirklichen Enteignung stünde bei dem Vorschlag eine Vergesellschaftung im Raum. Dafür wäre jedoch eine hohe Entschädigung für die betroffenen Wohnungsgesellschaften fällig.
    Steigende Mieten, angespannter Markt
    Der Mietindex für Deutschland von 1995 bis 2017 zeigt einen starken Anstieg der Mieten in den letzten Jahren.
    Der abgebildete Index bezieht sich auf die Wohnungsmiete, einschließlich des Mietwerts von Eigentümerwohnungen und bildet somit die Mietpreisentwicklung in Deutschland ab. (Anklicken zum Vergrößern) (Statista)
    Die Mietpreise steigen weiter kontinuierlich an, in Berlin allein im vergangenen Jahr um 5,6 Prozent, laut Wohnungsmarktreport der Berliner Hyp und des Immobilienunternehmens CRBE. Studien des Forschungs- und Wirtschaftsinstituts empirica zufolge ist die Entwicklung der vergangenen fünf Jahre extrem. So seien die Mieten beispielsweise in Köln um rund elf Prozent, in Hamburg um 12,4 Prozent und in München sogar um 23,5 Prozent gestiegen.
    Gleichzeitig ergab eine neue Studie des Instituts, dass die Mietensteigerungen dem Ende entgegen gingen, da Angebot und Nachfrage durch verstärkten Wohnungsbau zunehmend ausgeglichen seien. Es zeigt: Das Thema Wohnen ist kompliziert. Es gibt zahlreiche unterschiedliche Interessen zu berücksichtigen - und eine große Unsicherheit auf dem Markt über die tatsächlichen Verhältnisse.
    Selbst Vermieter teils machtlos
    Grundlegende Probleme sind jedoch nicht von der Hand zu weisen. Zu spüren bekommen das häufig Familien, Rentner und Studenten. Und während Studenten inzwischen schon mal auf einem Campingplatz oder in ehemaligen Kasernen ins Studium starten, ist in Gegenden wie Berlin der Campingplatz auch schon zur dauerhaften Wohnungslösung für Rentner geworden. Insbesondere ältere Menschen lebten oft noch in verhältnismäßig großen Wohnungen mit alten Mietverträgen, weiß der Ökonom Matthias Günther. Ein Umzug in deutlich kleinere Wohnungen wäre aufgrund der gestiegenen Mieten mit erheblichen Mehrkosten verbunden.
    Selbst auf Vermieterseite ist der Spielraum begrenzt: Nehmen sie im Verhältnis zum Mietspiegel sehr niedrige Mieten gilt die Vermietung als "Liebhaberei". Daraufhin können Reparatur- oder Modernisierungskosten für die Vermieter steuerlich nicht mehr geltend gemacht werden. Ein Beispiel aus München zeigt, dass es für Vermieter nicht immer leicht ist, sich den Bedürfnissen ihrer Mieter anzupassen.
    Dazu kamen in den vergangenen Jahren diverse politische Auflagen, welche die Baukosten - und damit die Mieten - in die Höhe getrieben haben. So kommentierte Dirk Briegel, Chefredakteur der "Neuste Dresdner Nachrichten" im April, dass das Schimpfen auf Miethaie "zumindest ein klein wenig verlogen" sei.
    Die Top 30 Städte mit dem höchsten Mietenniveau in Deutschland im Jahr 2018.
    Die Angaben beruhen auf dem F+B-Mietspiegelindex für das Jahr 2018. (Anklicken zum Vergrößern) (Statista)
    Der Mietendeckel
    Im Oktober 2019 hat der rot-rot-grüne Berliner Senat einen bundesweit einmaligen Mietendeckel beschlossen. Demnach sollen die Mieten für rund 1,5 Millionen Wohnungen, die vor 2014 gebaut worden sind, für fünf Jahre eingefroren werden. Zudem soll es für die Mieten fortan Obergrenzen geben, die nach Baujahr und Ausstattung variieren.
    So dürfen Wohnungen in der Hauptstadt bei der Wiedervermietung künftig maximal 9,80 Euro kalt je Quadratmeter kosten. Bestandsmieten dürfen in Zukunft um nicht mehr als 20 Prozent über den Obergrenzen liegen. Andernfalls sollen Mieter eine Absenkung fordern können. Wenn das Abgeordnetenhaus dem Gesetzentwurf zustimmt, soll es Anfang kommenden Jahres in Kraft treten und dann rückwirkend ab 18. Juni dieses Jahres gelten.
