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Textilproduktion
Made in Ethiopia

Wer bei großen Modeketten kauft, liest immer öfter "Made in Ethiopia" auf dem Etikett. Asiatische Textilfirmen verlagern ihre Produktion dorthin, weil die Löhne niedriger sind. Während die Arbeiterinnen klagen, hofft die äthiopische Regierung auf eine große Zukunft für die Branche im Land.

Von Benjamin Breitegger |
    Drei Frauen von oben fotografiert sitzen hintereinander an Nähmaschinen.
    Frauen in Äthiopien nähen für eine südkoreanische Textilfirma Sportjacken und Outdoor-Hosen für den europäischen und amerikanischen Markt. (Deutschlandradio / Benjamin Breitegger)
    Dicht an dicht sitzen die Frauen an ihren Nähmaschinen in einer Fabrikhalle nahe der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Eine südkoreanische Textilfirma lässt hier Kleidung produzieren, Sportjacken und Outdoor-Hosen für den europäischen und amerikanischen Markt. Die Textilfirma kam vor vier Jahren nach Äthiopien, als Bole-Lemi, der erste Industriepark des Landes, eröffnet wurde. Heute arbeiten hier in 20 Fabrikgebäuden rund 14.000 Arbeiter, die meisten von ihnen Frauen. Neben Textilien stellen sie Lederprodukte her.
    Bole-Lemi ist einer von vier Industrieparks in Äthiopien; weitere acht werden gerade gebaut. Südkoreanische und indische Firmen haben sich angesiedelt, türkische und chinesische. Es zieht sie von Asien nach Ostafrika. Die meisten Frauen arbeiten zum ersten Mal in einer Textilfabrik. Für die 21-jährige Hirbaschi Tesfai ist es der erste bezahlte Job, erzählt sie.
    "Ich war zwölf Jahre in der Schule und bin danach nach Addis Abeba gekommen, weil man mir sagte, dass es hier Arbeit gebe. Die Fabrik eröffnete 2014 und 2015 habe ich über den Nachbarn meines Onkels den Job bekommen. Seit September arbeite ich also mehr als drei Jahre hier."
    Noch keine Konkurrenz zu Asien
    Hirbaschi Tesfai verdient als Aufseherin 1300 äthiopische Birr im Monat, umgerechnet 40 Euro. Dafür arbeitet sie acht Stunden am Tag, sechs Tage die Woche. Wenn sie zwei Überstunden leistet, werden die mit 50 Cent abgegolten, sagt sie. Die geringen Lohnkosten sowie Steuerbefreiungen ziehen asiatische Firmen nach Äthiopien. Der lokale Manager der Textilfirma Shints, die neben Äthiopien in Vietnam produzieren lässt, ist trotzdem nicht zufrieden. Kyong Ku Han kritisiert, dass die äthiopischen Arbeiterinnen viel langsamer seien als die vietnamesischen.
    "Ein Kleidungsstück herzustellen, kostet uns hier mehr als in Ostasien. Noch können wir also nicht konkurrieren, aber wir investieren in die Zukunft – wenn wir die Arbeitseinstellung der äthiopischen Arbeiterinnen geändert haben und sie sich an unsere Arbeitsbedingungen gewöhnt haben."
    Für 30 bis 40 Euro im Monat lässt es sich allerdings auch in Äthiopien schwer leben. Die Arbeiterinnen mehrerer Fabriken streikten deshalb im Mai für fünf Tage. Sie forderten höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, berichtete die äthiopische Zeitung Addis Fortune. Laut Hirbaschi Tesfai hat sich das Gehalt seit dem Streik nicht geändert.
    Auch in Äthiopien sind die Arbeiterinnen oft unterbezahlt
    Die neuen Jobs seien zwar wichtig, aber die Löhne generell viel zu niedrig, sagt auch Alemayehu Geda, Professor für Volkswirtschaft an der Addis Abeba Universität. Er hat Textilfabriken und Arbeiterinnen besucht, um eine Studie für die Internationale Arbeitsorganisation ILO durchzuführen.
    "Die Lebensbedingungen der Arbeiterinnen in chinesischen, türkischen und indischen Firmen sind unerträglich. Die Arbeiterinnen überleben kaum mit dem Geld, das ihnen gezahlt wird. Sie können auch nicht so produktiv sein, wie von ihnen verlangt wird, wegen ihrer Armut. Die internationale Armutsgrenze liegt bei einem Dollar und 25 Cent am Tag - die Arbeiterinnen verdienen manchmal weniger."
    Für die äthiopischen Angestellten bieten die Fabriken oft die erste Möglichkeit, Geld zu verdienen – manche sind daher zufrieden, andere gehen wegen des niedrigen Gehalts auch wieder. Ausländische Firmen argumentieren, dass sie neben der geringen Produktivität zudem mit hohen Logistikkosten, langen Lieferzeiten und Stromausfällen zu kämpfen haben.
    Regierung hofft auf Industrialisierung des Landes
    Die äthiopische Regierung unter dem neuen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed verbindet mit den entstehenden Firmenparks eine große Hoffnung: die Industrialisierung des Landes. Denn Äthiopien ist nach wie vor von der Agrarwirtschaft geprägt, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Alemayehu Geda – und dämpft die Erwartungen.
    "Aktuell ist der Fertigungssektor noch sehr klein, er macht fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Es wird für den Export gefertigt, aber die Zahlen sind nicht so hoch wie erhofft. Der ganze Industriesektor macht nur dreizehn Prozent des BIP aus. Noch nicht sehr viel. Aber die Chance ist da in Äthiopien."
    Die Regierung will hunderttausende Jobs schaffen. Äthiopiens Exporte sollen bis 2025 rasant wachsen, so die Vision - und Äthiopien in Zukunft keine Agrarwirtschaft mehr sein. Kritische Stimmen wie Alemayehu geben zu bedenken: Wer sagt, dass die Firmen nach ein paar Jahren nicht wieder abziehen und ihre Produktion weiter verlagern?