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Thailand
Die Demokratie verteidigen lernen

Die Unterstützer der Regierung in Thailand organisieren sich in kleinen Gruppen, um den Protesten der Opposition schneller entgegentreten zu können. Wie lange Regierungschefin Yingluck Shinawatra aber noch im Amt bleibt, das entscheidet vielleicht bald das Verfassungsgericht.

Von Udo Schmidt |
    Sogenannte Rothemden demonstrieren im Februar 2011 vor dem Verfassungsgericht in Bangkok.
    Die Rothemden stehen hinter der gegenwärtigen Regierung in Thailand. (picture alliance / dpa / Narong Sangnak)
    Samstagmorgen, 8 Uhr, die Sonne steht niedrig - eine gute Zeit, um noch im Schatten eines großen Gebäudes exerzieren zu können. Einhundert sogenannte Rothemden, Anhänger der Regierung von Noch-Premierministerin Yingluck Shinawatra haben sich als Freiwillige für die Democracy Protection Volunteer Group gemeldet, sie wollen ihre Regierung, die seit Monaten massiv unter Druck steht, gegen die Demonstranten auf der Straße und gegen juristische Finten der Gerichte verteidigen.
    Anon Buranrom arbeitet in einer Schuhfabrik und ist stolz, dabei zu sein: "Wir sind einfach stärker und schneller als normale Demonstranten mit unserem Netzwerk, wir wollen die Demokratie verteidigen, die gewählte Premierministerin, und den König an der Spitze unsere Landes. Wir üben Selbstverteidigungs-Techniken, nicht weil wir Gewalt anwenden, sondern weil wir andere schützen wollen."
    Die Frauen und Männer, Fabrikarbeiter und Straßenhändlerinnen aus dem Samrong Distrikt am Rande Bangkoks, tragen halbe Uniform, oben schwarzes Hemd und weißes Halstuch - ein wenig wie die nicht mehr ganz so Jungen Pioniere - unten Camouflage-Hosen, Leggins, Jeans, was gerade im Schrank war.
    Martialischen Befehlen folgt ein kräftiger Kampfschrei - obwohl Kämpfen nicht das ist, was in der Hauptsache trainiert werden soll, sagt Suphorn Uttawong, der die Freiwilligen-Gruppe leitet und früher einmal für Thaksin, den Bruder der jetzigen Premierministerin Yingluck Shinawatra im Parlament Thailands saß. Jenen Thaksin, dem die Opposition vorwirft, noch immer aus dem Exil die Strippen der Regierungspolitik zu ziehen.
    "Eigentlich sind wir eher freiwillige Lehrer, die die Menschen vor allem auf dem Land über ihre Rechte aufklären. Rechte, die sie nie hatten, bevor Thaksin und jetzt Yingluck Shinawatra gewählt wurden. Aber in Konfliktsituationen wie dieser müssen wir natürlich alle unterstützen, die hinter der Regierung stehen. Unsere Aufgabe ist es, Druck auf die Gerichte beispielsweise auszuüben, wenn diese Verfahren gegen Yingluck eröffnen. Und Druck auch auf die Demonstranten auf der Straße."
    Den alten städtischen Eliten entgegentreten
    Zehntausende Regierungsgegner blockierten Anfang des Jahres wochenlang Teile der Innenstadt Bangkoks, Wahlen Anfang Februar ließen sich kaum durchführen, Demonstranten belagerten die Wahllokale, das Verfassungsgericht annullierte diese Wahl inzwischen. Premierministerin Yingluck droht die Amtsenthebung, ihr wird Korruption vorgeworfen. Auch wenn die Vorwürfe berechtigt sein mögen, die Verfahren gegen die Regierung sind eindeutig politisch motiviert. Hinter den Gerichten steht Bangkoks Elite, die zurück an die Fleischtöpfe will. Die Freiwilligen in Samrong wollen genau das verhindern. Petch Choomhomjit gestaltet die Gärten derer, die ihr auf der Straße wahrscheinlich gegenüberstehen, den Anhängern der Opposition:
    "Wir wollen die Demokratie verteidigen gegen die, die uns so lange unterdrückt haben. Wenn es einen Putsch gibt beispielsweise, dann gehen wir auf die Straße und zeigen unsere Stärke. Dann müssen sie Waffen gegen uns einsetzen, um uns loszuwerden. Und wir wissen uns zu verteidigen."
    Also exerzieren sie, auch wenn das in den Straßen Bangkoks wohl kaum jemanden beeindrucken dürfte, lernen, Situationen, die gefährlich werden könnten, zu beobachten und einzuschätzen - und lernen, sich zu verteidigen. Ohne Waffen, betont Petch Choomhomjit:
    "Beim letzten großen Training haben wir vor allem politische Theorie gelernt und ein bisschen Selbstverteidigung geübt, jetzt sollen kleinere Gruppen in ihren Stadtviertel weitermachen, auch Selbstverteidigung üben, aber mit bloßen Händen."
    Eine liebenswerte kleine zusammengewürfelte Armee ist das, mit der wohl niemand einen Krieg gewinnen kann. Aber darum geht es auch nicht, das erklären alle. Es geht darum, die Demokratie zu verteidigen, und das heißt, für die Menschen am Rande Bangkoks wie für die Bauern im Norden Thailands, das Stück politische Teilhabe, dass ihnen die jetzige Regierung verschafft hat, zu erhalten, möglichst auszubauen, und nicht wieder die alten städtischen Eliten, die Macht des Geldes, ans Ruder zu lassen. Anon Buranrom: "Was auch immer die Oppositionsbewegung macht, sie wird dafür nicht belangt. Sie haben den Amtssitz der Regierung belagert im Dezember letzten Jahres, 2008 sogar den Flughafen blockiert, und nie sind sie dafür bestraft worden. In Thailand herrscht eine große Ungerechtigkeit innerhalb der Gesellschaft. Wir halten dagegen und durch unser Netzwerk können wir Informationen viel schneller verbreiten."
    Kommende Woche will das Verfassungsgericht entscheiden, ob es ein Verfahren gegen Yingluck Shinawatra eröffnet, wegen der Entlassung des Chefs des Nationalen Sicherheitsrates. Dann müsste die Premierministerin sofort die Amtsgeschäfte ruhen lassen. Und dann wollen die Mitglieder der Freiwilligen-Armee ausrücken.