    Während sich der Mieterverein über den Beschluss freut, halten ihn dessen Gegner für eine fatale Fehlentscheidung, die Arbeitsplätze kosten und negative Auswirkungen auf den Wohnunsbau haben werde. Die Opposition hält den Mietendeckel für verfassungswidrig und hat Klage dagegen angekündigt.
    Die Mietpreisbremse
    Seit 2015 gilt die Mietpreisbremse. Zunächst auf einen Zeitraum von fünf Jahren begrenzt, besagt sie: Wenn bereits existierende Wohnungen neu vermietet werden, darf die Miete maximal zehn Prozent über dem regionalen Mietspiegel liegen. Das gilt jedoch nur in bestimmten Gebieten - und nicht bei Neubauten. Wer bereits weit über der Preisdeckelung liegt, darf sich zudem auf den Bestandschutz berufen. Der Mietspiegel ist als Instrument umstritten, Münchens Oberbürgermeister forderte kürzlich erst eine Alternative. Denn der Mietspiegel berücksichtigt in der Regel nur die teuren Neuvermietungen der vergangenen Jahre. Dadurch steigt er stets an, was auch dazu führt, dass andere Vermieter ihre Mieten erhöhen. Es droht dort ein Wettlauf.
    Mietpreisbremse - Das hat sich zum 01.01.2019 geändert:

    Modernisierungsumlage: Künftig dürfen Vermieter nur noch acht Prozent der Kosten (statt bisher elf) auf die Mieter umlegen.

    Formlose "Rüge" reicht: Befürchten Mieter einen Verstoß gegen die Mietpreisbremse, reicht eine formlose Beschwerde beim Vermieter ohne ausführliche Begründung.

    Transparenz: Vermieter müssen Mieten, die mehr als zehn Prozent über dem ortsüblichen Durchschnitt liegen, schon vor Abschluss des Mietvertrags unaufgefordert schriftlich begründen. Im Nachhinein dürfen Vermieter sich nicht auf Ausnahmeregelungen berufen.

    Kappungsgrenze: Nach einer Modernisierung darf die Miete innerhalb von sechs Jahren höchstens um drei Euro pro Quadratmeter steigen. Das gilt deutschlandweit.

    Entschädigung für Mieter: Mieter haben unter Umständen Anspruch auf Schadensersatz, wenn Vermieter Modernisierungen mit der Absicht durchführt, Mieter loszuwerden. Der Vorgang gilt seit 2019 als Ordnungswidrigkeit, Vermieter können mit Geldbußen bis zu 100.000 Euro belegt werden.
    Seit Januar gilt eine schärfere Regelung, eine Art Mietpreisbremse 2.0. Mit der Neuregelung rückt auch das Problem der Modernisierungsumlage in den Fokus der Politik: Bei notwendigen Modernisierungen einer Wohnung dürfen Vermieter einen Teil der Kosten auf die Mieter umlegen - eine Mieterhöhung. Aber "Instandhaltung und Renovierung schuldet der Vermieter", erinnert Hans-Jochem Witzke, Geschäftsführer des Mieterbundes NRW. Die Kritik: Vermieter würden vielerorts gezielt Modernisierungen durchführen, die gar nicht notwendig seien, um die bisherigen Mieter - über steigende Kosten - zu vertreiben.
    Seit Anfang 2019 dürfen nun nur noch acht - anstatt elf - Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete umgelegt werden. Doch Vertreter der Mieterseite kritisieren vor allem die immer noch zahlreichen Ausnahmefälle - und, dass die Mietpreisbremse nur in bestimmten Regionen gilt. Justizministerin Katarina Barley kündigte Mitte Mai daher an, die Mietpreisbremse erneut ändern zu wollen. Ende August haben sich Union und SPD im Koalitionsausschuss dann auf eine erneute Verschärfung verständigt. Unter anderem soll zu viel gezahlte Miete künftig rückwirkend für zweieinhalb Jahre zurückgefordert werden können. Außerdem soll die ursprünglich auf fünf Jahre befristete Regelung bis 2025 verlängert werden.
    "Wohngeldreform 2020"
    Die Statistik zeigt die Anzahl der Haushalte mit Bezug von Wohngeld in Deutschland am 31. Dezember 2017 nach Bundesländern.
