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"The Wagadu Chronicles"
Neue Schwarze Fantasy

Das Computerspiel "The Wagadu Chronicles" möchte einen Kontrapunkt zu eurozentristischen Fantasy-Geschichten setzen. Das Rollenspiel verarbeitet dafür afrikanische Mythen und Erzählungen. Ein ambitioniertes Unterfangen, das nicht nur Schwarze Spielerinnen und Spieler ansprechen möchte.

Von Sarah Fartuun-Heinze |
Auf dem Bild sieht man Schwarze Krieger, die ein dämonisches Wesen jagen
Ein Screenshot aus dem Computerspiel "The Wagadu Chronicles" (Twin Drums)
"Was wäre, wenn Tolkien Schwarz gewesen wäre?"
J. R. R. Tolkien hat unsere Vorstellung von fantastischen Welten nachhaltig geprägt. Doch was wäre, wenn Mittelerde nicht von blonden Elben und schwarzen Orks bevölkert wäre? Allan Cudicio, Gründer des Berliner Indiegamestudios Twin Drums hat zusammen mit seinem Team die Antwort auf diese Frage spielbar gemacht. "The Wagadu Chronicles" ist ein Afrofantasy-Rollenspiel, das sich von eurozentrischen Fantasy-Narrativen lossagt, basierend auf afrikanischen Kulturen, Mythen und Erzählungen.
Ein Computerspiel ohne Rassen
Und noch etwas ist anders bei "The Wagadu Chronicles". In dem Spiel existieren keine Rassen, erklärt Allan Cudicio:
"'The Wagadu Chronicles' möchte damit aufräumen. Es gibt nur eine Rasse: Menschen. Aber es gibt Arten, wie sich Ahnen und Geister in deiner Erscheinung manifestieren: Vielleicht wachsen dir Hörner, du hast Macht über Feuer oder dir wachsen Flügel."
"Rassen" werden in "Wagadu" zu "Lineages", Abstammungslinien. Davon inspiriert blickte Allan Cudicio bei der Entwicklung des Spiels in seine eigene Abstammungsgeschichte zurück. "The Wagadu Chronicles" ist auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie.
"Ich bin zur Hälfte ghanaisch und zur Hälfte italienisch. Für mich war es immer wichtig, beide Aspekte von mir zu kennen. An einem bestimmten Punkt in meinem Leben wurde mir klar, dass ich über Europa so viel mehr wusste, und ich wollte mehr über Afrika erfahren. Zum Glück wusste ich schon ein paar Dinge. Meine Familie hatte mir ein paar Geschichten erzählt, aber ich wollte tiefer eintauchen."
Bis Spielerinnen und Spieler in die Welt von Wagadu eintauchen können, dauert es zwar noch ein wenig, die finale Veröffentlichung ist für Ende 2022 geplant. Einblicke in das Spiel sind aber jetzt schon möglich. Im Interview lädt Allan Cudiccio zu einem virtuellen Spaziergang ein, vorbei an Tiergeistern, Totems, durch die Savanne und in den Regenwald. Im fertigen Spiel, erläutert Cudiccio, wird es nicht nur einen Tag-Nacht-Wechsel geben, es wird auch unterschiedliche Jahrezeiten geben: Trocken- und Regenzeit. Das hat folgenden Grund: "Die meisten Spiele sind sehr eurozentrisch, vorallem Fantasy-Games. Jahreszeiten bedeuten: Schnee, Winter, Frühling. In diesem Spiel bedeuten die Jahreszeiten trocken oder Regen."
Mehr Diversität in Rollenspielen
Das Bestreben, mehr Diversität in Rollenspiele zu bringen und alternative Geschichten zu erzählen, verfolgen auch andere Entwicklerinnen und Entwickler. Das Spiel "Pillars of Eternity 2: Deadfire" etwa verlegt die Handlung in ein karibisches Szenario. Das hat zur Folge, dass im Spiel mehr PoC auftreten und traditionelle Fantasy-Tropen umgangen werden. Doch ist "The Wagadu Chronicles" ein Spiel exklusiv für Schwarze Spielerinnen und Spieler?
Im Juni dieses Jahres hat Riot Games das "Underrepresented Founders Program" ins Leben gerufen. Ein Grund war die Black Lives Matter Bewegung. "Twin Drums" ist eines der ersten durch dieses Programm geförderten Studios und hat sich "Diversity is our Superpower" auf die Fahnen und in die Twitterbio geschrieben. Mit ihrem Debüt wollen sie Schwarze Lebensrealitäten sichtbar machen - aber ohne dabei exklusiv zu sein.
"Es ist eine Art Liebeserklärung für Schwarze Menschen in der ganzen Diaspora, in Afrika, überall, die sagen will: 'Hey! Deine Vergangenheit, deine Ahnen, wer du bist, hat wundervolle Abenteuer und fantastische Orte inspiriert!' Und gleichzeitig bedeutet es auch: 'Auch wenn du nicht afrikanischer Abstammung, noch nicht einmal PoC bist, du bist eingeladen, das hier zu genießen. Diese Welt ist groß und vielfältig, und es gibt genug Platz für alle."
Doch bis die Welt von "The Wagadu Chronicles" tatsächlich zu der digitalen Bühne wird, auf der Rollenspielerinnen und Rollenspieler aus der ganzen Welt sich begegnen, Abenteuer erleben und sich Monstern und Magie stellen können, dauert es noch ein wenig. Ob sich der afro-fantastische Traum von Allan Cudicio und seinem Team von einem Spiel, das durch seinen Rollenspielfokus besticht und durch seine Welt fernab von eurozentrischen Erzählweisen begeistert, erfüllt? Spätestens 2022 wissen wir mehr.