Die Botschaft ist eindeutig und prangt auf knallroten Schildern in der weitläufigen Ladengalerie: Sale - Abverkauf. Gut besucht ist das Modehaus H&M in der Hamburger Innenstadt an diesem sonnigen Vormittag. Junge Frauen schauen sich an den Ständern um, schieben Kleiderbügel hin und her, betrachten die Waren genauer, einige greifen sich zwei, drei Kleidungsstücke und verschwinden in Richtung Umkleidekabinen.
Laura Engels hatte sich zuvor ein türkisfarbenes Damenkleid besorgt. In einem Nebenraum hält die Pressereferentin von H&M das Kleid in die Höhe und streicht mit einer Hand über das Vlies:
"Wir haben zum einen ein Kleid aus der vergangenen Conscious Exklusive Collection, eine Kollektion, in der wir komplett auf nachhaltige Materialien setzen; in diesem Fall, in diesem türkisfarbenen Kleid, sind das 100 Prozent recyceltes Polyester, das heißt: keine Materialmischung."
Die Textilbranche hat das Thema Nachhaltigkeit auf die Agenda gehoben. Das Recycling der Stoffe gewinnt an Bedeutung. Zudem haben sich die meisten großen Anbieter verpflichtet, bis zum Jahr 2020 ihre Stoffe verstärkt ohne umwelt- oder gesundheitsschädliche Chemikalien zu produzieren. H&M nehme das sehr ernst und wolle es dabei nicht belassen, beteuert der Nachhaltigkeitsbeauftragte Hendrik Heuermann:
"Wenn man sich Textilien anschaut, gibt es ja mehrere Aspekte, die man nachhaltiger machen kann. Zum einen die Chemie, die eingesetzt wird; zum anderen aber auch die Frage, welche Rohmaterialien werden eingesetzt? Wie zum Beispiel Hanf und Leinen und Bio-Baumwolle und Bio-Seide - das geht in Sachen nachhaltiger Mode."
Bio boomt. Nicht nur bei Gemüse und Obst, bei Eiern, Milch und Käse, sondern auch bei T-Shirts, Blusen und Hosen. Am Thema Recycling kommt die Kundschaft ebenso nicht mehr vorbei. Textilhäuser stellen Container in ihren Ladengeschäften auf. Kunden können beim Kauf von Neuware die alte Kleidung gleich da lassen. Einkaufsgutscheine sollen dafür Anreize schaffen.
Doch die Frage ist: Wie gut funktioniert das Textilrecycling? Und wie nachhaltig ist das Ganze? Kann eine Branche, die im so genannten Fastfashion-Segment alle drei bis vier Wochen die Kollektionen austauscht, wirklich nachhaltig agieren? Oder ist das nur gutes Marketing? Also bloß suggerierte Nachhaltigkeit? Kathrin Krause vom Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin ist jedenfalls sehr skeptisch:
"Verbraucher sollten Werbeaussagen - wenn es zum Beispiel um die Conscious Collection bei H&M geht oder um das Recycling von Produkten - kritisch hinterfragen; sie sollten sich auch fragen: Ist es hier das Kerngeschäft, was Conscious und bewusst produziert worden ist? Oder handelt es sich möglicherweise nur um eine einzelne Linie, die nur einen marginalen Anteil des großen Umsatzes eines Textilproduzenten ausmacht?"
30.000 Liter Wasser für eine einzige Jeans
Kathrin Krause weiß zwar: Moderiesen wie H&M sowie C&A zählen weltweit mittlerweile zu den größten Abnehmern von Bio-Baumwolle. Doch auch diese Anbauform kommt nicht ohne Wasser aus. Bis zu 30.000 Liter sind nach Angaben von Experten nötig, um eine einzige Jeans zu produzieren. Nun soll recycelte Baumwolle helfen, Ressourcenprobleme zu lösen, mit denen sich vor allem die Protagonisten der Fastfashion wie H&M oder Zara alsbald konfrontiert sehen könnten - auch aufgrund häufiger Kollektionswechsel in sehr kurzen Zeitintervallen.
