San Francisco in den 60er-Jahren – viele mögen da an den Sommer der Liebe 1967 denken, an die Hippies und an den Beginn der Alternativbewegung. Aber es gab schon ein paar Jahre früher Versuche, dem Stadtleben und seinen Zwängen zu entfliehen. 1962 hatten amerikanische Architekten und Landschaftsplaner die Vision von einer Siedlung zweieinhalb Stunden nördlich von San Franscisco, direkt an der rauen Pazifikküste gelegen. Einer von ihnen war der Landschaftsarchitekt Larry Halprin.
Eine ästhetische Revolte
"Halprin war es sehr wichtig, auf die Landschaft Rücksicht zu nehmen. Es war aber kein 'Zurück zur Natur'. Er hatte mehrere Jahre in einem Kibbuz gearbeitet. Die Vorstellung einer Gemeinschaft, die in der Landschaft zusammenkam, um sie als Erlebnis zu teilen, interessierte ihn", erklärt Jennifer Dunlop Fletcher, Kuratorin im San Francisco Museum of Modern Art (SFMOMA). Die Sea Ranch war jedoch vor allem eine ästhetische Revolte. Architektur, die sich in die Landschaft einfügt, ohne sie dominieren zu wollen. Schlichte, geradezu puritanisch wirkende Häuser aus Holz von nüchterner Kantigkeit, anstatt prestigeträchtige Prachtvillen.
Neben den Architekten selbst und Künstlern sollten dort ganz normale Leute, "folks", einziehen. Die Realität sah jedoch anders aus, wie sich die Grafikdesignerin Barbara Stauffacher Solomon erinnert: "Die Sache war vorbei, als die Kaufleute das Ruder übernahmen. In den Originalplänen der Sea Ranch war man sehr darauf bedacht, große Wiesen zu erhalten. Aber im Lauf der Jahre wurden die aufgefressen und Stück für Stück verkauft - für ein repräsentatives Haus nach dem anderen. Alle wollten auf dem Titel von Architekturmagazinen sein und waren deshalb darauf bedacht, das originellste Haus zu haben."
Jedes Haus ein Unikat
Die heute 90-Jährige wurde mit ihren "Supergrafiken" bekannt - geometrische Formen im Großformat, mit denen sie Häuser von innen und außen gestaltete. Sie war es auch, die das Logo der Sea Ranch entwickelte: zwei stilisierte Schafshörner. Noch heute kann man auf der Sea Ranch Land erwerben und ein Haus bauen. Jedes Haus ist ein Unikat und muss sich in das architektonische Ensemble einfügen. Dafür gibt es eine Reihe strenger Regeln, die von der Eigentümergemeinschaft vorgegeben werden. Lisa Dundee arbeitet dort und ist für die Einhaltung dieser Regeln verantwortlich.
"Am wichtigsten ist es, wie der Entwurf an den einzigartigen Standort jedes einzelnen Hauses angepasst ist. Zum Beispiel die Form: Sorgt sie dafür, dass der Wind über das Haus hinweg geleitet wird, damit auf der abgewandten Seite ein windgeschützter Raum entsteht? Dann geht es auch um Materialien – die sollen dauerhaft sein und zur Sea Ranch passen. Wir wollen keine glitzernden, hochmodernen Materialien, sondern welche, die sich mit der Zeit entwickeln."
Raum für Individualismus und architektonische Experimente
Trotzdem bleibt eine Menge Raum für Individualismus und architektonische Experimente. Viele bekannte Architekten der Moderne und Postmoderne - von Al Boeke bis zu Charles Moore - haben dort Häuser gebaut. Heute erlebt die Sea Ranch eine Renaissance. Nach Jahren der Überalterung zieht sie zum ersten Mal auch wieder jüngere Menschen an.
Trotzdem entwickelte sich dort nie eine wirkliche Lebensgemeinschaft. Wer hierher zieht, flieht vor dem Leben in der Stadt und zu viel Nähe zu anderen Menschen. Mit dem nötigen Kleingeld kann man hier ökologische Ideale verwirklichen, ohne auf modernen Komfort zu verzichten, erklärt Lisa Dundee: "In letzter Zeit kommen wieder Leute, die von diesen klassischen Architektur- und Umweltprinzipien der Sea Ranch angezogen werden. Wir haben auch ein High-Speed-Glasfaser-Internet verlegt, so dass man hier nun längere Zeit verbringen kann. Das spricht auch Berufstätige an. Die Altersstruktur verjüngt sich daher, man muss nicht mehr bis zur Pensionierung warten, um hierher zu ziehen."
Im San Francisco Museum of Modern Art eröffnet am 22.12.18 die Ausstellung "The Sea Ranch - Architecture, Environmentm and Idealism". Die Ausstellung läuft bis zum 28. April 2019.