"Wir müssen halt den Versuch machen, das rauszuholen, was rauszuholen ist."
Jürgen Trittin nippt völlig entspannt an seinem Cappuccino. Dabei hat er derzeit einen der kompliziertesten Jobs inne, die hierzulande auszufüllen sind. Ausgerechnet er, der frühere grüne Bundesumweltminister, der vor 15 Jahren den ersten Atomausstieg aushandelte, muss noch mal ran. Und diesmal ist alles noch viel komplizierter zwischen Atom-Konzernen und Staat. Um dieses Verhältnis zu beschreiben, könnte ein Bild helfen: Die Atom-Party in Deutschland ist seit der Fukushima-Katastrophe von 2011 wirklich vorbei, der Partyraum muss dieses Mal tatsächlich aufgeräumt werden und der Kellner bringt die hohe Rechnung über die Ausstiegskosten und fragt: "Zahlt einer alles – oder zahlen sie getrennt?"
Diese Frage soll eine Kommission beantworten. Die Bundesregierung hat sie eingesetzt und Jürgen Trittin steht an ihrer Spitze. 2022 soll der letzte Atommeiler in Deutschland vom Netz gehen. Das ist in sechs Jahren. Die Zeit drängt, um zu klären, wer wie viel und wie lange für den Ausstieg aus der Atomenergie bezahlt.
"Dahinter steht, dass wir ja über einen Betrag reden, der nach heutigen Preisen irgendwas wie 47 Milliarden Euro kosten würde für den Rückbau, für die Verpackung des Mülls in Behälter, für die Frage der Zwischenlagerung. Und auch für die Frage der Endlagerung und die Transporte von der Zwischenlagerung und Endlagerung."
Sagt Jürgen Trittin und rührt dabei im Cappuccino fast wie in einer Suppe, die nun irgendjemand auslöffeln muss. Seit Oktober steht der ehemalige Minister gemeinsam mit Matthias Platzeck (SPD) und Ole von Beust (CDU) dem Gremium vor, das offiziell Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs heißt und meistens schlicht Atom-Kommission genannt wird. Ihre 19 Mitglieder sollen im Auftrag der Bundesregierung sicherstellen, dass die Rücklagen der Atomkraftwerksbetreiber EnBW, EON, RWE und Vattenfall auch wirklich reichen - für den Abriss der Atommeiler und die Endlagerung der radioaktiven Hinterlassenschaften.
Zweiteilung der Ausstiegskosten
Konkrete Ergebnisse gibt es noch nicht. Nur einen nicht öffentlichen Entwurf für den Abschlussbericht, den die Kommission morgen abschließend beraten will. Ob es dann wirklich zur Einigung kommt, steht noch nicht fest. Darin wird eine Zweiteilung der Ausstiegskosten vorgeschlagen: Danach blieben die Konzerne für den Rückbau und Abriss der Atomkraftwerke zuständig und sie behielten auch die Rückstellungen, die dafür gebildet wurden. Das wären rund 20 Milliarden Euro. Rückstellungen von gut 17 Milliarden Euro, die für die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls reserviert sind, sollen dagegen auf einen staatlichen Fonds übergehen – und zwar in cash. Dabei gibt es jedoch Risiken, sagt Swantje Fiedler, von der umwelt-orientierten Denkfabrik Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft.
"Das Risiko liegt eigentlich in zwei Bereichen. Das eine Risiko ist, dass es Kostensteigerungen gibt, die man vorher nicht vorhergesehen hat. Das zweite Risiko ist, dass sich das Vermögen der Konzerne nicht gut genug entwickelt, um das bezahlen zu können."
Zahlt am Ende der Steuerzahler?
Ein Atomkraftwerk lässt sich nicht einfach abschalten und abreißen. Die Stromproduktion kann eingestellt werden, daran schließt sich aber eine lange Abklingphase an, in der die heißen Brennstäbe im Reaktor noch jahrelang gekühlt werden müssen. Erst dann können sie in Castor-Behälter umgefüllt und zwischengelagert werden. Erst dann kann mit dem eigentlichen Abriss begonnen werden. Der zudem oft noch viel teurer wird als gedacht.
"Also ein Beispiel ist der Versuchsreaktor in Jülich. Da hat man ursprünglich mal damit gerechnet, dass der Rückbau 400 Millionen Euro kosten sollte. Die Kosten liegen bis heute bei 560 Millionen Euro. Das heißt, alleine hier gab es eine Kostensteigerung von 40 Prozent."
