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Teurer Rückbau

Der Rückbau eines AKW kostet mindestens so viel wie seine Errichtung. Rund 34 Milliarden haben die großen Energiekonzerne dafür zurückgestellt. Doch wenn der Atomausstieg konsequent umgesetzt wird, könnten die Kosten weit höher sein.

Von Dieter Nürnberger |
    Es ist sicherlich schwierig, hier eine genaue finanzielle Schätzung abzugeben. Die Zahlen bewegen sich bei den künftigen Kosten für den Rückbau der Atomkraftwerke in Deutschland und für auch die Entsorgung/Lagerung radioaktiver Abfälle zwischen 25 und im höchsten Fall auch rund 60 Milliarden Euro – also mehr als das Doppelte.

    Auch aufgrund dieser finanziellen Unsicherheiten haben sich das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft und Greenpeace die Rückstellungen, die die Energieversorgungsunternehmen, also die Kernkraftbetreiber, bilden müssen, genauer angeschaut. Wenn man die Konzernbilanzen studiert – und in der Tat wurden Rückstellungen von derzeit ungefähr 34 Milliarden Euro gebildet. Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft will hier auch nicht schwarzmalen, das sei schon eine angemessene Summe, allerdings noch mit ein paar Unsicherheiten verbunden, sagt die Autorin der Studie, die Volkswirtin Bettina Meyer.

    "Sie können ausreichend hoch sein, wenn es keine zusätzlichen Kostenerhöhungen gibt. Es muss den Versorgungsunternehmen dann aber auch gelingen, eine Realverzinsung von zwei Prozent zu erzielen. Ob sie erreichen können? In der Vergangenheit konnten sie es, derzeit wohl eher nicht. Eine Prognose, ob sie dies künftig wieder können, ist schwierig zu sagen. Es ist aber auch nicht unrealistisch."

    Somit ist zumindest für den Rückbau und auch die Entsorgung eine kalkulierbare Summe schon vorhanden, die die Kraftwerksbetreiber da zurückgestellt haben. Aber – und das weiß man in Deutschland allzu gut – es gibt bei vielen Baugroßprojekten finanzielle Unwägbarkeiten. Und auf die wollte man heute in Berlin aufmerksam machen. Bettina Meyer:

    "Da gibt es einmal das Kostenerhöhungsrisiko in der Phase der Stilllegung, Rückbau und Entsorgung. Alle Erfahrungen mit Großprojekten zeigen, dass selbst beim Straßen- oder Tunnelbau durchschnittlich Kostenerhöhungen von 40 Prozent nicht unrealistisch sind. Das ist in den genannten 34 Milliarden Euro noch nicht enthalten. Bei der haben wir eine Erhöhung um 20 Prozent angesetzt – die Zusatzkosten hierfür lägen bei 3 Milliarden Euro. Ein separates Kostenrisiko liegt beim Endlager. Wir nennen es das 'Asse-Problem' – das ist das Risiko von Bergung, Sanierung oder sogar der Bedarf eines neuen Endlagers".

    Aufgrund dieser Unsicherheiten will das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft diese Summe erhöht wissen. Zusammen mit Greenpeace stellt man eine Gesamt-Rückstellungssumme von 44 Milliarden Euro zur Diskussion.

    Zudem wollen Greenpeace und das Forum aber auch die benötigten Summen langfristig teilweise anders organisieren. Dafür soll ein öffentlich-rechtlicher Fonds entstehen. Der Vorteil wäre, dass dies auch eine direktere staatliche Überprüfung garantieren würde.

    Und man müsse auch - und das ist eine Hauptforderung von Greenpeace – dafür sorgen, dass mögliche Kosten nicht irgendwann auf die Steuerzahler abgewälzt würden. Es gelte in Deutschland zwar generell das Verursacher-Prinzip: Wer Atommüll produziert, muss auch für die Entsorgung aufkommen. Hier allerdings gebe es eine gesetzliche Lücke. Wenn nämlich ein Betreiber oder auch eine Entsorgungstochterfirma Pleite ginge, dann wäre eine Verallgemeinerung der Kosten möglich, sagt Thomas Breuer von Greenpeace.

    "Ab 2022 können sich nämlich die Konzerne juristisch aus ihrer Pflicht gegenüber den Kraftwerkstöchtern zurückziehen. Spätestens dann also, wenn es um die Endlagerung geht und somit auch aus Sicherheitsgründen höhere Kosten anfallen könnten. Dafür muss also die Bundesregierung dringend eine gesetzliche Regelung finden."

    Fazit: Es gibt immerhin einen Grundsockel an finanziellen Rückstellungen für die Abwicklung der Atomkraft in Deutschland. Aber es gebe hier auch noch ein paar Fragezeichen.