Zunehmend finden nun auch Materialien Eingang in die Textilien, die mit einem Kleidungsstück zunächst einmal nicht viel gemein haben: Strumpfhosen aus Fischernetzen etwa. Oder Sporthemden aus recyceltem Plastikmüll und Lederimitat aus Resten, die bei der Ernte von Ananas anfallen:
"Aus meiner Sicht sind die Versuche mehr so ein Tropfen auf den heißen Stein."
Brigitte Zietlow vom Umweltbundesamt in Dessau ist Maschinenbauingenieurin für Ledertechnik. Sie sieht den Ansatz, zum Beispiel Kunstleder aus Reststoffen der Ananasernte zu gewinnen, eher skeptisch:
"Man müsste ja unendliche Felder von Ananaspflanzen haben, um das in irgendeiner Weise zu substituieren. Und teilweise hört sich das besser an als das tatsächlich ist. Lederimitate - häufig beruht das dann auch auf einem Polyurethan, also auf einer Chemiefaser, die dann nur mit irgendwelchen Naturstoffen ein bisschen aufgewertet wurde - ist dann auch eher eine Art Greenwashing dahinter."
"Man müsste ja unendliche Felder von Ananaspflanzen haben, um das in irgendeiner Weise zu substituieren. Und teilweise hört sich das besser an als das tatsächlich ist. Lederimitate - häufig beruht das dann auch auf einem Polyurethan, also auf einer Chemiefaser, die dann nur mit irgendwelchen Naturstoffen ein bisschen aufgewertet wurde - ist dann auch eher eine Art Greenwashing dahinter."
Vorwurf des Greenwashings
Greenwashing - ein Begriff, der sich am besten mit Grünfärberei übersetzen ließe. Der Vorwurf zielt auf Unternehmen, die sich in der Öffentlichkeit in besonderem Maße ökologisch und umweltfreundlich darstellen, obwohl ihr Kerngeschäft diesem Anspruch nicht gerecht wird.
Diese Methode - ein Instrument der Öffentlichkeitsarbeit - kommt in unterschiedlichen Facetten daher, urteilt Kathrin Krause vom Bundesverband der Verbraucherzentralen:
"Das verbreitete Phänomen ist Greenwashing als Ablenkungsmanöver vom Kerngeschäft. Also zu beobachten ist, dass Branchen, die in schon umweltschädigenden Bereichen tätig sind - wie zum Beispiel die Öl- oder Petroleumindustrie oder auch die Automobilwirtschaft oder auch Energiehersteller -, die ja per se erst einmal konträr zu umweltfreundlichem Verhalten agieren, dass die Perfektionisten darin sind, sich umweltfreundlich und mit einem grünen Anstrich in der Öffentlichkeit zu präsentieren."
Dreist sei es auch, mit Selbstverständlichkeiten zu werben. So priesen Hersteller und Handelsketten lange Zeit Kühlgeräte, Matratzen und Haarsprays als FCKW-frei an - obwohl diese Ozonkiller seit den 1990er-Jahren ohnehin verboten sind. Und dass gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden, sei nun mal selbstverständlich und kein Anlass, ein besonderes Umweltbewusstsein herauszustellen.
Eine Sonderform des Greenwashing ist das sogenannte Socialwashing. Hier versuchen Unternehmen ihr Image aufzupolieren, indem sie eine gesellschaftliche Verantwortung vorgeben, die das eigentliche Kerngeschäft nicht leistet. Kathrin Krause beobachtet dies vor allem in der Lebensmittelbranche:
"Zur gesellschaftlichen Verantwortung kann man sagen, dass Süßwarenhersteller, die ziemlich zuckerhaltige Produkte haben, dann recht aktiv im Bereich Bewegung und Sport von Kindern sind. Und da würden wir sagen: Die sinnvollste Maßnahme, sich gesellschaftlich zu engagieren wäre, einfach den Zucker in den Produkten zu reduzieren, anstatt den Eindruck zu erwecken, dass das vollwertige Sportmahlzeiten sind."
Ein weiteres Phänomen: Kaufanreize nach dem 1+1-Prinzip: Kaufe eine Kiste Bier und die Brauerei sorgt dafür, dass eine kleine Fläche Regenwald in den Tropen angepflanzt wird. Das Gewissen der Kunden werde beruhigt, ohne dass der Anbieter den Kern des Problems mit einer Lösungsstrategie verstehe.