    Anzahl der Haushalte mit Bezug von Wohngeld in Deutschland am 31. Dezember 2017 nach Bundesländern (Anklicken zum Vergrößern) (Statista)
    Ab 2020 setzt auch die Wohngeldreform der Bundesregierung ein. Mehr Haushalte sollen Anspruch auf den Zuschuss haben, Haushalte in Städten mit besonders hohen Mieten sollen entlastet werden. Nur ein Tropfen auf den heißen Stein oder tatsächlich eine Hilfe für einkommensschwache Haushalte?
    Klar ist: Das Wohngeld ist eine Subjektförderung, die dem Einzelnen helfen soll. Für 2020 sieht die Wohngeldreform nun Mittel in Höhe von 1,2 Milliarden Euro vor, von denen vor allem Familien und Rentner profitieren sollen. Anschließend soll das Wohngeld alle zwei Jahre an aktuelle Miet- und Einkommensentwicklungen angepasst werden.
    Auf mehreren Formularen des Beitragsservice für den Rundfunkbeitrag liegen Geldmünzen sowie ein Kugelschreiber.
    Beantragen von Wohngeld - Wann lohnt es sich?
    Mietvertrag, Kontoauszüge, Einkommensnachweise – um Wohngeld zu bekommen, müssen Antragstellende viele Unterlagen einreichen. Am Ende hängt die Höhe des Zuschusses aber nicht nur vom eigenen Antrag ab.
    Schöner Wohnen mit dem neuen Mietrecht?
    Wohnraum bleibt knapp in Deutschlands Großstädten und die Mieten steigen weiter. Nun hat der Gesetzgeber nachgebessert und die Rechte der Mieter gestärkt. Zeigen die Maßnahmen Wirkung?


    Steigende Mietnebenkosten durch neue Grundsteuer?
    Nach dem Kompromiss bei der Reform der Grundsteuer, besteht weiterhin Unsicherheit in Bezug auf die Höhe künftiger Belastungen für Eigentümer und Mieter. Dies dürfte auch davon abhängen, welches Berechnungsmodell die jeweiligen Kommunen zugrunde legen: das wertorientierte von Finanzminister Olaf Scholz, bei dem die Steuerhöhe über Miete, Alter des Gebäudes und Wert des Grundstückes berechnet wird, oder die von der CSU favorisierte Flächenpauschale, die allein die Grundstücksgröße berücksichtigt.
    Lothar Binding, der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, verteidigte im Dlf-Interview das werteorientiere Modell als das gerechtere. Dieses wird zur Folge haben, dass in einigen Städten die Steuerbelastungen massiv ansteigen werden. "Am härtesten betroffen werden sicherlich Menschen sein in Gebieten, die heute extrem beliebt sind und die vor einigen Jahren noch nicht so beliebt waren", erläuterte der Präsident von Haus und Grund Deutschland, Kai Warnecke, im Dlf.
    Die Flächenpauschale wird in jedem Fall in Bayern gelten. Die dort regierende CSU argumentiert, dass das Flächenmodell mit weniger Verwaltungsaufwand verbunden ist. Sie hat im Grundsteuer-Kompromiss eine Öffnungsklausel durchgesetzt, die es jedem Bundesland ermöglicht zu 100 Prozent vom bundeseinheitlichen Bewertungsmaßstab des Finanzministeriums abzuweichen. Ob sich weitere Bundesländer dem bayerischen Modell anschließen ist derzeit noch unklar, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg haben zumindest Sympathien dafür durchblicken lassen.
    Ob Flächenpauschale oder werteorientierte Berechnung - am Ende entscheidet jede Gemeinde wie sie auf die neuen Einheitswerte bei der Grundsteuererhebung reagiert - und damit, um wie viel es für Eigenheimbesitzer und Mieter künftig teurer wird. Gerd Landsberg vom Städte- und Gemeindebund garantierte im Gespräch mit dem Dlf, dass die Kommunen alles tun würden, dass das Gesamtsteuervolumen auf dem aktuellen Stand bleibt, und dass die Grundsteuerreform nicht dazu genutzt würde, "um da jetzt die Steuerschraube nach oben zu drehen".
    Auf die Steuer verzichten können die Kommunen nicht. Für sie geht es um insgesamt 14 Milliarden Euro. Für die Mieter ist die Debatte deshalb relevant, weil die Grundsteuer seit 2004 über die Nebenkostenabrechnung an Mieter weitergegeben werden kann. Laut dem Hauptgeschäftsführer des Kommunalverbands lag die Belastung für Mieter durch die Grundsteuer bisher bei im Schnitt 20 Euro im Monat. Die SPD plädiert für eine Abschaffung der Umlagefähigkeit der Grundsteuer.
