Die Q-factory liegt mitten in Amsterdam. Normalerweise dient das Gebäude eher als Gemeindezentrum und Proberaum für lokale Bands. Doch für drei Tage wurde sie im Sommer zum geheimen Ort, an dem sich 50 Mitglieder des ehemaligen Syrian national Orchestra trafen, um zusammen mit Mastermind Damon Albarn, und 40 weiteren Gastmusikern für eine ganz besondere Tour zu proben.
"Ich bin 2008 das erste Mal in Damaskus gewesen, und hatte eine tolle Zeit dort. Später habe ich dann mit meiner Band Gorillaz dort ein Konzert gespielt, und einige Mitglieder mit auf Tournee genommen. Sechs Monate später brach der Krieg in Syrien aus, und da war ich dann: Verstört und traurig und entsetzt! Und alles was ich wollte, war irgendwie wieder Verbindung mit meinen Freunden dort aufzunehmen. Und diese Tour erschien mir das einzige Mittel das alles, auch den Verlust der Protagonisten, auszudrücken! Mit Musik eben!"
Schwieriges Wiedersehen
Die Stimmung ist eigentlich nicht beschreibbar. Energiegeladen, gespannt und sehr emotional. Aber immer positiv! Der Krieg zerstreute das Orchester in alle Herren Länder und so haben sich einige Mitglieder bis zu fünf Jahre nicht gesehen. Am schwierigsten ist das für die Geschwister des Dirigenten und Orchesterchef Issam Rafea, der nicht dabei sein konnte. Er hat in den USA Flüchtlingsstatus beantragt, wartet noch auf seinen Bescheid und solange darf er nicht ins Ausland reisen. Seine Geschwister sind auch Mitglieder des Orchesters, leben aber noch in Damaskus und hätten sich gefreut ihn zu sehen. Doch bei vielen anderen klappte es dann doch. Firaz Sharistan ist Kanunspieler. Das ist ein Saiteninstrument - auch orientalische Zither genannt - und erinnert ein bisschen an eine Harfe. Sharistan bringt die Stimmung der Wiederbegegnung auf den Punkt.
"Als wir uns nach all den Jahren wiedergesehen habe, das war wunderschön! Absolut unbeschreiblich! Ich kann es gar nicht in Worte fassen. Aber gleichzeitig ist es auch irgendwie traurig. Denn in 10 Tagen geht jeder wieder seiner Wege. Einer geht nach Deutschland, der andere nach Dänemark oder Syrien, und niemand weiß, wann wir uns das nächste Mal wieder sehen werden."
Sharistan selbst lebt mittlerweile mit seiner Familie in Stockholm. Während er zuerst sein Instrument erklärt, und danach eine Kostprobe seines Könnens gibt, schaut er traurig melancholisch in die Luft. So als ob er mit seiner Musik eine tiefe Melancholie in die Welt schreien will.
Und genau so klingt auch das Album, was aus den Live-Mitschnitten entstanden ist. Traditionelle syrische Stücke treffen auf Spoken Words aus Marokko - mauretanischer Gesang trifft auf arabischen Rap.
Arabische Musik als Herausforderung
Eine der wenigen arabischen weiblichen MCs ist ebenfalls mit dabei. Sie heißt Malika, auf Deutsch Königin also. Sie rappt über die Arabische Gesellschaft, und das Bild der Frau in der arabischen Welt. Als Tochter einer relativ konservativen Familie algerisch-libanesischer Herkunft musste sie erst mal ganz schön kämpfen, um ihre Eltern davon zu überzeugen, dass sie die Musik als ihren Lebensweg auserkoren hat. Sie rappt aber auch über die Politik in den arabischen Ländern.
Aber auch namhafte Künstler wie Paul Weller sind dabei um zusammen mit Damon Albarn und dem Orchester z.B. eine vollkommen neuartige Version von "Blackbird" von den Beatles zu performen.
Damon Albarn:
"Es gibt manchmal Probleme, die orientalische und die westliche Musik miteinander zu verzahnen, aber ich versuche dann immer, der arabischen Musik den Vortritt zu geben, damit die Leute sie kennen lernen."
"Es gibt manchmal Probleme, die orientalische und die westliche Musik miteinander zu verzahnen, aber ich versuche dann immer, der arabischen Musik den Vortritt zu geben, damit die Leute sie kennen lernen."
Firaz Sharistan:
"Damon versteht die arabische Musik. Er weiß, wie er es schafft das Kanun so einzusetzen, dass der Song trotzdem Sinn macht, und das arabische nicht vollkommen deplatziert erscheint. Aber das erst mal hinzukriegen, ist nicht einfach."
"Damon versteht die arabische Musik. Er weiß, wie er es schafft das Kanun so einzusetzen, dass der Song trotzdem Sinn macht, und das arabische nicht vollkommen deplatziert erscheint. Aber das erst mal hinzukriegen, ist nicht einfach."
Chorsängerin Mais Harb hat eine Mission. Ihr Mann musste für den Orchesterchef einspringen, und sie leitet den Chor.
Gegen den Krieg, für das Leben
"Es gibt kein Haus in Syrien, was nicht irgendeinen Menschen verloren hat, und betrauert! Und manchmal wollte ich mit der Musik aufhören, weil ich einfach vor Schmerz nicht mehr konnte. Aber dann hab ich mich irgendwann aufgerafft, und habe weitergemacht! Um diese Toten zu ehren, muss ich weitermachen, und mit meinem Gesang den Terror bekämpfen! Um den Leuten da draußen zu zeigen, dass Syrien noch viel mehr ist, als ein Land, wo es Bomben und Mord gibt. Es ist ein Land mit einer wunderbaren Kultur, wo die Menschen das Leben lieben."
Für uns wenige Journalisten, die dabei sein dürfen ist es genau so spannend wie für die Musiker selbst. Der Funke springt über. Die Wiedersehensfreude, die Leidenschaft für und mit der Musik! Das erste Konzert in Holland ist überwältigend. Der Kreis schließt sich, denn nun sind auch die Zuschauer Teil dieses emotionalen Ereignisses.