Wachsender Berg an Altkleidern
Und Lösungen sollte nach Ansicht von Kai Nebel vom Lehr- und Forschungszentrum für interaktive Materialien der Hochschule Reutlingen auch die Textilindustrie suchen: Denn vor allem das dominierende Fastfashion-Segment in der Textilbranche lasse den stetig wachsenden Berg an Altkleidern zunehmend zum Problem werden:
"Jährlich fallen in Deutschland allein ungefähr 1,3 Millionen Tonnen an Altkleidern an. Würde man die alle auf eine Wäscheleine hängen, würde die dreimal um den gesamten Erdball reichen. Wir haben ja unseren Bekleidungskonsum in den letzten Jahren verdoppelt und somit fallen natürlich auch immer mehr Altkleider an."
Deutschlands Altkleidertonnen quellen förmlich über. Und der Inhalt landet vor allem in Europas größtem Sortier- und Recyclingwerk in Wolfen in Sachsen-Anhalt. Oder auch in Ahrensburg bei Hamburg. Dort hat der europäische Branchenführer, das Textilverwertungsunternehmen SOEX, seinen Firmensitz.
Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Gurgen Markosyan steht in einer rund 6.000 Quadratmeter großen Werkhalle am Sortiertisch, ein Kleiderstapel zu seiner Linken. Er greift sich ein violettes T-Shirt, zieht es in die Breite und schaut es genau an:
Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Gurgen Markosyan steht in einer rund 6.000 Quadratmeter großen Werkhalle am Sortiertisch, ein Kleiderstapel zu seiner Linken. Er greift sich ein violettes T-Shirt, zieht es in die Breite und schaut es genau an:
"Spaghettiträger-T-Shirt in gutem Zustand, aber die sind momentan nicht so in, weil das ist kurz und Spaghettiträger, besonders in unseren Märkten - das wäre Qualität 1."
Guter Zustand ist nicht alles. Die Kleidung muss auch in den Zielländern gefragt sein. Gut erhaltene Blusen und T-Shirts sind immer willkommen - und gewiss auch eine beigefarbene Herrenhose:
"Das wäre Qualität 9, Herrensommerhose - T-Shirt, sehr gefragt, hier ist ein bisschen ausgeleiert, S´Oliver, das ist auch Qualität 1. Damen-T-Shirt, XL, aber Gebrauchsspuren, Fussel, das ist zweite Wahl."
Axel Buchholz, Geschäftsführer vom Branchenriesen SOEX, beobachtet das flinke Sortieren seines Mitarbeiters mit Wohlwollen. Er lässt keinen Zweifel zu: Die meisten Stücke finden auch neue Besitzer:
"Die besten Qualitäten gehen nach Osteuropa. Und die schlechteren Qualitäten, die Sie jetzt hier als zwei und drei tituliert bekommen haben, die gehen weit überwiegend, also zu über 90 Prozent, nach Afrika."
Rund 60 Prozent der deutschlandweit gesammelten Altkleider finden neue Abnehmer, betont Axel Buchholz. Weitere zehn Prozent seien nicht mehr zu gebrauchen und werden verbrannt. Und der Rest - rund 30 Prozent - komme ins Recycling.
Immenser Aufwand beim Recycling
Textilrecycling: Die Erwartung wäre jetzt, dass aus den Fasern gesammelter Altkleider neue Hosen und Hemden produziert werden. Doch das ist bestenfalls Zukunftsmusik, bedauert Brigitte Zietlow vom Umweltbundesamt. Bislang entstehen daraus deutlich geringwertigere Produkte - zum Beispiel Vliesrollen fürs Malerhandwerk:
"Ein weiterer Teil geht in Putzlappen. Auch da ist natürlich der Bedarf endlich. Und ein Teil wird zu Reißfasern verarbeitet, das geht dann häufig in Vliesstoffe für die Autoindustrie, für textile Dämmmaterialien und so weiter. Also, es ist eher ein Downcycling als die hochwertige Wiederverwendung der Textilfasern."