Die komplett von den Betreibern zu zahlen sind. Sie sind alleine verantwortlich. Die Lage sei völlig eindeutig, so Fiedler, denn so stehe es im Atomgesetz.
"Das steht da schon immer. Das war von Anfang an klar, dass diejenigen, die Geld damit verdienen, auch für die Folgekosten aufkommen müssen."
Das aber ist angesichts der wirtschaftlich desolaten Lage der Energieversorger nicht mehr so sicher wie noch vor einigen Jahren. Längst geht die Angst um, dass am Ende der Steuerzahler auf den Ausstiegskosten sitzen bleiben könnte. Trittin will das verhindern.
"Das ist etwas, das viele Menschen sich vor einigen Jahren nicht vorstellen konnten, Anleihen und Aktien der großen Energieversorger rangierten fast gleichauf mit Staatsanleihen, heute haben die Unternehmen ihre Dividenden massiv gekürzt."
Fukushima - Zäsur für die Stromriesen
Noch vor fünf Jahren war die Welt für EON, RWE, Vattenfall und EnBW in bester Ordnung. Die damalige schwarz-gelbe Koalition hatte gerade den Ausstieg aus dem Atomausstieg der rot-grünen Vorgängerregierung vollzogen und die Laufzeiten der Atomkraftwerke wieder verlängert. An der Strombörse in Leipzig kostete die Megawattstunde Strom über 50 Euro, in Spitzenzeiten auch mehr. Die Konzerne schwammen im Geld.
Dann die Zäsur – Freitag, 11. März 2011:
"Durch das Erdbeben und den nachfolgenden Tsunami sind in Japan hunderte Menschen getötet worden. Die Erdstöße erreichten eine Stärke von 8,9. Das ist mehr, als je zuvor in Japan gemessen wurde. Die Flutwelle riss Autos und Häuser mit. In einem Atomkraftwerk in der Provinz Fukushima fiel das Hauptkühlsystem aus."
So begann der Niedergang der vier großen Stromkonzerne. Schon wenige Tage nach Fukushima ließ die Bundesregierung die sieben ältesten Atomkraftwerke und den als Pannenreaktor verrufenen Meiler Krümmel sofort abschalten. Im Juni 2011 dann der historische Beschluss: Deutschland steigt bis 2022 ganz aus der Atomenergie aus.
EON, RWE und Co stehen seitdem gewaltig unter Druck. Jeder Atommeiler war bis dahin für einen Jahresgewinn von bis zu einer Milliarde Euro gut. Nicht nur damit ist es vorbei. Die Konzerne haben auch das Zukunftsgeschäft mit Wind- und Solarkraftwerken verschlafen. Das rächt sich heute, wo der Ökostromanteil auf ein Drittel gewachsen ist. Das Angebot drückt an der Strombörse die Preise auf nur noch gut 20 Euro pro Megawattstunde. Zu diesen Preisen ist auch mit den noch verbliebenen Atom- und Kohlekraftwerken kein Geld mehr zu verdienen. Die Energieriesen stecken in einer verzweifelten Lage, urteilt Guido Hoymann, Aktienanalyst beim Bankhaus Metzler in Frankfurt:
"Im Moment können sie gerade so viel Geld verdienen, dass sie Substanz erhalten und Zinsen auf Schulden zahlen können."
Das erklärt die Zweifel, ob die geschwächten Energieriesen auch in Zukunft noch für den Rückbau der Atomkraftwerke und die Endlagerung des Atommülls gerade stehen können. Die Konzerne selbst beschwichtigen:
"Die Rückstellungen sind Teil der Bilanz und unsere Bilanz ist solide. Es gibt Herausforderungen und die wirtschaftliche Situation ist angespannt. Aber das ändert nichts daran, dass dieses Geld, das wir zurückgestellt haben, zur Verfügung steht dann, wenn es gebraucht wird."
Rückstellungen in einer Konzernbilanz sind zunächst einmal Schulden, die in Zukunft anfallen und deren Höhe ungewiss ist. Um sie abzudecken, muss ihnen auf der Habenseite etwas Werthaltiges gegenüberstehen. Und da zeigt sich bei allen Versorgern: Die Rückstellungen für die Atomausstiegskosten sind nur zum Teil durch Finanzanlagen gedeckt. Als Sicherheit dienen auch Stromnetze oder Kraftwerke, die den Konzernen gehören. Vor allem die Kraftwerke sind aber durch den rapiden Verfall der Strompreise inzwischen deutlich weniger wert als noch vor einigen Monaten.
