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Recht auf Abtreibung
Texas und die Folgen des Urteils des Supreme Courts

Seit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs in den USA sind Abtreibungen in Texas verboten - mit teils dramatischen Folgen für ungewollt Schwangere. Die Debatte bestimmt auch den Wahlkampf vor den Zwischenwahlen zum US-Kongress im November - das könnte den Demokraten nützen.

Von Nicole Markwald |
Eine Aktivistin demonstriert für das Recht auf Abtreibung bei einer Demo am 8. Oktober in Washington D.C. (USA). "Verbot weg von meinem Körper" steht auf ihrem Gesicht.
Eine Aktivistin demonstriert für das Recht auf Abtreibung bei einer Demo am 8. Oktober in Washington D.C. (USA). "Verbot weg von meinem Körper" steht auf ihrem Gesicht. (picture alliance / ZUMAPRESS.com / Probal Rashid)
24. Juni 2022. Um kurz nach 10 Uhr an diesem Freitagmorgen wird der Oberste Gerichtshof der USA seine Entscheidung zum Abtreibungsrecht bekannt geben. Schon seit Tagen haben sich Demonstrantinnen und Demonstranten in der US-Hauptstadt Washington D.C. vor dem Gebäude des Obersten Gerichtshofs versammelt. Dieser ist mit einem Zaun abgesperrt – eine Sicherheitsmaßnahme, seit dem Magazin "Politico" im Frühjahr ein Entwurf der Mehrheitsmeinung der Richter zugespielt worden war. Dieser Entwurf machte deutlich: Das mehrheitlich konservativ besetzte Gericht war bereit, das seit 1973 bestehende Recht auf Abtreibung grundlegend zu ändern. An diesem 24. Juni wird aus der Ahnung Gewissheit. Die landesweit geltende Regelung ist Geschichte. Damit gelten ab nun die Gesetze der einzelnen Bundesstaaten.
Vor dem Gerichtsgebäude sagt die demokratische Kongressabgeordnete Robin Kelly: „Den Frauen vorzuschreiben, was sie mit ihrem Körper machen dürfen? Absurd! Das ist unsere Entscheidung!” Demonstrantin Gwen Charles freut sich: „Heute läuten wir eine neue Ära ein – Amerika schützt Ungeborene, schützt Leben, unterstützt Frauen.”
Und US-Präsident Joe Biden mahnt noch am selben Tag in einer Pressekonferenz: „Es ist ein trauriger Tag – für das Gericht und das Land. Nun, wo das Recht auf Abtreibung der Vergangenheit angehört, muss allen klar sein: Die Gesundheit und das Leben von Frauen in unserem Land sind in Gefahr.”

In 13 Bundesstaaten werden keine Abtreibungen mehr vorgenommen

Seitdem sind gut 100 Tage vergangen. Und die Folgen des Gerichtsurteils sind im ganzen Land zu spüren: In inzwischen 13 Bundesstaaten werden gar keine Abtreibungen mehr vorgenommen. Einrichtungen in Bundesstaaten, wo Abbrüche nach wie vor legal sind, werden überrannt.
„Ich hatte ein körperliche Reaktion, als ich von dem Urteil hörte – mein Mann musste das Auto anhalten und ich habe mich am Straßenrand übergeben. Seitdem hat sich unsere Arbeit geändert und auch vervielfacht.”
Andrea Ferrigno ist Vizepräsidentin von „Whole Woman’s Health“, sie lebt im texanischen San Antonio. „Whole Woman’s Health“ bietet gynäkologische Gesundheitsdienste an: von der Verschreibung von Verhütungsmitteln über Schwangerschaftstests bis zur Behandlung von sexuell übertragenen Krankheiten. Bis zum Supreme Court-Urteil auch im Angebot: Schwangerschaftsabbrüche. Dieses Angebot wurde in Texas komplett eingestellt.