    Fehlende Wohnungen überall
    Im September 2018 kam es zum sogenannten Wohngipfel im Bundeskanzleramt. 1,5 Millionen neue Wohnungen sollen entstehen - so das Ziel der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode. Kritiker halten das Ziel für utopisch. Es werde zwar gebaut, aber zu wenig - und zu teuer.
    Denn viele der neuen Wohnungen sind für die meisten Menschen nicht bezahlbar. Ein großes Problem sind hierbei fehlende Sozialwohnungen. Ursprünglich war 2017 die Rede von jährlich 80.000 neuen Sozialwohnungen bis 2020, um den Bedarf zu decken. Und während die Zahl der tatsächlich gebauten Sozialwohnungen deutlich geringer ist, fallen jedes Jahr Tausende Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung. Immobilien- und Mieterverbände fordern deshalb wesentlich mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau und auch eine längere Sozialbindung.
    Eine Statistik über die Städte mit der größten Versorgungslücke an bezahlbaren Wohnungen.
    Quelle: FDZ, Mikrozensus 2014 in Hans-Böckler-Stiftung 2018 (Anklicken zum Vergrößern) (Hans-Böckler-Stiftung)
    Eine zum Wohnungsbau-Tag im Mai von der Prognos AG vorgestellte Studie zeigt: Die Bautätigkeit ist in den vergangenen Jahren wieder stark angestiegen: Wurden im Jahr 2011 noch 161.200 neue Wohnungen fertiggestellt, waren es 2018 bereits 285.900. Eine kürzlich veröffentlichte Studie gibt zwar Anlass zur Hoffnung, dass die Wohnungslücke in den nächsten Jahren geschlossen werden kann. Dennoch ist man von der Zielsetzung der Bundesregierung weiterhin deutlich entfernt.
    Viele Faktoren erhöhen die Kosten für den Wohnungsbau: Zum Beispiel die geringe Verfügbarkeit von Grundstücken oder Baulandfläche, Kapazitätsengpässe in der Bauwirtschaft, gestiegene Baukosten. Eine weitere wohnungspolitische Maßnahme war daher die vorübergehende Einführung des Baukindergeldes. Es soll vor allem junge Familien mit Kindern fördern und sie motivieren, selbst zu bauen. Dadurch soll sich die Wohneigentumsquote erhöhen. Neben der Kritik am kurzen Förderungszeitraum mehren sich auch Stimmen, die sagen, mit solchen Maßnahmen gehe die Wohnungspolitik am Bedarf vorbei.
    Familie steht in Neubauhaus und spricht mit einem Makler.
    Diskussion um das Baukindergeld 
    Das Baukindergeld kommt – das hat die Große Koalition beschlossen. Aber der Zuschuss für junge Familien mit Kindern ist umstritten, weil nur eine bestimmte Gruppe davon profitiert.

    Ramponiertes Plakat der CSU mit Aufschrift "Wohnen in München"
    Wachsende Not in München: Clearinghaus – ein Auffangbecken für Wohnungslose
    In München können sich viele keine Wohnung mehr leisten. In sogenannten Clearinghäusern sollen Betroffene übergangsweise unterkommen. Darunter sind immer mehr Menschen, denen wegen Eigenbedarf gekündigt wurde.

    Eigenbedarf
    Der Bundesgerichtshof beschäftigte sich im Mai 2019 mit der Anmeldung von Eigenbedarf durch Vermieter. Statt schematischer Regeln, etwa ab welchem Alter Mieter nicht mehr zum Auszug gezwungen sein sollen, legte sich der BGH auf eine Abwägung im Einzelfall fest. Vertreter der Vermieterseite begrüßen das Urteil, da sowohl Vermieter als auch Mieter davon profitieren würden. Der Deutsche Mieterbund gab dagegen in einer Pressemitteilung bekannt, das Ergebnis sei unbefriedigend und erhöhe die Anforderungen an die Sozialklausel.
    Der Kampf gegen die Wohnungsgesellschaften
    Die meisten Menschen in Deutschland wohnen zur Miete. Für die Wohnungsgesellschaften scheint es eine lukrative Zeit zu sein. Die größte Wohnungsgesellschaft in Deutschland, die Vonovia, hat ihre Mieteinnahmen in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt. Auch die insbesondere in Berlin kritisierte Deutsche Wohnen hat allein im letzten Jahr ihren Gewinn um mehr als fünf Prozent erhöhen können. Die Aktionäre der Gesellschaften freut es. In den letzten Jahren sind viele Wohnungskonzerne an die Börse gegangen. Seitdem müssen sie ihre Zahlen offenlegen. Und es hat die Diskussion verschärft, wen die Unternehmen als erste Anspruchsgruppe sehen: die Mieter - oder die Aktionäre.
