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Thailand
Sklavenarbeit auf Fischerbooten

Ohne Vertrag und keinerlei Rechte - so arbeiten mitunter thailändische Seeleute auf Fischtrawlern. An Bord sind sie den Launen des Kapitäns ausgeliefert und bekommen am Ende kaum Lohn. Von dieser modernen Sklaverei profitieren auch europäische Verbraucher: guter Fisch zu günstigen Preisen.

Von Udo Schmidt |
    Labae ist 48, seit vielen Jahren arbeitet er auf Fischerbooten. Er stammt aus dem armen Norden Thailands, er braucht Geld, das er zuhause nicht verdienen kann. Die letzten Jahre aber waren für Labae das Schlimmste, das er bisher erlebt hat. Er arbeitete auf einem indonesischen Boot, das für eine Thai-Firma auf Fang war.
    "Das ist Arbeit, die eigentlich keiner machen will. Wir hatten immer nur vier Stunden zum Schlafen, weil ständig die großen Netze geleert werden mussten. Wenn das Boot an die Küste kam, dann wollten alle weg. Ich nicht, ich wollte nur etwas Vorschuss für Geschenke, den hat mir der Kapitän verweigert. Da habe ich mir Fisch genommen. Das kam aber raus und ich wurde auf dem Schiff festgehalten."
    In Indonesien sind viele thailändische Fischkutter unterwegs, unter mit Schmiergeldern erkaufter indonesischer Flagge, das hat der Vorsitzende der Songkhla Fisheries Association der Nachrichtenagentur AP bestätigt. Auf diesen Booten wird in 20-Stunden-Schichten gearbeitet, kaum geschlafen und eine Schüssel Reis pro Tag gegessen. Manche Männer kommen monatelang nicht an Land.
    Labae war Steuermann auf seinem Boot und damit in einer privilegierten Position. Anderen erging es deutlich schlechter. Gok ist 42 und hat Jahre hinter sich, in denen er wie ein Sklave auf einem Fischerboot festgehalten wurde:
    "Am Anfang war ich zuständig dafür, den Fisch aus den Netzen zu nehmen. Ich bin ständig geschlagen worden. Man hat mich laufend beleidigt, meine Eltern beschimpft, ich habe das vier Jahre durchgehalten, dann wollten sie das ich noch länger bleibe und sie haben mich blutig geschlagen. Da bin ich dann im nächsten Hafen weggelaufen."
    Kaum Rechte und Lohn
    Den Männern werden am Ende eines langen Törns nur wenige hundert Dollar ausgezahlt, wenn überhaupt, sie besitzen keine Verträge, somit keinerlei Rechte, an Bord sind sie vollständig den Launen des Kapitäns ausgeliefert, nicht selten geht einer über die Reling. Das sei eine ganz eigene Welt, sagt Gok:
    "Auf dem Boot ist es wie in einem kleinen Land und der Kapitän ist der König. Er belohnt Loyalität mit besserer Behandlung und bestraft jeden Widerspruch."
    Bezahlt wird am Ende kaum etwas, manchmal gar nichts, auf jeden Fall aber zu wenig, 2,5 Millionen indonesische Rupien, etwa 170 Euro bekam Gok nach einem Törn von knapp drei Monaten.
    "Wir wollen jetzt versuchen, die Menschen, unsere Fischer zu schützen, unsere Freunde, die noch auf Booten sind. Es muss eine vernünftige Bezahlung geben, wir müssen mehr als eine Stunde am Stück schlafen können. Als ich vor einigen Wochen vom Boot herunterkam, habe ich gerade noch vierzig Kilo gewogen."
    Tausende, vielleicht Zehntausende illegale Seeleute sind draußen auf See, schätzen Experten. Sie werden häufig mit falschen Versprechungen an Bord gelockt, sagt Phil Robertson von Human Rights Watch. Er spricht von Zwangsarbeit an Bord:
    "Es gibt eingespielte Mechanismen, mit Agenten, die Menschen von Kambodscha und Myanmar anlocken und dann auf Boote zwingen, gegen deren Willen."
    Ein Problem: die Überfischung der Meere vor allem rund um Thailand. Der Fang in Thailand geht dramatisch zurück, nach aktuellen Zahlen in den vergangenen 50 Jahren um mehr als 80 Prozent. Die Meere sind überfischt, der ökonomische Druck wächst, kaum jemand will freiwillig die extrem harte Arbeit auf Fischerbooten verrichten - das ist der Nährboden für die aktuelle Form der Sklaverei, wie sie in Südostasien Alltag ist. Phil Robertson:
    "Thailand ist selber schuld, sie nehmen seit Langem alles, was man aus dem Meer holen kann, und zu diesem Verständnis gehört auch, Menschen zur Arbeit zu zwingen - ohne dass jemand Verantwortung übernimmt."
    Grundsätzlich aber, meint Sompong Srakaew vom Seafarers Action Center, gebe es die Zwangsarbeit an Bord, diese moderne Form der Sklaverei seit Langem, seit Jahrzehnten, erst seit wenigen Jahren, seit es ein Gesetz gegen Menschenhandel gebe, werde überhaupt darauf geachtet:
    "Moderne Sklaverei, das ist ein neuer Begriff, aber es geschieht seit Langem. Jetzt gibt es mehr Untersuchungen, aber in der Landwirtschaft, in der Fischindustrie gibt es keine Arbeitssicherheit, keine Rechte, keine Papiere, keine menschliche Behandlung."
    EU zeigt Thailand die sogenannte Gelbe Karte
    Die Europäische Union hat der thailändischen Regierung - in Thailand landet auch der Fisch von den indonesischen Kuttern - die sogenannte Gelbe Karte gezeigt, wegen der illegalen Fischerei, der Überfischung der Gewässer. Thailands Regierung gelobt Besserung innerhalb von sechs Monaten, man will alle Boote registrieren lassen und überwachen. Sompong Skrakaew hält die Gelbe Karte für hilfreich, bleibt aber skeptisch:
    "Die Gelbe Karte macht natürlich Druck, aber ob die Registrierung funktioniert, ist fraglich. Viele Boote bewegen sich weit außerhalb der Hoheitsgewässer, wie sollen die erfasst werden? Und wie sollen die Schiffe kontrolliert werden, auch auf einem registrierten Schiff können brutale Arbeitsbedingungen herrschen."
    Ein großer Teil des Fischs, vor allem der Meeresfrüchte, die möglicherweise von modernen Sklaven auf illegal fischenden Booten aus dem Meer geholt werden, landet in den Kühltruhen europäischer Supermärkte. Guter Fisch zu niedrigen Preisen. Europäische Verbraucher profitieren also - unwissend meist - von illegaler Fischerei und damit auch von den brutalen Arbeitsbedingungen in Südostasien. Das meint auch Gok, der Fischer:
    "Wer Fisch und Meeresfrüchte aus Thailand isst, muss wissen, dass viele meiner Freunde an Bord gestorben sind. Die Käufer essen guten, günstigen Fisch, aber gleichzeitig auch menschliches Fleisch."