Texas: Keine Abtreibung bei Vergewaltigung oder Inzest

Der zweitgrößte US-Bundesstaat war einer von insgesamt 13 Bundesstaaten, die auf das Ende des liberalen Bundesgesetzes vorbereitet war, mit sogenannten ‘trigger laws’. Diese traten mit der finalen Veröffentlichung des Richterspruchs - mal mit 30 Tagen Wartezeit, mal ohne - automatisch in Kraft. In Texas gilt deshalb seit Ende August: Alle Abbrüche sind verboten. Auch im Fall von Vergewaltigung oder Inzest.
Joe Pojman von der Organisation „Texas Alliance for Life“ verteidigt die Regelung. Die Lobbyorganisation arbeitet seit über 30 Jahren daran, das Abtreibungsrecht weiter einzuschränken und langfristig zu Fall zu bringen.
„Wenn eine Frau Opfer von Inzest oder einer Vergewaltigung wurde, dann hat sie Gewalt erfahren. Texas und wir, als pro-Life-Bewegung, haben eine Verpflichtung, alles in unserer Macht Stehende zu tun, ihr zu helfen. Aber wenn sie nach dieser grausamen Tat schwanger wird, dann gibt es zwei Opfer: die Mutter und das ungeborene Kind. Deshalb wollen wir es schützen. Es sind Babys, es sind Mitglieder unserer Gesellschaft, der Staat muss sie beschützen – egal ob es ein geplantes oder ungeplantes Kind ist.”
In Texas unterstützt die Organisation von Joe Pojman konservative Politiker bei ihrem Kampf für ein strengeres Abtreibungsrecht. Sie verabschiedeten im vergangenen Jahr das schärfste Abtreibungsrecht im ganzen Land. Das sogenannte „Herzschlag-Gesetz“ verbietet Abbrüche, sobald beim Ultraschall - so der Gesetzestext -‚ der Herzschlag des Babys zu hören ist, also etwa ab der 6. Schwangerschaftswoche. Viele Frauen wissen zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht, dass sie schwanger sind. Auch hier ist die Wortwahl umstritten: denn der vermeintliche Herzschlag ist ein elektrisches Signal, das ein Zellcluster im Embryo abgibt. Das Ultraschallgerät wandelt diese Signal in ein hörbares Pochen um.
Schon nach dieser Gesetzesänderung mussten Andrea Ferrigno und ihre Kolleginnen von „Whole Woman’s Health“ umdisponieren. Der Großteil der Patientinnen in Texas wurde da schon in andere Bundesstaaten vermittelt. Das Supreme Court-Urteil beendete alle Abbrüche in Texas.
„Uns war klar: die Entscheidung des Supreme Courts war unumstößlich. Es gab keine Möglichkeit, daran zu rütteln. Also schauten wir, wie wir möglichst lange unsere Dienste in Texas anbieten können. Ob wir legale Spielräume hatten. Die waren nach einer Woche ausgeschöpft. Die texanische Regierung war bereit, alles anzufechten. Wir mussten eigentlich fast sofort dichtmachen.”

Kliniken in Nachbarstaaten werden überrannt

Organisationen wie „Lilith Fund“, „Jane’s Due Process“ oder „Fund Texas Choice“ sammelten Spenden, um Betroffene bei Reisekosten oder Hotelübernachtungen zu unterstützen. Die Spendenbereitschaft im ganzen Land war enorm. Kliniken in Nachbarstaaten wie Oklahoma und New Mexiko wurden überrannt.
Die Zahl der Abtreibungen hatte in den USA seit Anfang der Neunzigerjahre stetig abgenommen. Daten dazu werden unter anderem regelmäßig von der Forschungsgruppe Guttmacher Institute erhoben. Seit 2018 ist eine Kehrtwende zu beobachten. In den zurückliegenden vier Jahren hat die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in den USA wieder zugenommen. So erfolgten 2020 laut Guttmacher rund 930.000 Abtreibungen, das ist eine Zunahme von acht Prozent verglichen mit 2017. Mögliche Gründe: einige Bundesstaaten ließen den Eingriff in das staatliche Medicaid-Gesundheitsprogramm für Menschen mit geringem Einkommen zu. So konnten auch sie sich den Abbruch leisten. Unter der Trump-Regierung wurde zudem ein Programm zur Verteilung von kostengünstigen oder kostenfreien Verhütungsmitteln stark eingeschränkt, auch das könnte laut Guttmacher Institute einer der Gründe für den Anstieg von Abtreibungen sein.
Rund 61 Prozent der befragten registrierten Wählerinnen und Wähler lehnen die Entscheidung des Supreme Courts ab, den Präzedenzfall Roe v. Wade und damit das Grundrecht auf Abtreibung abzuschaffen
Rund 61 Prozent der befragten registrierten Wählerinnen und Wähler lehnen die Entscheidung des Supreme Courts ab, den Präzedenzfall Roe v. Wade und damit das Grundrecht auf Abtreibung abzuschaffen (SCRI; New York Times)
Auch wer sich entschließt, eine Schwangerschaft zu beenden, ist gut erforscht. Damit beschäftigt sich zum Beispiel seit vielen Jahren Diana Greene Foster. Sie ist Demografin an der Universität von Kalifornien in San Francisco. „Die Hälfte ist in ihren 20ern. Die Mehrheit gehört der schwarzen oder der Latino Community an. Ihr Einkommen liegt überwiegend unterhalb der Armutsgrenze. Und 60 Prozent aller Frauen, die eine Schwangerschaft beenden wollen, haben bereits Kinder.“

