Tommy, Schauspieler, Filmbesessener, jagt seinen Träumen nach. In der Stadt der Engel. Oder der gefallenen.
"Los Angeles, da wollen alle mal Star werden. Du musst der Beste sein. Nie aufgeben."
Und Tommy gibt nie auf! Nie! Auch nicht, als er einem Produzenten im Edel-Restaurant in Hollywood Shakespeare vorbrüllt, …
"Sein oder Nichtsein!"
… und der behauptet, Tommy würde nie ein Star:
Produzent: "Auch nicht in einer Million Jahren!"
Wiseau: "Aber was ist danach?"
Wiseau: "Aber was ist danach?"
Ja, was kommt danach oder davor? Chuzpe! In jedem Fall. Vorher kam - in der Realität, denn Tommy Wiseau gibt es wirklich -, vorher kam, 2003, "The Room", der "schlechteste Film aller Zeiten", der inzwischen in den Mitternachtsvorstellungen der Programmkinos Kultstatus genießt.
Nicht kleckern, klotzen!
Tommy Wiseau, der lange Haare wie ein Rock-Gitarrist hat, einen merkwürdigen Akzent, Wiseau jedenfalls schrieb ein Drehbuch mit dem Titel "The Room", produzierte den Film mit eigenem Geld, von dem immer noch keiner weiß, woher das kam, und wurde Hauptdarsteller und Regisseur einer obskuren oder auch skurrilen oder auch durchgeknallten Dreiecksbeziehungsgeschichte. Motto beim Dreh: nicht kleckern, klotzen!
Produktionsleiter: "Das Set der Gasse sieht exakt so aus die die echte Gasse da draußen!"
Wiseau: "Ganz genau!"
Produktionsleiter: "Wieso drehen wir nicht in der echten Gasse?"
Wiseau: "Weil's ein echter Hollywood-Film ist. Okay: Action!"
Wiseau: "Ganz genau!"
Produktionsleiter: "Wieso drehen wir nicht in der echten Gasse?"
Wiseau: "Weil's ein echter Hollywood-Film ist. Okay: Action!"
Diese Szene ist allerdings nicht aus "The Room", sondern - Film im Film - aus "The Disaster Artist", in dem James Franco - wie Wiseau Hauptdarsteller, Regisseur und Produzent - die Entstehung von "The Room" nacherzählt und eine Hommage an den Wahnsinn des Filmemachens gedreht hat. Es geht um Besessenheit, eine Vision, auch die unbändige Lust, den anderen den Stinkefinger zu zeigen. Vielleicht verbirgt sich in dieser Geschichte auch die unausrottbare Bewunderung für den amerikanischen Helden, …
"Egal, ich tu's."
… den Franco aufscheinen lässt:
"Wir zeigen's allen. Achtung! Wir kommen!"
… den Franco aufscheinen lässt:
"Wir zeigen's allen. Achtung! Wir kommen!"
Wissen und Ignorieren
Aber solche Besessenheit zeigt sich in "The Disaster Artist" auch in ihrer ganzen Janusköpfigkeit: Da ist die Liebe zum Film, ja. Genauso sichtbar wird aber auch eine brutale Rücksichtslosigkeit, wenn es der eigenen Vision dient. Beide Seiten erscheinen bei James Franco als Kern dessen, was Hollywood und das Showbusiness auszeichnet. Es wird nicht kritisiert oder verdammt, eher hingenommen, weggelacht, aber doch präzise gezeigt. Beispiel: Wiseau will in einer Szene unbedingt vor der Kamera Sex haben.
Filmpartnerin: "Ich glaube, du zielst ein wenig zu hoch."
Wiseau: "Ich ziele, wohin ich ziele. Spiel einfach die Szene."
Produktionsleiter: "Warum hat er Sex mit ihrem Bauchnabel? Er weiß doch, wo ihre Vagina ist? Oder?"
Wiseau: "Ich ziele, wohin ich ziele. Spiel einfach die Szene."
Produktionsleiter: "Warum hat er Sex mit ihrem Bauchnabel? Er weiß doch, wo ihre Vagina ist? Oder?"
In "The Disaster Artist" empören sich mehrere aus der Filmcrew darüber. Folgenlos. So durchgeknallt Tommy Wiseau nämlich sein mag, so sehr man seinen Dilettantismus belächelt, verhöhnt: Er hat das Geld, die Macht; er "macht" die Jobs am Set. Das zeigt "The Disaster Artist" genau und analysiert damit die Struktur des Business. James Francos Film also nur als Verbeugung vor den schrägen Obsessionen eines Filmemachers à la "Ed Wood" von Tim Burton zu sehen, greift zu kurz. Franco hat auch einen klugen Film über das Filmemachen und die Strukturen von Leidenschaft und Besessenheit gedreht, von Macht und Machtmissbrauch, auch von der Ausbeutung des Körpers in der Industrie der bewegten Bilder.
Aber James Franco, seine beschrieene Verlogenheit, einen "Time's Up"-Sticker bei der Golden-Globe-Verleihung zu tragen; und dann die Vorwürfe, seine Macht ausgenutzt und Frauen sexuell belästigt zu haben? Wenn wir Francos Film sehen, müssen wir das wissen, und es ignorieren; es wieder wissen; es wieder ignorieren. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung polemisiert die Romanistin Barbara Vinken gegen kunstfeindlichen Puritanismus und bezeichnet Kunst - somit auch den Film - als Medium, das "zeigt, wie es ist, nicht wie es sein soll. Mag uns der Künstler als Person gefallen oder abstoßen". Ein besseres Statement gegen Zensur ist nicht vorstellbar.
Aber James Franco, seine beschrieene Verlogenheit, einen "Time's Up"-Sticker bei der Golden-Globe-Verleihung zu tragen; und dann die Vorwürfe, seine Macht ausgenutzt und Frauen sexuell belästigt zu haben? Wenn wir Francos Film sehen, müssen wir das wissen, und es ignorieren; es wieder wissen; es wieder ignorieren. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung polemisiert die Romanistin Barbara Vinken gegen kunstfeindlichen Puritanismus und bezeichnet Kunst - somit auch den Film - als Medium, das "zeigt, wie es ist, nicht wie es sein soll. Mag uns der Künstler als Person gefallen oder abstoßen". Ein besseres Statement gegen Zensur ist nicht vorstellbar.