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"The Big Dry"

Klimaforschung.- Die Australier sprechen bereits von "The Big Dry", von der großen Dürre. Die herrscht mittlerweile seit 15 Jahren im äußeren Osten des Landes – dort wo Metropolen wie Melbourne und Sydney liegen. Aber auch am entgegengesetzten westlichen Ende ist die Situation katastrophal.

Von Volker Mrasek |
    Es sind zwar Tausende von Kilometern, die die westaustralische Großstadt Perth von der eisigen Nordküste der Antarktis trennen. Doch zwischen den beiden Regionen besteht offenbar eine Fernverbindung über den rauen Südlichen Ozean hinweg. Der australische Physiker Tas van Ommen spricht von einer Klimaschaukel:

    "Immer wenn es in der Südwest-Ecke Australiens trocken ist, fällt an der Nordküste der Ost-Antarktis besonders viel Schnee."

    Was dem einen Flecken fehlt, hat der andere im Überschuss. Diese Niederschlags-Schaukel beschreiben van Ommen und ein Kollege vom australischen Antarktis-Dienst jetzt erstmals im Fachblatt "Nature Geoscience".

    Auf das Phänomen stießen die Forscher, als sie Wetterdaten aus beiden Regionen miteinander verglichen. Da gibt es zum einen die mehr als 100-jährigen Aufzeichnungen von Messstationen rund um Perth. Und da sind zum anderen Eisbohrkerne, die im Rahmen des australischen Antarktisprogramms gewonnen und analysiert wurden. Sie stammen von einem Flecken an der Nordküste des Eis-Kontinents, der sich Law Dome nennt.

    "Wir haben einen Eisbohrkern, der ist insgesamt 1,2 Kilometer lang. So dick ist der Eispanzer am Law Dome von seiner Oberfläche bis zum Grundgebirge, auf dem er liegt. Dieser Bohrkern ist so weit untersucht, dass er uns Auskunft über die Schneezuwächse der letzten 750 Jahre gibt."

    Genauso bemerkenswert wie die lang anhaltende Trockenheit im Südwest-Zipfel Australiens sind demnach auch die gegenwärtigen Schneefälle an der antarktischen Nordküste.

    "In den letzten drei, vier Jahrzehnten ist dort mehr Schnee gefallen als im Durchschnitt der ganzen 750 Jahre. Es sind die stärksten Zuwächse, die wir überhaupt in diesem Zeitraum beobachten. Wenn unsere Theorie von der interkontinentalen Klimaschaukel stimmt, dann müssen wir davon ausgehen, dass die heutige Trockenheit in der Südwest-Ecke Australiens genauso ungewöhnlich ist."

    Doch wieso erlebt Australiens Südwest-Ecke derzeit eine mögliche Jahrtausend-Trockenheit? Auch das konnten die Forscher aufklären. Demnach bevorzugt die atmosphärische Zirkulation im Winter seit rund 40 Jahren ein bestimmtes Wellenmuster, wie Klimaforscher van Ommen es nennt: Feuchtwarme Luft bewegt sich aus der Region um Neuseeland südwärts in die Antarktis und lässt es dort kräftig schneien. Kalt und trocken strömt sie sodann wieder nordwärts, auf Südwest-Australien zu, wo der Regen ausbleibt.

    Warum die Klimaschaukel in diesem Zustand festhängt, und ob der Mensch daran seinen Anteil hat – diese Fragen kann der australische Antarktisforscher allerdings nicht mit Sicherheit beantworten:

    "Dazu kennen wir die Prozesse, die in hohen südlichen Breiten ablaufen, noch nicht genau genug. Aber es gibt starke Hinweise darauf, dass der Klimawandel eine maßgebliche Rolle spielt. Zum einen sind die Schneefälle der letzten Jahrzehnte an der antarktischen Küste so außergewöhnlich. Zum anderen haben wir die Ergebnisse von Klimamodellen. Einige von ihnen produzieren bei steigenden Treibhausgas-Emissionen genau das Strömungsmuster, das nach unseren Vermutungen die Trockenheit in West-Australien erklären kann."

    Van Ommen hofft, dass seine neue Studie den Anstoß dazu gibt, die Klimamodelle weiter zu verfeinern. Wenn alle von ihnen auch noch den Ozonabbau über der Antarktis und die Meereisentwicklung am Rande des Kontinents simulierten, dann, glaubt der Physiker, lasse sich mehr über die Klimaschaukel im hohen Süden in Erfahrung bringen. Und vielleicht auch die Frage beantworten, wie es mit der Trockenphase im Südwesten Australiens weitergeht.