Studie: Arme und Menschen mit geringen Ressourcen am stärksten betroffen

Greene Foster ist Autorin der „Turnaway Study“. Über Jahre hat sie die wirtschaftlichen und emotionalen Folgen beobachtet, wenn eine gewünschte Abtreibung vorgenommen werden konnte – oder eben nicht. Menschen, die trotz aller Versuche keine Abtreibung vornehmen lassen können, leben noch häufiger unter der Armutsgrenze. Sie berichten, nicht genug Geld für grundlegende Dinge zu haben, erhalten häufiger Sozialleistungen – aber nicht genug, um der Armut zu entfliehen, berichtet Greene Foster.
Auf die Frage, wer am meisten von der neuen Gesetzgebung betroffen ist, sagt Greene Foster: „Das ist ein enger Wettkampf, wen es am Schlimmsten trifft. Menschen mit geringem Einkommen können sich die Reisen nicht leisten. Diejenigen ohne Computer oder Fähigkeiten, einen Computer zu bedienen, sind nicht in der Lage, Medikamente zum Schwangerschaftsabbruch im Netz zu bestellen. Betroffene, die inhaftiert sind oder im Krankenhaus, haben gar keine Möglichkeiten. Wer nicht volljährig ist, hat weniger Unterstützung, sich Hilfe zu suchen. Es gibt viele Menschen, die einem hohen Risiko ausgesetzt sind.“

Müttersterblichkeitsrate in den USA nimmt zu

Und damit berührt sie den Aspekt, den auch US-Präsident Joe Biden am 24. Juni angesprochen hat: „Um es sehr klar zu sagen: Die Gesundheit und das Leben von Frauen in unserem Land sind in Gefahr,“ so Biden. Unter den Frauen, die Diana Greene Foster begleitet hat, waren auch zwei, die kurz nach einer Geburt gestorben sind. Die USA haben eine extrem hohe Müttersterblichkeitsrate. Und anders als in anderen Industrieländern nimmt sie nicht ab, sondern zu. Allein 2020 gab es laut eines Berichts des „National Center for Health Statistics“ 861 Todesfälle. Einer der höchsten Risikofaktoren: die Hautfarbe. So ist das Risiko, während der Schwangerschaft oder im ersten Jahr nach der Geburt zu sterben, bei Afroamerikanerinnen drei Mal höher als bei weißen Frauen.
„Zugang zu Abtreibung ist auch ein Aspekt von Diskriminierung“ – lautet auch die Überschrift eines Artikels im „New England Journal of Medicine“. Ein Punkt, den der Gynäkologe Bhavik Kumar bei seiner Aussage vor einem Kongressausschuss Anfang Oktober unterstrich. Kumar hat in den zurückliegenden sieben Jahren Abtreibungen in Texas vorgenommen und sich aktiv gegen ein Verbot eingesetzt. Für ihn sind Abtreibungsverbote „inhärent rassistisch“ und „klassistisch“: „Wir müssen uns nicht ausmalen, wie eine Welt aussieht, in der Menschen essentielle medizinische Versorgung verweigert wird, mit tödlichen Konsequenzen. Wir leben schon darin und wir sollten uns schämen.“
Der Arzt und Aktivist skizziert ein zweigeteiltes Amerika: Ein Teil, in dem die Menschen ihren Körper kontrollieren dürfen und einen anderen Teil, in dem Politiker für die Menschen entscheiden. Besonders in den ersten Wochen nach der Entscheidung des Supreme Court berichten US-Medien über die aufsehenerregenden Folgen der neuen Abtreibungsregelungen in den einzelnen Bundesstaaten. Über ein zehnjähriges Mädchen in Ohio, Opfer einer Vergewaltigung, das in den Nachbarstaat Indiana reisen muss, weil in Ohio ein Abbruch nur bis zur rund 6. Schwangerschaftswoche erlaubt ist. Oder über Nancy Davis in Louisiana, die im dritten Schwangerschaftsmonat erfährt, dass ihr Fötus an einer sehr seltenen Entwicklungsstörung leidet – ohne Chance zu überleben.