Kai Nebel von der Hochschule Reutlingen kritisiert ebenfalls dieses Downcycling, räumt aber ein, dass die Textilbranche durchaus sinnvolle Ansätze bei der Wiederverwendung von Fasern verfolgt - wenn auch nicht im Bereich der Bekleidung:
"Technologisch ist so gut wie alles möglich. In der Theorie kann ich sehr viel recyceln. Aber der Aufwand ist halt immens. Sinnvoll kann ein Recycling dann sein, wenn entsprechende Kreislauf- oder Sortierlogistik vorhanden ist. Man sieht das zum Beispiel bei Teppichen: Da wird zumindest in Deutschland schon ein relativ großer Teil recycelt, um die Polyamidfasern wiederzugewinnen.
Kunstfasern sind in der Regel leichter zu recyceln. Vor allem, wenn sie in Reinform vorliegen. Doch Kleidung besteht meist aus Mischgewebe. Und beim Recycling von Kleidungsstücken aus reiner Baumwolle werden die Fasern brachial zerrissen. Sie sind danach deutlich kürzer und daher immer qualitativ schlechter als neue Baumwollfasern. Somit lässt sich recycelte Baumwolle allenfalls in gewissen Anteilen frischen Fasern beimengen. Nicht viel besser ist das bei Kleidung aus Polyester, einer in der Textilbranche weit verbreiteten Kunstfaser:
"Polyester ist natürlich chemisch gesehen, gut zu recyceln. Aber wir haben es ja nicht mit reinem Polyester zu tun, sondern mit Farben, Ausrüstungen und sonstige Zutaten. Man braucht schon einen enormen Aufwand, um das Polyester wieder für Textilfasern zu nutzen. Und die Polyesterprodukte, die wir teilweise als Recyclingfasern wiederfinden, die stammen meist nicht aus Textilien, sondern aus Plastikflaschen, weil das natürlich sehr viel einfacher ist und weil da einfach schon Logistiksysteme existieren."
Kleidung von geringerer Qualität
Aus transparenten Plastikflaschen werden also türkisfarbene Sommerkleider für eine Nachhaltigkeitskollektion in der Textilbranche. In der weitläufigen Werkhalle des Recyclingriesen SOEX in Ahrensburg sortiert Gurgen Markosyan akribisch die Altkleider:
"Pullover. Goldfarbe, ja. Ich würde sagen: Das wäre Qualität 9 - Lady-T-Shirt, also erste Wahl! Das ist ein T-Shirt, altmodisch, Flecken, dritte Wahl. Blusen, gefragter Artikel, Qualität ist gut, das ist Creme."
Cremeware - das ist die Top-Qualität beim Sortieren. Früher hat Gurgen Markosyan davon noch sehr viel mehr aus den Altkleiderbergen herausziehen können. Doch inzwischen lasse die Qualität der Secondhand-Ware deutlich nach, beklagt SOEX-Geschäftsführer Axel Buchholz:
"Grundsätzlich ist es sicherlich in keinster Weise abzustreiten, dass sich in den letzten Jahren die Mengen an verkauften Textilien - und damit natürlich auch die Mengen an Textilien, die später zu entsorgen sind - dramatisch erhöht hat. Dieser Trend wird sich vermutlich fortsetzen, wenn man allen Experten glauben schenken darf. Und der zweite Trend ist, dass mit der Mehrmenge, mit dem immer schneller, in kürzeren Abständen Mode auf den Markt zu werfen, auch die Qualität der Waren dergestalt abnimmt, dass das, was wir in den Retourboxen haben, im Durchschnitt an Qualität, also an reiner Materialqualität, schlechter ist als vor fünf oder zehn Jahren."
Mehr Masse statt Klasse also. Auch der BVSE, der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung in Bonn, fand zuletzt deutliche Worte: Die Auswirkungen textiler Massenproduktion, der Hyperkonsum qualitativ minderwertiger Fastfashion-Mode und die anhaltende Wegwerfmentalität erschwerten zunehmend ein wirtschaftlich tragfähiges Altkleiderrecycling, heißt es in einer Presseerklärung.
