Es sieht nicht gut aus für den Kranken. Mit unbewegter Miene blickt der Buddha vom Armaturenbrett des Ambulanzwagens in die endlosen Staus rund um das Vergnügungsviertel Sukhumvit. Ab und an schleppen sich die Busse, Taxen und Privatfahrzeuge in der gleißenden Sonne Bangkoks ein paar Zentimeter weiter nach vorn, um dann wieder reglos, Stoßstange an Stoßstange, auf die nächste Chance zu warten.
Wenn der Fahrer eine Schwangere im Fond seines Wagens hätte, könnte er eventuell auf polizeiliche Hilfe setzen. Weil Frauen in Bangkok immer wieder ihre Kinder im Stau zur Welt gebracht haben, hat die Verkehrspolizei einige ihrer Beamten zu Hebammen weiterbilden lassen.
Auf dem Land ist es noch schlimmer
Falls er einen Schwerverletzten bei sich hat, kommt wahrscheinlich jede Hilfe zu spät. Es sei denn, der Patient oder die Patientin kann es sich leisten, in einem der gut ausgerüsteten Krankenhäuser in der Nähe behandelt zu werden. Die Gesundheitsbeauftragte der Rockefeller Stiftung Bangkok, Natalie Paholyothin:
"Die Auswirkungen des Medizintourismus auf das thailändische Gesundheitssystem - das Thema ist gerade ein ziemlich heißes Eisen. Thailand ist immer noch ein armes Land. Und die Besucher aus dem Westen, die wegen gesundheitlicher Beschwerden hierher kommen, haben viel Geld. Sie logieren sich in luxuriösen Privatkliniken ein und nehmen gleich zwei Krankenschwestern für sich allein in Beschlag. Das sind qualifizierte Kräfte. Sie sind handverlesen und werden von den privaten Krankenhäusern abgeworben. Das ist ungerecht: Dadurch gerät das Gesundheitssystem aus den Fugen."
Neunzig Prozent der Krankenhäuser Bangkoks sind in privater Hand und nehmen Patienten nur gegen Bezahlung auf. Staatliche Rettungsdienste sind schlecht aufgestellt. Es ist in Bangkok so gut wie aussichtlos, im Notfall einen Krankenwagen zu bekommen, selbst in der Hauptstadt Bangkok. Oft sind sie nicht fahrtüchtig. Oder sie sind medizinisch nicht gut ausgerüstet und das geschulte Begleitpersonal fehlt.
Auf dem Land ist die Situation noch schlimmer, wo es kaum Ärzte, noch weniger Krankenhäuser und überhaupt keine Rettungswagen gibt. Da entscheide der eigene PKW oder das nötige Kleingeld für ein Taxi oft genug über Leben und Tod, betont die Sozialaktivistin Prateep Ungsongtham Hata.
Besonders die Armen leiden
Ung An Pienprasad Siri von der "Poh Teck Tung Foundation" in Bangkok kann das nur bestätigen. Das Telefon des Managers der buddhistischen Hilfsorganisation klingelt in einem fort. Jetzt stellt er es ab. Die medizinische Situation in den ländlichen Regionen Thailands sei verheerend, betont er nochmals. Und wie immer seien es vor allem arme Leute, die besonders unter alldem litten:
"Vor hundertsechzig Jahren haben buddhistische Chinesen hier damit begonnen, sich um Leichen zu kümmern, die sonst einfach verrottet wären und die kein angemessenes Begräbnis erhalten hätten. Das war der Grundstein für unsere Stiftung. Seitdem haben wir viele zusätzliche Aufgaben übernommen. Und immer hatten und haben wir dabei die Bedürftigen im Blick."
Die "Poh Teck Tung Foundation" ist Thailands älteste buddhistische Stiftung. Die Organisation verfügt über eigene Schulen, Waisenheime, Krankenhäuser und moderne Rettungswagen für Bangkok und Umgebung.
Tag und Nacht bergen Angestellte und Freiwillige Unfallopfer auf den Straßen, sie holen die Leichen von Menschen ab, die sich umgebracht haben, oder sie kümmern sich um Menschen, die bei Anschlägen verletzt oder tot zurückbleiben.
Doch manchmal seien er und seine Mitarbeiter immer noch nicht schnell genug, sagt Ung An Pienprasad Siri. Selbsternannte "Soforthelfer" hörten den Polizeifunk ab und eilten dann zum Ort des Geschehens. Oder sie postierten sich an besonders unfallträchtigen Kreuzungen und Schnellstraßen.
Den freiwilligen "Soforthelfern" geht es vor allem ums Geld
"Menschen, die von einem Unglück betroffen sind, sind meist nicht in der Lage, klar zu denken und eine Wahl zu treffen. Diese skrupellosen 'Helfer' ergreifen die Gelegenheit beim Schopf. Sie bereichern sich, indem sie den Verwandten viel Geld dafür abknöpfen, die Leiche wegzubringen. Oder sie laden den Verletzten in ihren Wagen und karren ihn zu irgendeinem Krankenhaus.
Dann streichen sie das Geld für den Transport ein und überlassen die Betroffenen ihrem Schicksal. Und bei diesen Gelegenheiten verschwinden auch immer wieder die Wertsachen, die Unfallopfer oder Tote bei sich hatten. Wir tun, was wir können, um rasch vor Ort zu sein. Und trotzdem, viel zu oft profitieren diese so genannten Soforthelfer von all dem Unglück."
Bangkok hat mehr als acht Millionen Einwohner. Pro Stunde werden vier Gewaltverbrechen verübt, während im selben Zeitraum drei Menschen im Straßenverkehr sterben.
Für das Sterberitual verpflichtet die buddhistische "Poh Teck Tung Foundation" renommierte Priester, die die Zeremonien zu Ehren Buddhas vollführen. Der Altar ist mit Blumen und Früchten geschmückt. Rot und Gold sind die vorherrschenden Farben im Tempel, der von einer mannsgroßen Buddha-Statue dominiert wird. In durchsichtigen Vasen sind Lotusblumen, die für das geistige Wachstum stehen, arrangiert. Gütig schaut Buddha von seinem Podest auf Priester und Gläubige herunter.
Wer für die Stifung spendet, sammelt Karma
"Wir sind vom Glauben durchdrungen, dass wir allen Menschen helfen wollen. Unabhängig davon, welcher Nation oder Religion sie angehören. Während des Rituals wenden sich unsere Mönche zuerst an Buddha, dann an die Ahnen und die Geister. Wir haben Essen vorbereitet, das wir Geistern und Ahnen weihen und ihnen auf spirituellem Wege übersenden. Am Ende dieser Zeremonie erfolgt dann schließlich die Verbrennung."
Dieser umfassende Dienst am Nächsten kommt im überwiegend buddhistischen Thailand gut an. Nicht zuletzt, weil er allen zugutekommt. Kranke, die kein Geld haben, werden kompetent medizinisch versorgt. Tote werden ordnungsgemäß bestattet. Wer eine solche Stiftung durch Spenden unterstützt, so die allgemeine Überzeugung, vollbringt eine gute Tat, die sein Karma günstig beeinflusst. Und die Lebensretter selbst sammeln durch ihren Einsatz ebenfalls spirituelles Verdienst für ihre nächste Existenz. Dass es nicht genug sind und sich skrupellose Helfer an der Not armer Menschen bereichern, ärgert den buddhistischen Helfer:
"Unsere buddhistische Kultur lehrt uns, zu geben, ohne dabei Erwartungen zu hegen. Uns erfüllt das mit Freude. Und zugleich stärkt es immer wieder die Gemeinschaft."