Laut Freiheitsindex des Instituts für Demoskopie Allensbach fühlen sich nur noch 36 Prozent der Deutschen in ihrem Leben frei. Vor knapp vier Jahren, vor Corona, war es noch mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Das habe vor allem mit einem erhöhten Angstlevel zu tun, sagte die Schriftstellerin und Philosophin Thea Dorn im Dlf. Vermehrte Ängste beobachte sie schon seit Längerem, aber durch die Pandemie sei ein anderes Level erreicht worden.
Dabei sei zwischen unterschiedlichen Ängsten zu unterscheiden: die Angst, an dem Virus zu sterben, die wirtschaftliche Existenz zu verlieren oder aber den tiefen Glauben an das freiheitliche liberale System. Die Schwierigkeit bestehe nun darin, dass man dazu neige, in eigenen Ängsten gefangen zu sein. "Das macht uns unfrei und nimmt uns die Chance, Verständnis für die anderen zu haben, deren Angstschwerpunkte woanders sind", so die Schriftstellerin.
Freiheit braucht Zuversicht und Lebensgelassenheit
Das Problem sei der Verlust einer gewissen Lebensgelassenheit. "Es wird schon irgendwie gutgehen – wenn dieses Urvertrauen angeknackst ist, ich fürchte, dagegen hilft auch kein Impfstoff. Verlassen wir uns ausschließlich auf Äußeres, verlieren wir immer mehr innere Resilienz: Ich weiß, ich bin von Gefahren umzingelt und trotzdem gehe ich nicht verängstigt durch die Welt."
Wer nur noch Hoffungslosigkeit habe und denke, es werde sowieso alles immer enger und schlimmer, könne nur noch eine "Glagenhumorfreiheit" entwickeln. "Eine triftige oder produktive Freiheit hat mit dem Glauben zu tun, dass ich Räume habe, was zu gestalten, mich auszudrücken, mit anderen wirken kann – und wenn das alles weg ist und ich verängstigt in der Ecke sitze und darauf warte, dass der nächste Maßnahmenkatalog erlassen wird, der mich angeblich schützt oder es auch eben gar nicht so wirklich tut, dann sitzt Freiheit als blasses Gespenst im Raum und hat auf jeden Fall ihre Strahlkraft verloren."
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