Archiv

The Shed eröffnet in New York seine Tore
Kultur ohne Kommerz

Ein Museum auf Rädern, eine Ausstellungshalle, ein Fun Palace der Zukunft – New York hat eine neue Attraktion der Superlative: The Shed- "die Hütte". Hier soll Kultur für alle produziert werden, jenseits eingefahrener Labels wie Kunst, Theater, Popkultur, Konzert und mit der höchsten Aussichtsplattform.

Von Andreas Robertz |
Außenansicht auf The Shed, New York
The Shed, New York (www.imago-images.de ( Richard Levine))
Mit einem Knopfdruck kann man die 4000 Tonnen schwere Hülle des Shed wie einen Containerkran über den Vorplatz fahren und über ihm eine 37 Meter hohe beheizbare Halle entstehen lassen, die technisch mit allem ausgestattet ist, was man sich von einem Veranstaltungsort nur wünschen kann.
Elisabeth Diller: "Das Gebäude öffnet und schließt sich wie durch Magie. Ein 15 PS Motor reicht aus, um es über ein mechanisches Zahnradsystem zu bewegen. Das ganze Gewicht ruht auf acht Rädern und es rollt dann einfach auf seine Position. Es braucht nur fünf Minuten und ist absolut geräuschlos."
Ein flexibles Kulturzentrum der Zukunft
Für Architektin Elizabeth Diller ist das Shed – viele sagen auch "die" Shed, als sei sie eine transgender Person, um Unparteilichkeit und Wandelbarkeit zu betonen – die Antwort auf die Frage, wie ein "flexibles Kulturzentrum der Zukunft" aussehen kann.
So vage lautete die Ausschreibung der Stadt New York vor zehn Jahren:"Wir haben über Flexibilität nachgedacht und uns gefragt, wie können wir ein Gebäude für eine Zukunft bauen, die wir nicht vorhersehen können?"
Die Visionen des Cedric Price
Bedient hat sie sich dann bei den visionären Ideen des 2003 verstorbenen britischen Architekten Cedric Price und der modernen Industriearchitektur eines Containerhafens.
"Das erste Modell war einfach ne Zündholzschachtel..."
... erinnert sich Kurator Hans Ulrich Obrist, der von Anfang an bei den Überlegungen dabei war. Für Cedric Price, dessen Ideen immer wieder darum kreisten, wie man eine flexible "Architektur des Entertainments" entwickelt, war die Mobilität von Architektur ausschlaggebend: "Er sagte ja immer, ein Gebäude sollte ja nicht einen Platz besetzen, sondern wir sollten es nur dann besetzen, wenn wir es brauchen und wenn wir es nicht brauchen, sollte es den Platz wieder freistellen."
Bei dem Versuch diese revolutionären Ideen umzusetzen ist ein spektakuläres Gebäude entstanden, mit mehr als 7500 Quadratmetern Ausstellungs- und Aufführungsfläche auf sechs Stockwerken - also zusammengenommen gut die Größe eines Fußballfeldes -, inklusive eines Theaters mit 500 Plätzen und der riesigen Außenhalle.
Wie ein silbrig-weißes würfelförmiges Raumschiff auf Rädern mit einer Haut aus gesteppten Dreiecken aus teflonbeschichtetem Plastik sitzt es da inmitten der teilweise über 380 Meter hohen Türme des Hudson Yard.
Der Soundtrack of America
Mit seinem Eröffnungsprogramm zeigt Intendant Alex Poots, dass er es mit dem Innovativen sehr ernst meint. Zusammen mit Filmemacher Steve McQueen will er zum Beispiel die Geschichte afroamerikanischer Musik hörbar machen. In dem fünfteiligen Konzert American Soundtrack haben sie 25 noch weitgehend unbekannte Künstler zusammengebracht, um einen Familienstammbaum dieser Musik zu entwerfen.
Warum unbekannte Künstler? Weil sich die Shed in die Zukunft bewegen will, sagt Axel Poots: "Die einflussreichste Kunstform der letzten 100 Jahre weltweit ist afroamerikanische Musik und ihre Ursprünge sind völlig unbekannt."
Eine Besucherin geht durch die Ausstellung "Soundtrack of America"
The Shed, New York (www.imago-images.de ()
Für Kulturanthropologin Maureen Mahon ist die Tatsache, dass die Shed mit American Soundtrack eröffnet wird, ein politisches Zeichen:
"Es ist wichtig die Bedeutung dieser Musik zu würdigen. Und es ist mutig, damit zu eröffnen. Wir leben in einer Zeit der Spaltung, des "wir gegen die", und der Idee, dass die, die nicht weiß sind, keine richtigen Amerikaner sind."
Qualität statt Quantität – auch beim Publikum
Natürlich bringt Alex Poots damit auch von Anfang an ein Publikum ins Haus, das nicht zum traditionellen Publikum eines Kulturtempels gehört.
"Unser Erfolg wird nicht darin liegen, wie viele Zuschauer, sondern was für Zuschauer kommen. Ich habe Probleme mit diesem Wahnsinn, jedes Jahr noch Tausend Besucher mehr zu kriegen. Das ist ja geradezu kafkaesk. Auch beim Publikum geht es um Qualität in Bezug auf die Vielfalt und den Reichtum einer Gesellschaft, die sie repräsentieren. Daran möchte ich mich in fünf oder zehn Jahren messen lassen."
Er weiß, dass das nur gelingt, wenn er die Eintrittspreise niedrig halten kann. Es war seine Grundbedingung überhaupt anzutreten:"Ich hätte den Job nicht angenommen, wenn unser Arbeitsplatz hier nicht geschützt wäre, dadurch dass er auf öffentlichem Grund steht, gemeinnützig ist und den Anspruch hat, zu geben."