Behandlung von Schwangeren in Notsituationen juristisch unsicher

Medizinerinnen und Mediziner beklagen juristische Unsicherheiten wie diese bei der Behandlung von Schwangeren in Notsituationen – entweder, weil die schwangere Person oder der Fötus Komplikationen aufweisen. Einzugreifen hieße unter Umständen, gegen das Gesetz zu verstoßen. Mögliche Folgen: eine Klage, der Verlust der ärztlichen Zulassung, Berufsverbot und Haftstrafe. Nicht einzugreifen könnte bedeuten, das Leben der Patientin in Gefahr zu bringen, und von der Betroffenen oder der Familie verklagt zu werden.
Dr. Lauren Thaxton unterrichtet an der Medizinischen Fakultät der Universität von Texas in Austin. In einem Interview mit dem „New England Journal of Medicine“ beschrieb sie die Schwierigkeiten in der Ausbildung angehender Gynäkologinnen und Gynäkologen am Beispiel einer an Brustkrebs erkrankten Frau, die ungeplant schwanger wurde. Ein Abbruch würde in ihrem konkreten Fall die Chancen erhöhen, den Krebs zu besiegen, so Thaxton. Doch die angehenden Ärztinnen und Ärzte waren durch die Rechtslage so verunsichert, dass ihnen unklar war, ob sie einen Abbruch überhaupt erwähnen dürfen – der ohnehin dann in einem anderen Bundesstaat durchgeführt werden müsste. Thaxton bekräftigt:
„Unsere Patientinnen sollten über all ihre medizinischen Optionen Bescheid wissen. Unsere Beratung muss die medizinisch Richtige für die Patientin sein. Darüber müssen wir sprechen, und nicht über eine Regelung, die hier jenes erlaubt und anderes verbietet. Für unsere Studierenden, die aber jeden Tag eine Fülle von neuen Informationen in einem Klima der Angst aufnehmen, ist das sehr schwer miteinander zu vereinbaren.“

Studierende lernen nicht mehr, wie ein Abbruch durchgeführt wird

Um den Eingriff selbst zu lernen, haben ihre Studentinnen und Studenten in Texas die Möglichkeit, nach Kalifornien zu reisen. In Texas wird ihnen der Abbruch einer Schwangerschaft nicht mehr beigebracht.
In einer aktuellen Ausgabe ihrer Comedy-Show „Inside Amy Schumer“ spricht Comedienne Amy Schumer eine Einladung nach Colorado aus. Der Bundesstaat habe mehr zu bieten als schöne wilde Landschaften, erzählt sie augenzwinkernd. Auch geschäftige Städte mit allen nötigen Diensten – so legal wie eine frische Tasse heißer Kakao, sagt sie und spielt damit darauf an, dass in Colorado das Recht auf Abtreibung gesetzlich garantiert ist. Alle nötigen Informationen seien im Netz zu finden – aber bitte den ‘privat surfen’-Modus anklicken oder noch besser: eine geschützte Netzwerkverbindung benutzen, die den Internetverkehr verschlüsselt, die Online-Identität verschleiert und zu guter Letzt Suchverlauf und Websitedaten löschen. Denn schon längst werden in den USA digitale Spuren verfolgt, die Hinweise auf eine möglicherweise illegale Abtreibung liefern. So wird im US-Bundesstaat Nebraska gegen eine 17-Jährige und ihre Mutter wegen einer mutmaßlich verbotenen Abtreibung ermittelt. Zentrales Beweismittel sind offenbar Nachrichten, die das soziale Netzwerk Facebook herausgeben musste.