Da sorgte ein von der Bundesregierung in Auftrag gegebener Stresstest noch für vorläufige Ruhe. Auftraggeber war der Bundeswirtschaftsminister und Sigmar Gabriel erklärte damals:
"Das Geld ist da, wir brauchen nicht zusätzliche Maßnahmen ergreifen. Worum es jetzt geht, ist, es langfristig zu sichern."
Verfasser des Stresstests warnt vor damaliger Analyse
Das war möglicherweise ein vorschnelles Urteil, das die Zahlen des Stresstests bei genauerer Betrachtung gar nicht hergeben:
38,3 Milliarden Euro hatten die Energieversorger Ende 2014 für die geordnete Beendigung des Atomzeitalters zurückgelegt. Dem standen zum gleichen Stichtag Kosten von 47,5 Milliarden Euro gegenüber. Die Lücke schließt sich, indem die Konzerne unterstellen, dass die zurückgestellten 38,3 Milliarden Euro jedes Jahr Erträge von rund 4,6 Prozent abwerfen und dementsprechend wachsen werden. So standen Ende 2015 mit 40,1 Milliarden Euro knapp zwei Milliarden Euro mehr an Rückstellungen in den Büchern als ein Jahr zuvor. Aktuell liegt der Kapitalmarktzins aber deutlich unter 4,6 Prozent. Prof. Martin Jonas von der Unternehmensberatung Warth & Klein hat deshalb bei dem Stresstest auch ein Szenario mit dem aktuellen Zinsniveau durchgerechnet.
"Wenn man Zins wie Versicherungsaufsicht angewendet im Stresstest für die Lebensversicherungen, dann ist das ein Zinssatz, der in naher Zukunft zwischen 0 - 1 Prozent liegt und der dann ansteigt auf 4,2 Prozent. Wenn man damit arbeitet, kommt man auf Rückstellungen von 67 Milliarden."
Doch auch wenn mit 67 Milliarden Euro viel mehr zurückgelegt werden müsste, wäre das im Oktober letzten Jahres, als der Stresstest vorgelegt wurde, noch kein Problem gewesen.
"Also im Oktober konnten wir sagen: Selbst im extremsten Fall reicht das Vermögen. Seitdem hat sich sowohl das bilanzielle Vermögen als auch der Marktwert der Unternehmen grob geschätzt um zehn Milliarden vermindert, sodass es sich heute im Extremfall äußerst knapp darstellt."
Heißt übersetzt: Selbst der Verfasser des Stresstests warnt heute vor seiner damaligen Analyse. So sieht man es auch an den Kapitalmärkten. Dort schweben die ungeklärten Entsorgungskosten wie ein Damoklesschwert über den Konzernen. Nichts hassen Anleger und Kapitalgeber mehr als Unklarheit, betont auch Guido Hoymann vom Bankhaus Metzler.
"Ich denke, dass der Kapitalmarkt absolute Klarheit braucht hinsichtlich der Haftungsrisiken. Bekommt er die nicht, wird sich der Markt für die Energieversorger verschließen. Und das könnte auch die Existenz der Unternehmen bedrohen. Meines Erachtens geht es um alles. Wenn sich die Märkte verschließen, sind sie illiquide und damit am Ende auch pleite."
Die bisherigen Atomkonzerne stehen also am Abgrund. Die Kommission unter Leitung von Jürgen Trittin hat deshalb den Auftrag, die Rückstellungen zu sichern. Auf der Gegenseite feilschen die bisherigen Atomkonzerne um jeden Euro, der entweder für den Rückbau der Meiler bei ihnen bleibt oder für die Atommülllagerung von ihnen in den staatlichen Fonds eingezahlt werden müsste. EON, so Konzernsprecher Carsten Thomsen-Bendixen, könnte damit leben:
"Ich kann für EON klar sagen, wenn es auf eine solche Lösung hinauslaufen sollte und es zu Einzahlungen in einen solchen Fonds käme, dann wäre die genannte Größenordnung im Rahmen der Rückstellungen, die wir gebildet haben - den entsprechenden Teil davon – dann wäre das für uns machbar."
Doch solche Zahlungen in "geldlicher Form" stoßen längst nicht bei allen Konzernen auf Zustimmung. Ihnen wäre es lieber, eigene Aktien oder Beteiligungen in den Fonds zu geben. Das aber überzeugte die Kommission um Jürgen Trittin nicht. Im Gegenteil.
