"Welcher Tag ist heute?"
"Heute ist Mittwoch!"
"Und morgen?"
"Morgen ist Donnerstag!"
"Und übermorgen?"
"Freitag!"
"Heute ist Mittwoch!"
"Und morgen?"
"Morgen ist Donnerstag!"
"Und übermorgen?"
"Freitag!"
Deutschstunde im Flüchtlingsheim Thannhausen. Die kleine Maphreed aus Indien sitzt neben Angela aus Albanien und Casey aus Somalia. Alle lernen eine schwere Sprache.
"Ja, ja, bisschen schwer! Der, die, das! Bisschen zu schwer!"
Casey ist seit zehn Monaten in Thannhausen bei Augsburg. Sein Asyl-Verfahren läuft. Casey möchte gern arbeiten.
"Mein Beruf ist Krankenpfleger. Aber wenn ich gut genug spreche, kann ich arbeiten. Altenheim, Krankenhaus."
Die Sprache ist der Schlüssel dazu, sagt Caseys Deutsch-Lehrer Karl Landherr. Der pensionierte Grundschul-Lehrer unterrichtet zwei bis dreimal die Woche 15 Flüchtlinge. Ehrenamtlich. Heute geht's ums Baden.
"Alle zusammen: Ich gehe schwimmen! Im Freibad gibt es eine Zone für Schwimmer und Nicht-Schwimmer. Capito? Non-Swimmer. Da lachen sie immer, wenn ich sage: Capito. Das ist italienisch, gell?"
Bei guter Stimmung Deutsch lernen
Die Schüler und ihr Lehrer lachen häufig. Die Stimmung ist gut. Auch bei Omar, einem Zahnarzt aus Syrien, der sich gerade mit Ä, Ö und Ü plagt.
"Ü, ü, ü, gruuun, grüüüün. Sehr gut."
Omar ist erst seit zwei Monaten in Deutschland, er macht schnelle Fortschritte. Seine Hausaufgabe war diesmal, fünf Sätze zu schreiben, die aus seiner Sicht für Deutschland stehen. Sein erster Satz:
"Wichtig ist nicht ein schnelles Arbeiten, aber Qualität 1 ist wichtig!"
Nicht schnell, sondern Qualität. So könnte man auch den Deutsch-Kurs von Karl Landherr beschreiben. Der steht gestikulierend und lachend vor seinen Schülern. In der Hand hält er ein Buch. Sein Buch. Das Thannhauser Modell.
"Herkömmliche Bücher, die sich ganz allgemein mit diesem Thema auseinandersetzen, ohne auf das Thema Asylbewerber zu schauen, die bringen zum Teil in der ersten Einheit schon: Ich heiße, Du heißt, er, sie, es heißt. Noch dazu ein scharfes ß drin, das die gar nicht kennen. Und dann ist da zu viel Grammatik von Anfang an!"
Landherrs System, das er zusammen mit zwei befreundeten Lehrern entwickelt hat, ist anders. Es arbeitet sehr praktisch und lebensnah. Mit vielen Bildern und wenig Grammatik.
"Ich habe zu meinem Sohn gesagt: Auf dieses Buch wartet Deutschland. Das war natürlich als Witz gemeint. Aber letztlich war es so. Die Rückmeldungen sind so, dass die sagen: Jetzt haben wir das Buch, das uns hilft!"
Tatsächlich findet das Thannhauser Modell überall in Deutschland reißenden Absatz. Es ist schon in der dritten Auflage. Landherr verkauft und verschickt das kleine Büchlein fast zum Selbstkostenpreis - für 6, 50 Euro. Inklusive kostenloser Updates im Internet. Wichtig ist ihm, dass mit seinem Buch nicht nur Lehrer, sondern auch andere ehrenamtliche Helfer unterrichten können, um den Flüchtlingen die deutsche Sprache und Kultur zu vermitteln.
"Unsere Deutschkurse sind so konzipiert: Montag und Mittwoch eher Theorie, aber halt mit Sehen, Hören, Sprechen. Und am Freitag nennt sich das "Deutschkurs - Ortszeit". Wo dann diese Theorie praktisch draußen geprobt wird. Beispiel Einkaufen: Erst Prospekte anschauen, und dann am Freitag rausgehen in den Supermarkt und einkaufen."
Einsatz einer Brückensprache beim Thannhauser Modell
Omar, der Zahnarzt aus Homs, ist nach zwei Monaten schon zum nächsten, fortgeschrittenen Übungsbuch gesprungen. Ihm hat geholfen, dass das Thannhauser Modell eine Brückensprache benutzt.
"Wir brauen eine Brückensprache, und die ist Englisch. 70 Prozent der Asylbewerber kommen aus englischsprachigen Ländern. Sogar in Somalia, das sagt uns unser Schüler Casey, sind die Schulbücher auf Englisch."
Omar aus Syrien spricht ebenfalls Englisch, er war Hochschullehrer an der Universität Damaskus. Er findet, dass es unhöflich sei, in Deutschland nicht deutsch zu reden. Auch wenn er das bisher nur auf Englisch sagen kann.
"It is not polite to speak English in Deutschland. Wenn jemand nach Syrien käme und nach zwei Jahren kein Arabisch könnte, fände ich das auch unhöflich. In der Sprache steckt die Kultur des Landes. Du musst unsere Sprache und unsere Gewohnheiten kennen. Du musst wie wir sprechen, damit Du ein Teil von uns wirst."
Die wichtigste Lektion allerdings, sagt der schwäbische Deutsch-Lehrer Karl Landherr, könne den Flüchtlingen kein Buch vermitteln. Eine Lektion, die er selbst bei den Unterrichtsstunden immer wieder neu lerne.
"Man muss auch einen Schuss Gelassenheit haben. Wenn's halt nicht klappt, dann klappt's halt nicht. Wir sind alle Ehrenamtler. Und wir machen das Beste draus. Und niemand muss eine Prüfung machen."
Jedenfalls nicht bei Karl Landherr und seinem Thannhauser Modell.