Euripides Stück mit seiner historischen und zeitlosen Anklage von Gewalt und Krieg wurde mehrfach für die Bühne bearbeitet, so von Franz Werfel 1914 und von Jean-Paul Sartre 1965. Warnung vor jedem Krieg war das Thema und ist es auch in der Version von Regisseur Bernhard Stengele und seinem Neuübersetzer Ulrich Sinn. In ihr werden einfache schreckliche Wahrheiten vom Chor der Frauen immer wieder aufs Neue wiederholt:
"Menschen töten Menschen. Menschen töten Menschen."
Beitrag zur Völkerverständigung
Allerdings will diese Produktion durch ihre Zusammenarbeit von Darstellern eines deutschen, eines griechischen und eines türkischen Theaters gleich als Beitrag zur Völkerverständigung funktionieren. Das wirkt etwas hochgestochen, zumal in Zeiten, in denen am Theater internationale Kooperationen allerorten selbstverständlich sind. Und auf die Inszenierung hat dies inhaltlich keine sichtbaren Auswirkungen. Zwar treffen bei dieser Zusammenarbeit sehr deutlich unterschiedliche Spieltemperamente aufeinander, aber ohne dass daraus Funken geschlagen werden. Und die Dreisprachigkeit, die wegen zweier französischsprachiger Altenburger Ensemblemitglieder zuweilen sogar eine Viersprachigkeit ist, bringt eher Probleme. Weil jede Figur von mehreren Darstellerinnen gesprochen wird, die nicht miteinander sprechen, sondern Zitate in anderer Sprache wiederholen. So entsteht beim Herumreichen von Informationssätzen und Zitatwörtern ein Automatismus des Aufsagens, der für Spannung und Dramatik keinen Raum lässt. Die gefangene Hekuba etwa klagt vor den Frauen so:
"Bin ich noch Königin..."
Durch einen Hof, in dem neben einigen Jahrmarktfiguren auch Geburts- und Grabtafeln zu sehen sind, betritt das Publikum die Bühne. Hier nimmt es Platz auf einer steilen Tribüne vor weißen Plastikvorhängen, die mit dem Stücktext in seinen drei Sprachen beschrieben sind.
Mehrsprachige Klage der trojanischen Frauen
Hinter dem Vorhang entsteht aus einem Gemurmel und Wortgewirr die mehrsprachige Klage der trojanischen Frauen. Vor dem Vorhang führen die beiden Boten und Wächter der Griechen lautmalerisch und pantomimisch einen kleinen Kampf auf, - Männer und Gewalt eben. Der eine wirkt im weißen Fell und mit mächtigem schwarzen Bart unterm Hut wie ein Schafhirte, der andere, als spielfreudiger, aber bewusst nicht immer der richtigen Aussprache der historischen Namen mächtiger Afrikaner, wirkt im modisch-eleganten Folkloremantel wie ein Globalisierungszeichen.
Wenn die beiden die Vorhänge wegreißen, öffnet sich der Blick auf den Zuschauerraum. Der ist vollständig ausgeschlagen mit blutig roten und farbigen Stoffbahnen. Hinter denen die Frauen hervorlugen und, nachdem sie ihre schwarzen Mäntel ausgezogen haben, in bunten Kleidern mit Vitalität und jugendlichem Temperament hervortreten. Gegen das Leid in den Worten von Frauen, die jetzt als Beute verteilt werden, setzt die Inszenierung den Optimismus eines Spiels von schönen, lebensvollen Frauen. Die auch die Rollenkonformität deutlich machen, in der sie zu leben gezwungen waren.
Kassandra triumphiert
Hekuba, Helena, Andromache und Kassandra bekommen größere Auftritte, wenn ihnen ihr Schicksal zugeteilt wird. Nur Kassandra triumphiert, weil sie weiß, was ihrem neuen Herrn Agamemnon für ein Schicksal droht:
"Ich bringe euch das Lied der Fackel."
Die Inszenierung versucht, das Redestück mit Tanz und Gesang, mit einer Cellospielerin und einem türkisch-griechischen Wechselgesang, -und immer wieder mit atmosphärischer Musik in spielerische Bewegung zu versetzen. So singen alle, wenn Andromache ihren toten Sohn Astyanax beweint, ein Requiem:
"Requiem Aeterna."
Eine rundum überzeugende ästhetische Form findet die Inszenierung leider nicht. Die Schauspieler kommen entweder nicht richtig ins Spiel, oder sie entgleiten ins Folkloristische. Es ist einer dieser Abende, dem man nicht böse sein kann. Weil er das Gute will, aber dabei viel zu brav ist.
Hoffentlich findet Regisseur Bernhard Stengele eine kräftigere theatrale Form für sein nächstes Projekt: In einer burkinisch-deutschen Koproduktion nach Euripides und Aischylos wird er die Katastrophe des Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia und den Untergang von 300 afrikanischen Flüchtlingen vor Lampedusa miteinander konfrontieren.