Auch die Regierungskommission rechnet mit steigenden Kosten und sie hält den Zinssatz von 4,6 Prozent für viel zu hoch, mit dem die Versorger bis jetzt ihre Rückstellungen hochrechnen, damit sie die gestiegenen Ausstiegskosten auch in Zukunft abdecken. Wegen des niedrigen Zinsniveaus ist deshalb im Gespräch, dass die Konzerne schon am Anfang deutlich mehr in den Fonds einzahlen – nicht 17 oder 18 Milliarden Euro, sondern noch einmal 6 bis 18 Milliarden mehr.
"Jeder Euro, den die Versorger noch mal zusätzlich zahlen müssten, tut denen weh."
Sagt dazu Guido Hoymann vom Bankhaus Metzler und er spricht von einer Prämie, mit der sich die Konzerne von den Kosten der Endlagerung endgültig freikaufen würden. Der Aktienanalyst wägt ganz kühl ab. Für die Freikaufprämie spräche, dass Unternehmen, Aktionäre und Kreditgeber nach einer Einzahlung in den Fonds endlich sicher wüssten, wie teuer die Endlagerung für die Unternehmen wird. Unter dem Aspekt "mehr Planungssicherungssicherheit" könnte das sogar wünschenswert sein. Aber, so Guido Hoymann, es bleibt eine äußerst knappe Rechnung.
"Entsprechend ist eine zusätzliche Belastung fast nicht zu vertreten."
Und auch EON-Sprecher Thomsen-Bendixen lehnt einen Aufschlag kategorisch ab. Seine Begründung:
In Gorleben gibt es schon ein Endlager für radioaktive Abfälle. Wenn nun wegen des politischen und gesellschaftlichen Widerstandes gegen Gorleben nach Alternativen zu Gorleben Ausschau gehalten werde und wenn dieser Prozess womöglich noch Jahre und Jahrzehnte dauert, dann dürfe das nicht den Atomkonzernen auf die Rechnung geschrieben werden.
"Der Staat ist verantwortlich für die Ausweisung und den Betrieb eines Endlagers. Jede Verzögerung bei dem Prozess, der letztendlich zu einem Endlager führen soll, hätte politische Ursachen und wenn es politische Ursachen sind, dann sind auch dort die Risiken zu tragen."
Barmittel im Fonds dürften beim jetzigen Zinsniveau kaum steigen
Das hieße aber auch: Der Staat muss mit den von den Konzernen in den Entsorgungsfonds eingezahlten Rückstellungen am Ende auskommen. Doch die Barmittel im Fonds dürften beim jetzigen Zinsniveau nahe Null kaum steigen. Steigen dagegen die Endlagerkosten, wird am Ende der Steuerzahler nachschießen müssen, rechnet Guido Hoymann ganz nüchtern vor:
"Das bedeutet, dass in gewisser Weise ein Lügengebäude zusammenbricht, nennen wir es eine Illusion, die vor 30 Jahren von großen Teilen der Gesellschaft getragen wurde. Aber die jetzt entzaubert wird."
Illusionen über Atomenergie hat sich der Grüne Jürgen Trittin noch nie gemacht. Doch nun muss er als einer der drei Ko-Vorsitzenden der Atom-Kommission für eine solide Finanzierung des Ausstiegs sorgen. Beim ersten von Trittin ausgehandelten Atomaussteig vor 15 Jahren blieb diese Rechnung offen. Bekommt Trittin jetzt seine zweite Chance?
Ganz eindeutig ja, sagt Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion.
"Es ist auch in der Tat so gewesen, dass das eigentlich das benennbare Defizit damals war, des Atomausstiegs. Dass man diese Frage, wie geht man mit den Rückstellungen um, kriegt man einen öffentlich-rechtlichen Fonds für diese Gelder hin, nicht mehr anpacken konnte und es ja dann auch die ganzen Jahre von niemandem angepackt wurde."
Trittin sieht das Versäumnis aus den Jahren 2000/2001 nicht bei den Grünen, sondern:
"Es war damals nicht zu regeln mit den Unternehmen. Es war da auch mit dem Koalitionspartner nur sehr schwierig zu diskutieren. Heute wären alle froh, alle, die damals dagegen waren, wenn sie auf die Grünen gehört hätten."
