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The Million Death Quake

Ein großer Teil der Ballungsräume dieser Welt wird von Erdbeben bedroht, und nur ein winziger Teil von ihnen ist darauf gut vorbereitet. Experten befürchten Millionen Tote, wenn sich Megabeben auf Megastadt trifft. Das Buch von Roger Musson, Seismologe beim Britischen Geologischen Dienst, warnt vor dieser Gefahr.

Rezension: Dagmar Röhrlich |
    Das Tohoku-Beben vom 11. März 2011 zählt mit einer Magnitude von 9 zu den schwersten seit Beginn der modernen Messungen. Es war stark genug, die Erdachse zu verschieben. Der Tsunami, den es auslöste, forderte rund 16.000 Opfer, das Beben selbst jedoch "nur" 230. Zum Vergleich: Im Januar 2010 traf ein Beben der Stärke 7 die haitianische Hauptstadt Port-au-Prince. Dieses Beben war 100 Mal kleiner als das von Tohoku, aber 316.000 Menschen starben und machten dieses Ereignis zum zweittödlichsten, von dem wir wissen. Wenige Wochen nach dem Haiti-Beben traf ein Beben der Magnitude 8,8 Chile - und obwohl auch das zu den stärksten überhaupt zählt, starben glücklicherweise lediglich 521 Menschen, die meisten durch den Tsunami, der an die Küsten rollte.

    Die unterschiedliche Zoll an Todesopfern liegt schlicht an den Bauvorschriften. Chile, aber auch Mexiko beweisen, dass es nicht so sehr darauf an, wie reich ein Land ist, sondern darauf, dass gute Bauvorschriften auch umgesetzt werden. Gerade in Mexiko werden kleine, einfache und billige "Betonkästen" errichtet, die bei einem Beben nicht so leicht über ihren Bewohnern zusammenbrechen. In Haiti hingegen, das zu den ärmsten Ländern der Welt gehört, war erdbebensicheres Bauen überhaupt kein Thema.

    Und das ist in vielen der Megacities dieser Erde so, die in Erdbebengebieten liegen. Diese Städte verdoppeln ihre Bevölkerung innerhalb weniger Jahrzehnte, und weder Istanbul, noch Delhi oder Mumbai oder Teheran sind auch nur im entferntesten so so gut vorbereitet wie Tokio, Los Angeles oder Mexico-City. Früher oder später wird jedoch ein schweres Beben eine der schlecht gebauten Städte treffen - und die Zahl der Opfer könnte dann die Million überschreiten, fürchten Seismologen. Die Katastrophe ist also vorprogrammiert.

    Das ist die Botschaft des Buches "The Million Death Quake", das Roger Musson vom British Geological Survey geschrieben hat. Der Spezialist für Erdbebenrisiken liebt das Erzählen, und so erklärt er leicht und allgemeinverständlich, wie Beben entstehen. Er berichtet, wie langsam sich das Wissen darum, was Erdbeben eigentlich sind, entwickelt hat: Schon Thales von Milet, Aristoteles oder Seneca versuchten, sie zu erklären, ebenso Immanuel Kant. Aber erst mit dem Erdbeben von San Francisco aus dem Jahr 1906 begannen die Geologen zu verstehen, was sich da genau im Untergrund abspielte. Verhindern lassen sich Erdbeben nicht, auch nicht vorhersagen - aber viele Opfer müssen sie nicht fordern. Musson geht es darum, den Blutzoll zu mindern, und so widmet er sein letztes Kapitel dem Wissen darum, wie wir uns selbst schützen können. Ein höchst interessantes, eingängig geschriebenes Buch.

    Roger Musson: The Million Death Quake: The Science of Predicting Earth‘s deadliest natural disaster
    ISBN: 978-0-230-11941-3
    Palgrave Macmillan, 272 Seiten, 21,99 Euro