Vor internationalen Journalisten demonstriert ein Regierungsvertreter die Stabilität der Wahlurnen und wirft die Plastikbox mit Schwung auf den Boden – sie hält. Womöglich als Metapher gemeint für die Stabilität des demokratischen Prozesses. Ein zweites Mal fliegt die Wahlurne jetzt zu Boden – und geht zu Bruch.
Viel zu lachen gab es ansonsten nicht im Umfeld der Abstimmung über eine neue thailändische Verfassung. Demonstranten wurden inhaftiert – ein neues Gesetz verbietet Versammlungen von mehr als fünf Menschen. Allenfalls unfreiwillige Komik bot die Militärregierung in Bangkok – etwa in einem Werbevideo, das Oppositionelle spöttisch Junta-TV nennen: Ein Major interviewt den Leiter der Wahlkommission, einen Oberst - beide natürlich ohne Uniform, die Regierung zeigt sich zivil. "Thailand" – heißt es da –"ist auf dem Weg zu einer funktionierenden Demokratie. Und diese Verfassung ist ein wichtiger Schritt dorthin."
Vordergründing geht es um effektivere Bekämpfung der allgegenwärtigen Korruption – tatsächlich will das Militär seine Macht weiter ausbauen.
Was er tun wolle, wenn das thailändische Volk den Verfassungsentwurf ablehne, war Junta-Chef Prayut Chan- Ocha gefragt worden. Seine Antwort: "Dann schreibe ich einen neuen."
Eine reine Alibiveranstaltung?
Insofern sei das Ergebnis der Abstimmung völlig egal, sagt Human Rights Watch-Aktivist Sunai Phasuk – wie Wahlen in der ehemaligen DDR. Ein Feigenblatt für die internationale Gemeinschaft, ein reine Alibiveranstaltung:
"Diese Junta will an der Macht bleiben. Sie haben eine langfristige Vision, und alle Versprechen von Demokratie und Veränderungen sind mit so vielen 'wenn' und 'aber' verbunden, dass sie wahrscheinlich in zwanzig Jahren noch an der Macht sind, wenn sie nicht gewaltsam gestürzt werden. Dieses ganze Referendum ist eine alberne Lügen- und Alibiveranstaltung. Und natürlich wird der nächste Premierminister ein General sein."
Mit diesem eigens komponierten Lied warb die Militärregierung von General Prayut Chan-Ocha um Vertrauen. Soldaten marschieren zur Musik und werden vom Volk bejubelt – wir bringen euch sicher durch diesen Konflikt, heißt es im Text – wir bringen die Liebe zurück. Gebt uns nur ein kleines bisschen Zeit.
Über zwei Jahre ist es nun her, dass die Armee das Kriegsrecht ausrief. Eine Phase des politischen Chaos war vorrausgegangen. Die demokratisch gewählte Premierministerin Yingluk Schinawatra wurde unter dem Vorwand des Verfassungsbruchs vom Obersten Gericht abgesetzt.
Im ganzen Land gab es Massendemonstrationen von Anhängern der Premierministerin – den Rothemden – und Regierungsgegnern, den Gelbhemden. Die Angst war groß vor neuen Gewaltausbrüchen mit Toten und Verletzten wie vor den Wahlen 2011.
Human Rights-Watch kritisiert brutale Militärregierung
General Prayut Chan-o-cha ergriff die Chance und die Macht – und versprach für Ordnung und Frieden zu sorgen. Und schnellstmöglich die Rückkehr zur Demokratie.
Doch stattdessen zog die Militärregierung die Daumenschrauben für das Volk immer fester an. Phil Roberston ist Direktor der Asien-Sektion von Human Rights-Watch mit Sitz in Bangkok – für ihn ist es die dritte Militärregierung in Thailand und die brutalste.
"Sie baut ständig ihre Macht aus und ist unglaublich intolerant gegenüber jedem Dissenz. Im Norden Thailands wurden Menschen wegen Aufwiegelung angeklagt, weil sie Facebook-Fotos mit einem roten Ball gepostet hatten – wegen der Rothemden, der Anhänger der alten Regierung. Das ist ein Maß an Absurdität und Lächerlichkeit und komplette Unterdrückung jeder freien Äußerung. Und das macht diese Regierung einzigartig in der jüngeren Geschichte."
Es gibt immer noch Widerstand, aber er wird zunehmend schwieriger, sagt Manisman Rhon von der Gruppe "New Democracy Movement":
"Ich war 13 Tage im Gefängnis. Es war sehr dreckig, und ich hatte keine Möglichkeit, einen Anwalt zu kontaktieren. Das Essen war widerlich. Ich kann nicht mal sagen, was es war, ob Fleisch oder Gemüse irgendeine ekelhafte Pampe. Aber das ist gar nichts. Andere haben ihr Leben verloren. Wir werden unseren Kampf für die Demokratie fortsetzen – und je mehr die Junta gegen uns vorgeht, desto deutlicher entlarvt sie sich. Natürlich ist das gefährlich – Verstöße gegen das Versammlungsverbot können inzwischen mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden."
In Bangkok tobt das Leben wie eh und je. Mopeds schlängeln sich zwischen den Autos in den kilometerlangen Staus hindurch; Menschengewimmel zwischen Garküchen und kleinen Läden. Frauen und Männer sitzen in den Cafés, lachen, genießen den Tag und das Leben wie eh und je – viele sehen nur, dass es friedlicher geworden ist im Lande:
"Für mich persönlich hat sich nichts geändert. Ich finde es gut, dass es jetzt friedlicher geworden ist in Thailand. Diese ganzen Kämpfe Rothemden Gelbhemden, sie erinnern sich, ständig gab es Proteste und Tote und Verletzte. Jetzt herrscht Frieden, das finde ich gut. Die wirtschaftliche Situation ist schlecht – aber dass war sie vorher auch schon."
Kritische Journalisten unter Druck
Keine schwerbewaffneten Soldaten auf den Straßen, keine Panzer – die grimmige Fratze des Militärs versteckt sich im Lande des Lächelns. Wenn Politik sie nicht interessiert, und es ihnen egal ist, dass diese Regierung illegitim ist – dann werden sie keine Probleme haben, sagt der Journalist Pravit Rojanaphruk.
"Sie werden nicht das Gefühl haben in ihrem Alltag, dass man ihnen die Freiheit genommen hat. Da herrscht ein Bild großer Normalität auf den Straßen. Aber gleichzeitig werden während wir hier sprechen Menschen verhaftet und ohne richterliche Anordnung ins Gefängnis gesteckt. Hunderten droht ein Militärstrafverfahren für die ein oder andere kritische Äußerung in der Öffentlichkeit."
Er selbst wurde wegen kritischer Berichte über die Militärregierung nach 23 Jahren als Chefreporter der Bangkok-Post entlassen, zweimal verhaftet, sein Reisepass eingezogen, sein Bankkonto eingefroren. Er trägt ein blütenweißes Hemd mit Krawatte, ein Mann der Haltung demonstriert, obwohl seine Existenz in die Brüche ging. Er schreibt jetzt für´s Internet und rechnet jeden Tag mit einer neuen Anklage.