2000/2001 war eine vertane Chance. Das findet auch Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Die Politik habe jahrzehntelang versagt und das Problem nicht gelöst.
"Viel zu spät, es ist auch unverständlich. Eigentlich hätte man es gleich zu Beginn machen müssen, als man in die Atomwirtschaft eingestiegen ist. Damals waren es noch Staatsunternehmen. Das ist vielleicht der Grund, warum man sich noch nicht so darum gekümmert."
Eine ernüchternde Erkenntnis, die nicht jeder dem Steuerzahler oder dem Anti-Atom-Lager beibringen kann. Manche sagen, so etwas könne nur ein Jürgen Trittin, der mit seiner politischen Vergangenheit für Glaubwürdigkeit steht. Als den "grünen Vollstrecker" hat ihn "Der Spiegel" bezeichnet, der sich am Leid der Energiekonzerne erfreue. "Atom-Schreck", nannte ihn die "taz". Alles völliger Quatsch, sagt er trocken:
"Nein, ich glaube, wir haben gar nicht die Zeit dafür, Schlachten von gestern und vorgestern zu schlagen…"
Und doch kann er ein kleines Schmunzeln darüber nicht verbergen. Die Konzerne hätten in den vergangenen Jahren viele strategische Fehler gemacht, die Energiewende verschlafen, dafür seien sie halt selbst verantwortlich.
"Wir müssen halt den Versuch machen, das rauszuholen, was rauszuholen ist."
Viel Lob für Trittin und Co
Wer sich unter den Kommission-Mitgliedern umhört, der bekommt viel Lob zu hören. Diejenigen, die Umweltverbänden nahestehen, begrüßen Trittins Sachkenntnis. Als gute Moderatoren werden auch die Ko-Vorsitzenden Matthias Platzeck, SPD, und Ole von Beust, CDU, eingeschätzt. Sie sind gut vernetzte Landespolitiker, erfahrene Vermittler in schwierigen Themen. Selbst Mitglieder wie Gerald Hennenhöfer, der eher die Position der Energiekonzerne versteht, lobt das konstruktive Klima:
Kritik an der Kommission kommt dagegen aus dem gut organisierten Anti-Atom-Lager. Das ist unzureichend, sagt Armin Simon von der Initiative ausgestrahlt, die die Arbeit der Kommission beobachten.
"Die Konzerne versuchen, sich rauszuwinden aus dieser Verantwortung, sie abzuwälzen auf die Gesellschaft."
Simon verweist auf eine langjährige Forderung der Anti-Atom-Bewegung:
"Es muss eine unbegrenzte Nachhaftung der Konzerne geben. Dass sie, falls die Kosten höher liegen, auch dafür weiterhin zur Rechenschaft gezogen werden können."
Die unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen Interessen halbwegs in Einklang zu bringen, den Prozess zu moderieren. Das ist Aufgabe des Grünen Jürgen Trittin, um den es nach dem enttäuschenden Wahlergebnis von 2013 deutlich ruhiger geworden war.
Gibt es jetzt wieder die Hoffnung, mit der Atom-Kommission ein ur-grünes Thema neu zu platzieren?
"Wir müssen uns dieses Thema nicht zurückerobern. Wir haben das Thema schon immer."
Findet die grüne Atom-Politikerin Sylvia Kotting-Uhl, die aus Baden-Württemberg kommt und sich schon seit den 1980er Jahren gegen Kernenergie kämpft:
"Die Tatsache, dass der parteiübergreifende Atomausstieg, über den ich sehr froh bin, von Frau Merkel eingeläutet wurde, heißt ja nicht, dass sie plötzlich oder die CDU auf einmal die Kompetenz zur Bewertung des atomaren Risikos gepachtet hat. Sondern das sind schon wir."
Ausblick: Kommissions-Chef Trittin will jetzt Nägel mit Köpfen machen. Er weiß, dass die Zeit für ihn arbeitet, denn die Energiekonzerne müssen ihre alten Atomschulden möglichst schnell klären, um auf dem Kapitalmarkt wieder kreditwürdig zu werden. Die Einigung – eigentlich für Februar geplant - soll im April kommen; der Gesetzesentwurf bis spätestens September vorliegen. Denn die Zeit drängt: Das Thema soll nicht in die Mühlen des Bundestagswahlkampfs 2017 geraten.
"Wenn man dieses Zeitfenster verstreichen ließe, dann würde ich die Chance für einen neuen Anlauf nicht vor 2018 sehen."