Internet- und Social-Media-Daten als Beweismittel vor Gericht

„Diese Informationen stammen nicht aus irgendwelchen raffinierten Überwachungsprogrammen, sondern von digitalen Geräten wie Smartphones. Google-Suchen, Textnachrichten, unverschlüsselte E-Mails, Webseiten, die besucht wurden. All das wurde alles schon vor Gericht als Beweismittel präsentiert – auch in Fällen, in denen es um abgebrochene Schwangerschaften geht.“
„Gebärmutter-Überwachung“ nennt Cynthia Conti-Cook diese Datensammlungen. Vor zwei Jahren veröffentlichte die Anwältin für Bürgerrechte den Artikel “Surveilling the Digital Abortion Diary” Darin beschreibt sie, wie Ermittlungsbehörden ihre Überwachung ausweiteten: Online-Suchen, location tracking, geofencing, Mittel also, um jemanden zu lokalisieren, online-Kaufverhalten und mehr. Meist geben Technologiekonzerne wie Facebook oder Google gewünschte Informationen nach einer richterlichen Anordnung heraus. So gab der Facebook-Mutterkonzern Meta nach eigenen Angaben allein in der zweiten Jahreshälfte 2021 in rund 88 Prozent allen Anfragen der Behörden nach. Das Unternehmen besitzt neben Facebook auch die social media-Plattform Instagram und den Nachrichtendienst WhatsApp.
Der demokratische Senator Ron Wyden aus Oregon urteilte in einer Paneldiskussion beim Aspen Institute: „Es handelt sich hier um einen außergewöhnlichen Eingriff in das Privatleben amerikanischer Bürgerinnen und Bürger. Es ist eine direkte Attacke auf das Konzept einer freien Gesellschaft, in der jeder Mensch die Kontrolle über seinen Körper haben sollte. Alles, was Frauen online sagen oder lesen, kann gegen sie verwendet werden. Online nach Verhütungsmitteln suchen, einen Periodentracker updaten, das Smartphone mit in die Arztpraxis zu bringen – sämtliche Daten werden benutzt, um Frauen im ganzen Land strafrechtlich zu verfolgen.“

Mit Geo-Daten werden Menschen zu Abtreibungskliniken verfolgt

Die Biden-Regierung hat seit dem Gerichtsurteil nur punktuell gegensteuern können. Eine Exekutivanordnung erleichtert Reisen für Frauen, die für Schwangerschaftsabbrüche in einen anderen US-Staat müssen. Im August verklagte die Bundesbehörde Federal Trade Commission den Datenmakler Kochava Inc.. Der Verdacht: Das Unternehmen soll Geolokalisierungsdaten von Millionen mobiler Geräte verkauft haben, die verwendet werden könnten, um Menschen zu Abtreibungskliniken und anderen sensiblen Orten wie Suchtkliniken zu verfolgen.
Um das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche landesweit zu schützen, brachten die Demokraten wie angekündigt einen entsprechenden Gesetzentwurf ein, der vom Repräsentantenhaus zwar verabschiedet wurde. Im Senat fehlte jedoch die notwendige Mehrheit.
Die Hoffnung der Demokraten: den Schock und die Wut über das Supreme Court-Urteil bei vielen Amerikanerinnen und Amerikanern in den anstehenden Kongresswahlen im November für sich nutzen zu können. Denn Umfragen zufolge lehnt eine Mehrheit der US-Bevölkerung das Urteil des Supreme Court ab und es ist eines der zentralen Themen in diesem Wahlkampf.

Midterms im November – Abstimmung über die Rechte von Frauen

Nach einer Analyse der Nachrichtenagentur AP haben die Demokraten in diesem Wahlkampf rund 124 Millionen Dollar für Wahlspots zum Thema ausgegeben – fast 20 Mal mehr als vor vier Jahren. Eine weitere Hoffnung der Demokraten: die Registrierungen für die Wahl sind in die Höhe geschossen, besonders bei jungen Frauen. Die Republikaner halten sich bei dem Thema zurück und setzen darauf, dass die Sorge um die hohe Inflation und die Abneigung gegen US-Präsident Joe Biden ihre Wählerschaft ausreichend mobilisiert.
„Mein Körper, meine Entscheidung“ war nur einer der Slogans, die am zurückliegenden Wochenende bei Protesten mit Tausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern in zahllosen US-Großstädten zu hören war. Die Wahl im November wird keine Kongresswahl wie jede andere – so die Botschaft. Sie wird auch zur Abstimmung über die Rechte von Frauen.