Diese Expo ist ein Hafen. Reguläre Schiffscontainer füllen die Halle. In diesen Containern, auf Raumteilern und auf den Betonpfeilern des Parkhauses unter dem ehemaligen Kupferwerk: Dreißig Ausstellungen in der Ausstellung. Trotzdem können wir als Besucher noch durchatmen: 5000 Quadratmeter Fläche, das ist Spielraum. Markus Schaden, Fotograf und Kurator, hat das "PhotoBookMuseum" initiiert:
"Dieses Containerprinzip, was wir hier benutzt haben, ist eine mobile Museumsversion. Wir wollen das ein paar Jahre auf Reisen schicken, haben schon ein paar Termine fest: Dubai, Los Angeles, Arles, Mannheim-Ludwigshafen."
"Zwei Deckel, die Inhalte definieren"
Gleich der Start in Köln fällt spektakulär aus: Eine Reeperbahntheke aus einem historischen Foto ist im Maßstab 1:1 nachgebaut; sie dient zugleich als Festivalbar, daneben ein US-Straßenkreuzer vor dem Foto einer Tankstelle der 1970er, ein Foto, so groß wie eine echte Tankstelle. In und um die Container herum ein unendlich vielteiliger Flickenteppich. Das sich öffnende Buch ist das Schau-Prinzip, in zig Varianten und en détail: Wir sollen uns auch einmal bücken, Kleingedrucktes lesen, uns in Bilderstrecken verlieren: Wir verfolgen die Karriere der Fotojournalistin Susan Meiselas von Schulhofreportagen bis zu großen Bildbänden über Kurdistan. All dies ist in diesem Fall auf dem Boden ausgebreitet und nichts für den schnellen Blick.
"Für mich das Wichtigste, die Urdefinition des Buches, nämlich die des Kodex. Da kommt der Begriff des Buchs her. Zwei Deckel, die Inhalte definieren."
Markus Schaden war in der Vorbereitung viel unterwegs, vom Buchmuseum in Weimar mit seinen mittelalterlichen Folianten bis zum Bilderbuchmuseum im rheinischen Troisdorf: Wie kann man Bücher ausstellen? Seine Folgerung: weg von den Hochglanzcovers mit Signierstunde eines Starfotografen, hin zum Sinnlichen, förmlich Greifbaren. Mit den zweiten Seiten eines aufgeschlagenen Buchs als Hemisphären, als Drama per se: Was ist da links, was ist rechts zu sehen? Mit Text kommentierte Fotos, also eine Reportage, oder künstlerische Montagen? Was wird aus der Fotografie, die ihrerseits seit ihrer Erfindung zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven schwebt, wenn sie dann noch einmal eine Ebene weiter, in den Kontext eines Buchs gesetzt wird? Gutes Beispiel ist da ein Dossier über "Afronauten", ein rein afrikanisches Raumfahrtprogramm: So geschickt - im Buch - inszeniert, dass wir die Geschichte fast glauben.
"Ich kann mich gut erinnern. Da war ich Foto-Student in Boston, als die Fotografie 150. Geburtstag hatte. Natürlich hat da noch niemand von digitaler Fotografie gesprochen. Gut, jetzt sind wir 25 Jahre weiter und arbeiten digital."
"Hinsetzen und Bücher lesen, so ganz entschleunigt"
Todd Hido aus San Francisco hat auch über die Afronauten gelacht. Er ist einer der vielen internationalen Gäste. Auf 15 Metern Laufstrecke breitet er einen Bildessay über seine eigene Karriere kaleidoskopisch aus. Autobiographisches, Gefundenes, Mediales. Schnappschüsse von jungen Mädchen, fotografiert in Selfie-Ästhetik brechen sich da an Filmplakaten: "American Beauty".
"Na klar geht es bei mir um diesen amerikanischen Traum, der ja auch immer wieder ein internationaler ist. Das Medium Fotobuch scheint dafür erfunden worden zu sein, diesen Traum zu karikieren. - Darüber hinaus denke ich, dass dieses klassische, gedruckte Fotobuch noch lange leben wird. Wie ein Objekt, dass sich digitalen Räumen entzieht. Vielleicht sind wir bildschirmmüde!? Wir wollen uns auch mal hinsetzen und Bücher lesen, so ganz entschleunigt."
Sechs Fotobücher mit einer Auflage von etwa 1.000 Stück hat Todd Hido in den letzten Jahren herausgegeben und innerhalb weniger Wochen ausverkauft. Auch Verlage für Fotobücher werden den Trend zum aufwendig gestalteten Fotobuch bestätigen. Das Layout und der Verkauf sind allerdings längst auch digital und online, ergänzt Markus Schaden, der keinen Grabenkrieg analog versus digital ansteuert. Ein gutes Fotobuch hat für ihn nichts mit Ramsch-Layout für 4,95 Euro zu tun, mit dem Drogeriediscounter unsere Privatfotos editieren. Die eigenwillig und in besonderer Form erzählte Geschichte, die sich eben gerade dadurch von den alltäglichen Bilderfluten abhebt, ist gefragt.
"Die Leute wollen etwas, was bleibt, was Bestand hat. Eine Festplatte mit Bildern ist irgendwo auch ein bisschen undefiniert."
Die Kraft des Mediums Fotobuch an sich
Oder sie wird erst in einem bestimmten Kontext definiert: 14 Prozent Gefälle mit maximaler Einfahrtshöhe von 2,65 Metern geht es hinab in die Katakomben des Kupferwerks. Auf die Parkhauspfeiler verteilt sehen wir die Rekonstruktion einer Fotoschau auf der Photokina 1970 des Kölner Bohemien Chargesheimer.
"Da stellt sich für mich eine Qualität des Fotobuchs heraus: Wenn es, abseits von Form, Layout, noch eines mehr leisten kann, in dem Fall von Chargesheimer einen düsteren Blick auf die Stadt Ende der 60er-Jahre, als Stadtsoziologie, als Teilnahme der Bürger an dieser Stadt."
Die Beton- und Asphalt-Schneisen durch das Nachkriegs-Köln, fotografiert morgens um 5 Uhr 30. Daher menschenleer und umso anklagender in der Aussage. Vieles davon ist längst rückgebaut. Im Rahmen des umfangreichen Workshop-Programms des PhotoBookMuseums wurde nun dazu aufgerufen, aktuelle Ansichten derselben Orte einzureichen. Auf Memory Stick. Die werden dann neben die Originale projiziert, ab heute Abend. Und warum sollte man dies am Ende nicht auch als E-Book publizieren? Es geht um die Kraft des Mediums Fotobuch an sich. Ob auf Papier oder elektronisch. Ein Besuch im PhotoBookMuseum zeigt: Da ist Potenzial.
"The PhotoBookMuseum" ist geöffnet vom 19. August bis zum 3. Oktober auf dem Carlswerk-Gelände in Köln-Mülheim und geht danach auf internationale Tournee.