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"The Mimicry Games"
Nachdenken über Fußball, Kunst und Geschichte

Public Viewing einmal anders: Auf dem Videoscreen ist kein normales Fußballspiel zu sehen, sondern eine Partie, bei der Afrikaner in europäischen Trikots gegeneinander antreten. Das Kunstprojekt von Philip-Kojo Metz in Kooperation mit dem Operndorf Afrika fragt nach nationaler Identität und nach Verbindungen zwischen Fußball und Kolonialgeschichte.

Von Oliver Kranz |
    Mimicry Games: Philip Kojo Metz & Christoph Schlingensiefs Operndorf Afrika
    Die Mimicry Games finden in unregelmäßigen Abständen in Afrika statt und werden nach Deutschland übertragen. (Philip Kojo Metz)
    Auf den ersten Blick sieht alles wie ein ganz normales Länderspiel aus, Frankreich gegen Deutschland. Dabei sind alle Spieler Afrikaner. Auf ihren Trikots stehen weder Namen noch Spielernummern. Holger Liebs, der das Public Viewing in Berlin moderiert, liefert die Erklärung:
    "Das Kunstprojekt von Philip Kojo Metz heißt "The Mimicry Games". Es geht um Mimesis, Tarnung, und als historischer Hintergrund nicht uninteressant, dass vor 100 Jahren im Ersten Weltkrieg Deutschland und Frankreich als Kombattanten gegenüberstanden und beide haben für ihre Armeen jeweils Kameruner als Soldaten akquiriert, das heißt Kameruner mussten gegeneinander kämpfen und sind auch gestorben. Da sehen wir schon: Es gibt ein weites Feld, es geht um Nationenkonkurrenz, es geht um die Überbleibsel von Kolonialismus, um das Verhältnis von Sport und Politik."
    "Europäische Fußballkraft"
    Und all diese Themenfelder wurden in Berlin auch diskutiert. Es gab einen Videoscreen, auf den das Spiel übertragen wurde, und daneben einen Tisch für die Experten. Christoph Biermann von der Fußballzeitschrift "11 Freunde" empfindet Afrikaner in europäischen Trikots nicht nur als Anspielung auf die Kolonialgeschichte.
    "Ganz viele europäische Fußballtrikots landen über die Altkleidersammlung in Afrika. Die sind eine sehr beliebte Oberbekleidung im Alltag. Da zieht man sich auch ein bisschen was von der europäischen Fußballkraft über, wenn man so ein Trikot erwischt."
    Im Spiel, das aus einem Stadion in Kamerun nach Deutschland übertragen wird, ist von europäischer Fußballkraft wenig zu spüren. Mimikry heißt ja eigentlich Nachahmung. Philip Kojo Metz, der das Projekt organisiert hat, hat die Spieler aber nicht dazu angehalten, den Europäern nachzueifern. Ihm geht es nicht um Sport, sondern um Identität. Wird ein afrikanischer Spieler zu einem deutschen, indem er das Trikot überzieht? Die Sportler kommen aus Kamerun, das früher eine deutsche Kolonie war. Wirkt die Vergangenheit nach, und wenn ja – in welchem Sinn? Lässt sich auf dem Umweg über den Sport ein Austausch der Kulturen organisieren?
    Es fehlt an Einnahmen
    In fast jedem europäischen Spitzenverein gibt es Spieler, die aus Afrika stammen. Die Menschen in Afrika sind stolz auf ihre Stars, die bei Real Madrid oder Bayern München spielen, doch afrikanische Vereine werden kaum beachtet. Christoph Biermann beschreibt das Problem:
    "In Afrika, in den Profiligen sind die Stadien leer. Ich war vor der letzten Weltmeisterschaft in Ghana. Da sind die Fernsehrechte für die erste ghanaische Liga für so etwas wie 250.000 Euro verkauft worden. Dafür kriegt man hier nicht mal Regionalligaspiele. Also da sieht man, dass da ziemlich viel Geld fehlt."
    In Afrika können Vereine von selbst erwirtschafteten Einnahmen kaum existieren, sie sind auf staatliche Unterstützung angewiesen. Das wiederum öffnet das Tor für politische Einflussnahme und Vetternwirtschaft. Der Filmkurator Alex Moussa Sawadogo aus Burkina Faso machte gestern seinem Ärger Luft.
    "Bei jedem Fußballteam oder jedem Fußballmanager in Afrika steht immer ein Politiker dahinter. Niemand kann ein Team oder Trainer werden ohne Beziehungen. In Burkina Faso, woher ich komme, der Präsident von dieser Föderation, das war immer ein Militär – ein General oder sowas. Das ist nicht professionell."
    Spannung bis zum Schluss
    Afrika hat gute Spieler aber eine schlecht organisierte Fußballszene. Darüber waren sich gestern die Experten einig. Nebenbei lief das Mimikry-Fußballspiel und wurde immer spannender. Nach der ersten Halbzeit stand es 2:1 für Deutschland. Dann fiel ein Tor nach dem anderen. Zuerst trafen die Franzosen, dann wieder die Deutschen.
    Am Ende gab es kein Halten mehr. Die Afrikaner in den deutschen Trikots schossen weitere zwei Tore, so dass die Zuschauer nach dem Public Viewing im Haus der Kulturen der Welt zufrieden nach Hause gingen.
    "Es ist ein sehr spannendes Spiel. Man weiß nie, wie es ausgeht."
    "Das hat für mich noch mal viel erklärt in Bezug auf Fußball. Also die Magie des Fußballs, dass sie eben nicht von den Nationen abhängt, sondern dass Fußball durch den Sport funktioniert. Ich habe nach einer gewissen Zeit einfach Fußball geguckt und habe nicht eine Nationalmannschaft angefeuert."
    Das Spiel war spannend, die Expertengespräche aber auch. Die "Mimicry Games" laden dazu ein, nicht nur über Fußball, sondern auch über Kunst, Geschichte und Politik nachzudenken.