    Sowohl Vonovia als auch Deutsche Wohnen profitierten aber auch davon, dass Landesregierungen öffentliche Wohnungsbestände verkauften. Das Bochumer Unternehmen Vonovia übernahm so im Jahr 2001 Zehntausende Eisenbahnerwohnungen. Die Deutsche Wohnen ist in Berlin im Besitz zahlreicher Immobilien, welche die Berliner Landesregierung in den Nullerjahren verkauft hatte, um Schulden zu reduzieren. Der Wert der Wohnungen ist seitdem stark angestiegen.
    Die meisten Menschen in Deutschland wohnen zur Miete, gefolgt von Menschen mit eigenem Haus und Eigentumswohnungen.
    * Mehrfachnennungen mit "Wohngemeinschaft" (in einem eigenen Haus, einer Eigentumswohnung oder zur Miete) waren möglich. (Anklicken zum Vergrößern) (Statista)
    Mieterhöhung durch Modernisierung
    Immer wieder im Mittelpunkt der Kritik an Wohnungsgesellschaften und Vermietern: Mieterhöhung durch Modernisierungsmaßnahmen. Vielerorts werden Wohnungen nicht mehr saniert, sondern modernisiert. Denn diese Kosten können zum Teil auf die Mieter in Form einer Mieterhöhung umgelegt werden. Konkrete Beispiele in Vierteln wie Berlin Kreuzberg zeigen, dass sich die Kosten dadurch plötzlich um mehrere Hundert Euro erhöhen können.
    Nach all der Kritik gehen nun auch die Wohnungsgesellschaften in die Offensive - wenn auch auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Die "Deutsche Wohnen" kritisierte den Berliner Mietspiegel als zu niedrig und ließ offen, ob das Unternehmen ihn anerkennt. Die Vonovia dagegen kündigte an, Mietern über 70 ein lebenslanges Bleiberecht einzuräumen. Was über die Höhe der Miete erst einmal nichts aussagt.
    Protest in Berlin-Friedrichshain
    Wie Wohnen in Berlin bezahlbar bleiben soll
    In keiner anderen Stadt der Welt steigen die Mieten so rasant wie in Berlin, im vergangenen Jahr allein um mehr als 20 Prozent. Für viele wird das unbezahlbar, sie müssen ihre angestammten Wohnviertel verlassen. Die Politik streitet über Lösungen – von Enteignung bis hin zu mehr Neubauten.
    Die Verwaltung von Vonovia in Bochum
    Milliardengewinn auf Kosten der Mieter?
    Vonovia, der größte deutsche Immobilienkonzern, hat heute seine Jahresbilanz vorgelegt und gute Gewinne gemacht. Kritiker werfen dem Unternehmen vor, die Mietpreise hochzutreiben und mit teuren Wohnungsmodernisierungen Mieter zusätzlich zu belasten.

    Vergesellschaftung als Lösung?
    Sollen Bundesländer bestimmte Immobilienkonzerne "enteignen", um mehr Wohnungen zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung zu stellen? Diese Debatte bekam durch ein Volksbegehren in Berlin Rückenwind. Grundlage ist Artikel 15 aus dem Grundgesetz: "Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden."
    Dabei wird klar, dass Enteignung nicht zur Debatte steht. Denn die Vergesellschaftung rechtfertigt eine Entschädigung. Das sei für den Berliner Landeshaushalt kein Problem, sagt Michael Prütz, Mit-Initiatior des Volksbegehrens. Doch die Umsetzung wäre alles andere als einfach. Bislang gibt es keine Rechtsprechung über den Grundgesetz-Artikel. Ein solches Vorhaben wäre also sicher nicht sofort umzusetzen.
    Politiker wie Hessens Bauminister, der Grünen-Politiker Tarek Al-Wazir betonen wiederum, dass das nicht funktionieren würde, und fordern, dass mehr Fläche mobilisiert wird. Mieterbundchef Ropitz sieht rechtliche Probleme (445667). Andere Kritiker des Vorhabens befürchten ein verheerendes Signal für Mietimmobilienbesitzer. Befürworter erhoffen sich, neben dem Bau von Sozialwohnungen einen zweiten Weg für mehr bezahlbare Wohnungen zu schaffen. Doch Wohnungsgesellschaften besitzen in Deutschland nur einen kleinen Anteil.
