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Teurer Traum

Eine Hochschule, an der vor allem Migrantenkinder einen Abschluss machen können - das war eigentlich die Idee der privaten OTA in Berlin. In den drei Jahren bis zum Bachelor-Abschluss haben die Studenten wenig Freizeit, aber individuelle Betreuung. Und die ist teuer: bis zu 700 Euro im Monat. Der Anteil der Migranten liegt auch deshalb erst bei einem Drittel.

Von Katrin Ruß |
    Am wuseligen Ernst-Reuterplatz im Westen Berlins residiert die OTA Hochschule auf zwei Hochhausetagen. Die beiden Stockwerke ähneln eher Büros als einer Uni. Zum Türöffnen benutzen die Studenten Chipkarten und auch die Seminarmitschriften sind dem Computerzeitalter angepasst. Wer an der OTA studiert, muss zunächst den Eignungstest bestehen, viel Eigeninitiative mitbringen und keine Angst haben sich selbständig zu machen, so der Vizepräsident der Hochschule Izzet Furgac.

    "Die Leute, die wir auswählen, die haben keine Angst. Das sind gerade die Unternehmertypen, die auch später bereit sind zu investieren um dann Erfolg zu haben. Genau das ist die Eigenschaft, die wir fordern. Und diese Leute werden in dieser Gesellschaft die Besserverdienenden sein."

    In drei straff durchgeplanten Studienjahren erlangen die Studenten den Bachelor in "Business Administration" oder "Informations- und Kommunikationsmanagement". Akademisches Basiswissen und viel Praxisnähe sollen die Absolventen, wie Ümmit Ustat, fit machen für den globalen Arbeitsmarkt. Aus dem hessischen Dillenburg kam der Deutschtürke nach Berlin. Jetzt ist er 24, hat seinen Bachelor in der Tasche und möchte erst einmal nach Istanbul gehen und dort beginnen zu arbeiten, am Liebsten etwas im Online Marketing.

    "Ich bin bereit zu arbeiten in Projekten, auch in Projekten, wo ich keine Ahnung dass ich mich da rein denken kann und wenn ich dann drin bin, dann Gnade euch Gott, da bin ich dann gut."

    Studieren, durchziehen und nicht viel Zeit verlieren. Das waren die Gründe für Julius Hassemer an die OTA zu gehen. Der 23-Jährige hat sein Studium erfolgreich abgeschlossen. Doch in die Welt der Manager möchte er dennoch nicht einsteigen mit seinem bisherigen Abschluss.

    "Ich kann damit jetzt eine Menge machen, was gleichzeitig das Problem ist. Man hat auch Schwierigkeiten bei Stellenangeboten, dass man denkt, da könnte ich reinpassen, muss ich aber nicht. Suchen die eigentlich mich oder gibt es nicht einen Spezialisten, der das besser kann. Man ist sehr generell ausgebildet. Was hier versucht wird, ist Manager auszubilden, die in Führungsposition arbeiten können und die müssen von verschiedenen Bereichen Ahnung haben. Wenn jemand nicht beim Studium seine eigene Interessensrichtung pflegt, dann kann das sein, dass der nicht optimal vorbereitet ist. Die Berufschancen sind nicht toll, aber auch nicht schlecht. Auf jeden Fall realistisch und für Unternehmen praktisch."

    Entweder mit einem Master oder im klassischen Gesang möchte sich Julius Hassemer weiterqualifizieren. Der große, schlanke und selbstbewusste junge Mann managt seit drei Jahren in seiner Freizeit ein Musiktrio. Kleinere Engagements und Konzerte hat er schon organisiert.

    Einige Studenten kommen an die OTA, weil sie der Universität müde sind. Sie nehmen in Kauf, dass sie wenig Freizeit haben. Dafür aber kleine Seminargruppen und eine individuelle Betreuung. Und wenn jemand dem Unterricht fernbleibt, dann wirft das ein schlechtes Bild auf denjenigen, so Izzet Furgac

    "Ein Selbstbedienungsladen ist das hier nicht, man muss sich selbst anstrengen."