Doch die Kunden beim Shopping umerziehen, das gehe nicht, meint Axel Buchholz. Und als Pragmatiker könne er mit Begriffen wie Downcycling oder Upcycling auch wenig anfangen. Für ihn sei wichtig, dass Stoffkreisläufe geschlossen werden. Und dass die unterschiedlichen Textilien zu Beginn des Recyclingprozesses gut zu erkennen und zu trennen seien. Zumindest hier bleibe noch einiges zu tun:
"Dazu brauchen wir eine prozesssichere Materialerkennung, um eben vor dem Recyclingprozess auswählen zu können, in welche Prozessketten oder in welche Produkte das entsprechend recycelt werden kann. Daran wird gearbeitet, es gibt verschiedene Ansätze dazu. Ich denke aber, das wird sicherlich noch zwei, drei Jahre dauern, bis hier wirklich industriell im Großserieneinsatz funktionsfähige und auch wirtschaftlich akzeptable Lösungen da sind."
Zudem solle noch weitaus mehr von der kurzfaserigen Recycling-Baumwolle den Neu-Textilien beigemengt werden können. Dies sei ein wichtiger Forschungsansatz, betont auch Hendrik Heuermann, der Nachhaltigkeitsmanager von H&M. An diesen Arbeiten beteilige sich der Branchenriese intensiv.
Kritiker sehen dieses Engagement jedoch als Alibi, als Greenwashing, das nicht viel bewirke, solange die Branche weltweit die Märkte mit mehr als hundert Milliarden Kleidungsstücken jährlich überflute:
"Es ist kein Geheimnis, dass generell auf der Welt zu viel Textilien sind. Dem entzieht sich H&M auch überhaupt nicht als Verantwortung. Wir sind in dem Fall Teil der Lösung und Teil des Problems zugleich. Ich lasse Kritik gelten, wir hätten es auch gern schneller, wir hätten auch gerne die Lösung morgen. Ich lasse die Kritik aber nicht gelten bei der Frage: Meinen die das ernst? Wir investieren Jahr für Jahr Millionenbeträge in diese Forschung. Dass es nicht schnell genug geht einigen Leuten - verstehe ich sehr gut. Dass es nicht ernstgemeint ist, da will ich massiv dagegen halten."
Vorwurf: Konsum wird weiter befeuert
Doch die Frage ist, ob der Fastfashion-Riese dabei an den richtigen Stellschrauben dreht. Weniger Chemie in der Produktion, mehr Bio beim Anbau, recycelte Baumwolle unter die Neufasern gemischt - alles schön und gut, meint Kathrin Krause vom Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin. Doch letztlich verpuffe das alles, solange der Konsum weiter befeuert werde. Das propagierte Textilrecycling sei da nur ein Ablenkungsmanöver - und somit Greenwashing:
"Ich weiß, dass H&M das Modell des Textilrecyclings anbietet. Die Modemarke Adler bietet es an, C&A und diverse andere auch. Ich finde dieses Modell ziemlich perfide, dass Verbraucher aufgefordert werden, ihre alten Textilien im Einzelhandel abzugeben, um im Gegenzug ein Kaufgutschein zu bekommen. Weil solch ein Kaufgutschein natürlich den Neukauf weiterer Textilien wieder anreizt. Und damit das System einfach weiter funktioniert."
Da der Begriff Nachhaltigkeit rechtlich nicht geschützt sei, könne ohnehin jedes Unternehmen nach eigenem Gusto sich mit solchen Attributen schmücken, kritisiert Kathrin Krause. Folglich fordert sie eine aussagekräftige Kennzeichnung auf Grundlage klar definierter Kriterien, die dann auch akribisch zu überprüfen wären - eine Blaupause dafür gäbe es längst:
"Bei Bio-Lebensmitteln hat man ein eigenes Segment und einen eigenen Markt geschaffen. Ja, das hat man, weil es eine Europäische Ökoverordnung gibt, wo rechtlich für jegliche Lebensmittelprodukte definiert ist, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit diese Produkte auch als biologisch erzeugt oder ökologisch produziert gekennzeichnet werden dürfen. Diese Begriffe sind rechtlich geschützt. Im Textilbereich sind wir allerdings davon weit entfernt."
An Stelle einer Empfehlung zum Kleidungskauf möchte Kathrin Krause lieber die legendäre britische Modeschöpferin Vivienne Westwood zitieren: "Qualität statt Quantität: Kaufe weniger, wähle dafür gut aus und trage es dann auch möglichst lange." Dann, so wäre anzufügen, müssen auch die Altkleiderberge nicht mehr ins Unermessliche wachsen.