    Blick ins Ausland
    Nicht nur in Berlin gingen die Menschen bereits wegen Mietsteigerungen und Verdrängung auf die Straße, sondern auch in Barcelona, Prag oder Lissabon. Eine Forderung dabei: die Einführung eines europaweiten Immobilienregisters, um große Akteure zu identifizieren, die die Verknappung des Wohnraums in Kauf nehmen.
    Aufgrund verschiedener politischer Grundlagen sind die Situationen innerhalb Europas schwer zu vergleichen. Doch auch andernorts beschäftigt man sich mit steigenden Mieten, fehlenden Sozialwohnungen und neuen, kreativen Lösungen.
    Kräne und die Baustellen zahlreicher Hochhäuser vor blauem Himmel
    Günstige Mieten in Helsinki und Paris: Wo Politik den Preis steuert
    Helsinki ist teuer. Nur bei der kommunalen Wohnungsgesellschaft gibt es noch erschwinglichen Wohnraum. Den Bestand könnte eine linke Regierung nach der Parlamentswahl deutlich erhöhen. Auch in Paris greift die Politik schützend ein.
    Wilhelm-Weber-Hof in Wien Simmering.
    Sozialer Wohnungsbau: Warum Wiener günstig wohnen
    Der soziale Wohnungsbau in Wien funktioniert, weil er für viele zugänglich ist, hunderttausende Wohnungen umfasst und die Kosten von der Gemeinschaft bereitwillig getragen werden. Das Modell ist allerdings nur begrenzt übertragbar.
    Noch eine Baustelle im Rohzustand, aber mit fertigen hölzernen Balkonen: das Wohnatelierhaus Basel in Modularbauweise - entworfen von Architekt Heinrich Degelo
    Wohnatelierhaus in Basel: Alles unter einem Dach
    Wohnen und arbeiten unter einem Dach, das können Künstler im neuen Wohnatelierhaus in Basel. Heinrich Degelo hat die Lofts in flexibler Modulbauweise entworfen – und schafft damit günstigen Wohn- und Arbeitsraum.
    Alternative Konzepte
    Längst spricht man auch über alternative Wohnkonzepte, um sich der Problematik zu widmen. Denn in den letzten Jahrzehnten haben sich auch die Ansprüche der Menschen deutlich geändert: "Der Platzverbrauch ist immens gestiegen, pro Wohnung, pro Einwohner", sagt Architekturkritiker Nikolas Bernau.
    In Großstädten wie München oder Berlin gibt es zunehmend Genossenschaften, die in sogenannten Clustern zusammenwohnen. Die Idee dahinter: Auf engem Wohnraum, wie im Stadtzentrum, muss nicht jeder Haushalt alles haben. In Gemeinschaftsräumen teilen die Bewohner vieles. Bislang Individuallösungen, bieten sie auch das Potenzial, das gesellschaftliche Zusammenleben im 21. Jahrhundert neu zu denken.
    Querschnitt durch ein Haus. Zwei Zimmer, Küche, Bad.
    München: Biete Pflege gegen Wohnung
    Isabell Wäß sucht für sich und ihre vierköpfige Familie eine neue Wohnung – und zwar in München. Doch weil bei ihrem Gehalt die Suche nahezu aussichtslos ist, hat die Krankenpflegerin die Idee zu einer besonderen Offerte.
    Ein bunt gestalteter Plattenbau
    Wohnungsgenossenschaften: Günstig Wohnen auch in Großstädten
    Wohnen wird teurer – gerade in den Großstädten. Mit ihren niedrigen Durchschnittsmieten bieten Wohnungsgenossenschaften eine attraktive Alternative. Doch die Wartelisten für eine Wohnung sind lang.
    Die Anspannung bleibt
    Die Wohnungsthematik bleibt ein extrem dynamischer Schwerpunkt in der Gesellschaft. Die langfristigen Auswirkungen der jüngsten wohnungspolitischen Entscheidungen bleiben abzuwarten. Nicht auszuschließen, dass weitere Gesetzesänderungen folgen werden.
    Derweil lohnt es sich, den Blick weiterhin für Neues zu öffnen. Hierfür bietet sich für weitere Alternativen auch ein Blick zu unserem Dlf-Kultur-Schwerpunkt an: Wohnungspolitik neu denken.