    An der OTA kennen sich alle mit Vornamen, erzählt Ümmit Ustat. Die Seminargruppen sind zwar klein, aber

    "Ich hätte mir mehr vom Uni-Leben erwartet und nicht mehr dieses Schulische und Betreute, manchmal sogar Hausaufgaben-Kontrollen und da habe ich mir gedacht oh Gott, wo bin ich an der Schule oder an Uni. Aber für Leute, die ein bisschen auf der faulen Haut liegen und doch was packen wollen, ist so kompakte Uni sehr gut."

    Zwar ist Julius Hassemer von seinem erlangten Wissen und praktischem Können überzeugt, doch

    "Es bildet nicht die Welt ab, die man draußen findet, weil dann wird es schon unpersönlicher und riesig. Da steht man dann in einer Riesenhalle gegen die die Uni nichts war. Das ist auch eome Gefahr, weil gerade ich jetzt bei den neuen Bewerbern sehe, das sind Leute die meistens so finanziert werden, die Eltern können es bezahlen. Aus dem Elternhaus, werden die nach der Schule, die eine strenge Linie vorgibt, so weitergeführt und auf einmal lässt man die frei. Da kann ich mir vorstellen laufen die auch erstmal verwirrt rum. Also das lässt Eigeninitiative nicht unbedingt notwendig sein. Das ist der Nachteil vom verschulten Studiensystem."

    Die OTA kostet Geld. Julius Hassemer und Ümmit Ustat zahlten für ihr Studium 300 Euro monatlich, ein ermäßigter Satz, den die Hochschule noch subventionierte. Kommende Studenten zahlen 700 Euro monatlich. Für Vizepräsident Izzet Furgac ist das kein Preis.

    "Eigentlich ist das viel zu preiswert, wenn man bedenkt, dass es eine Investition fürs ganze Leben ist. Das ist auch die Einleitung zum lebenslangen Lernen. Es wird nicht mehr reichen, was man in drei Jahren gelernt für zig Jahre anzuwenden. Aber es ist wichtig für sein Leben zu lernen. Diese Selbständigkeit auch im Lernprozess, das versuchen wir den Leuten auch beizubringen."

    Während die Eltern von Julius Hassemer das Studium finanzierten, nahm sein Freund Ümmit Ustat einen Studienkredit auf. Die schwierigste Entscheidung in seinem bisherigen Leben. Vater Ustat war zunächst gegen diese Selbstverschuldung. Doch da Ümmit Ustat schon seit dem 16. Lebensjahr sein eigenes Geld verdiente, war der Vater von der Selbständigkeit des ältesten Sohnes überzeugt.

    "Bei Migrantenkindern ist das große Problem, dass die Eltern meist Arbeiter sind und bei den Arbeiterfamilien ist es meist so, dass die Eltern nicht gebildet sind und kein Gefühl für die Uni oder diese Bildung haben, so dass sie sagen können, ja die Bildung ist viel wert und deshalb investiere ich in mein Kind rein. Ich will nicht sagen, dass sie kein Geld haben. Sie haben genug Geld sich ein neues Auto zu kaufen oder in der Türkei in Heimat zu investieren. Die meisten haben das Gefühl nicht."

    Knapp ein Drittel der 150 OTA Studenten sind Migranten. Um ihnen ein Studium zu finanzieren, würde die Hochschule gerne Stipendien vergeben. Doch bisher kann sie sich das nicht leisten. Die Hochschule finanziert sich derzeit noch über eine Stiftung, welche der Gründer vor Jahren ins Leben rief. Und deshalb ist die OTA in Julius Hassemers Augen gesehen, ganz klar, einer bestimmten Elite vorbehalten.

    "Migrantenkinder finden hier den Einstieg, finde ich, nicht existent. Weil Interkulturalität das ist eine Eigenheit von Berlin. Man muss sich dagegen wehren, wenn man das als Hochschule nicht haben will. Da muss man schon ganz deutlich Oberschicht sein, um für sein Kind 600 Euro pro Monat auf den Tisch legen zu können. Ich finde Migrantenkinder, das ist leere PR bis jetzt."

    Ümmit Ustat ist sich bewusst, wie er sagt, einen Batzen Schulden zu haben. Doch er blickt zuversichtlich in seine Zukunft. Außerdem hofft er, dass es an seiner ehemaligen Hochschule künftig Teil- oder Vollstipendien an die Migrantenkinder vergeben werden können. Dafür hat er sich als Studentenvertreter eingesetzt.