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Theater Basel
Zwei Uraufführungen rund ums Geld

Der Kanton Basel-Stadt schwimmt im Geld. Die Zahlen für 2015 seien noch besser als erwartet, wurde im Frühjahr gemeldet. Passend dazu hat sich jetzt auch das Theater in Basel zum Saison-Auftakt mit dem Thema Geld auseinandergesetzt. Zum einen mit einem Roman von Charles Ferdinand Ramuz, zum anderen mit einem Stück von Theresia Walser.

Von Cornelie Ueding |
    Nein, die immense Gefährlichkeit dieser Herrenrunde, die da alle zwei Monate zusammenkommt und die schlimmsten Befürchtungen aller Verschwörungstheoretiker übertrifft, hat Theresia Walser nicht herausgearbeitet. Aber sie macht die monströse Absurdität dieser Bank der Banker konkret fassbar, die sich bei genauerem Hinsehen als kapitalistische Weltmachtzentrale zur Steuerung der globalen Finanzströme entpuppt. Die Turmherrin Tronje hat sich mitsamt ihrer versteinerten Entourage in diesem exterritorialen Kokon einer fiskalischen Weltmachtpolitik nahezu spurlos eingemottet. Da ist der geschmeidige Youngster, der, von den zynischen Wallstreet-Wetten bereits gelangweilt, seine Obsession opportunistisch vorantreibt: Bargeldscheine seien doch nichts als Bakterienschleudern und gehören vernichtet! Daneben der frustrierte Theoretiker. Er kaut, während er spricht, unentwegt Sonnenblumenkerne und spuckt die Schalenreste sprühend, hustend wieder aus, als ließe sich damit der Schmerz über die Crashs kompensieren, die er, alle! vorausberechnet habe, die Experten aber ignoriert hätten. Schließlich der argentinische Newcomer, ein gegelter Pleitegeier, diabolischer Hochstapler und Intrigant, der sich selbstverliebt in Rage redet.
    "Europa – ne kleine Hämorrhoide am asiatischen Arsch...Aber wir sind ja nicht in Europa, hier, in diesem Türmchen...Mein Schwellenland ist über die Schwelle geschwollen...das Schwellenland, das Schwellenland, das schwillt jetzt außer Rand und Band!"
    Dazu das beflissene Service-Team. Eine Schwärmerin und eine Realistin, blonde Eminenzen und Teil des Inventars in einem, die glauben, alles und alle im Griff zu haben. Teresia Walser begnügt sich mit einigen wenigen Repräsentanten der brave new economy Welt - und das tut dieser auf Realitäten zielenden Groteske gut, denn sie kann, zusammen mit dem phantastischen Regisseur Sebastian Schug im Detail zeigen, wie zynisch, widersprüchlich und gebrochen, gespalten und kaputt die Typen sind, die faktisch über die Schicksale von Millionen verfügen. Und für die Politiker allenfalls Marionetten sind. Die Demokratie: eine Spekulations- und Illusionsblase für schweigende Mehrheiten. Gelenkt von dem derzeitig amtierenden Finanzweltpapst Mr. Greeper, um den alle satellitengleich kreisen. Hörige Trabanten, die "beiseite" grinsen, wenn er seine privaten und politischen Banalitäten absondert.
    So spielt es keine wesentliche Rolle mehr, dass er auf halber Strecke überraschend das Zeitliche segnet und seine zentrale Funktion am Abendmahlstisch nur mehr als vor sich hin starrende, bisweilen durch beflissene Helferhände zum Nicken gebrachte Marionetten-Mumie erfüllt. Der Gast aus den Schwellenländern, der betörend glamouröse Argentinier, nutzt die Gunst der Stunde als erster, mutiert in einer gespenstisch komischen Szene vom Underdog zum zukünftigen Weltenlenker – bis er von der Turm-Herrin effizient und schnörkellos zur Strecke gebracht wird. Und sie sich selbst inthronisiert. Die Regie schafft unzählige widersprüchliche, schnell umschlagende Momentaufnahmen und zeigt, welche Wirkung sie jeweils auf alle anderen Figuren haben. Und so ermöglichen brillante Schauspieler einen fiktiven Einblick in die Mechanismen einer absurd erscheinenden, konkret existierenden Gegenwelt.
    Aus dem sympathischen Gauner wird ein langmähniger Bergschamane
    Der zweite Premierenabend Farinet oder das falsche Geld ist eine Art alpines Gegenstück dazu. Aber die Regisseurin Nora Schlocker schafft es in ihrer völlig Ironie-freien, holzschnittartigen Inszenierung nicht, mit den Klischees dieser herzergreifenden Story um den verkannten Robin Hood der Berge, einen praktizierenden Geldfälscher, zu spielen. Dabei böte die Vita des gleichermaßen skrupellosen, trickreichen und irgendwie auch idealistischen Pioniers der Idee einer autonomen, alternativen Währung, eines vom Malstrom des Kapitals abgekoppelten demokratischen Geldes, weiß Gott anregende Ansätze: Filou und Außenseiter, Volksheld und Opportunist, Verschwörer und Überläufer - ein wahrhaft zwielichtiger Trickser, näher an Felix Krull als an Wilhelm Tell. Stattdessen erleben wir eine ästhetisch ambitionierte und artifiziell stilisierte Kunst-Urigkeit mit vielen bedeutungsschwer lastenden Pausen. Nach kurzen Ausflügen ins alpine Kunstgewerbe – Jodelfalsett und Schwinger-Rangeln inbegriffen – schlägt dieser Versuch dermaßen hart auf dem Bühnenboden der Heimat- und Freiheitsliebe auf, dass es weh tut.
    Reto Finger, der für die Dramatisierung des Sujets zuständige Autor, legt seinem Text die bereits um Veredelung bemühte Romanfassung von Charles Ferdinand Ramuz zugrunde. Und aus dem sympathischen Gauner mit den vielen Gesichtern wird ein bekennerhaft von Freiheit faselnder langmähniger Bergschamane. Posen eines empfindsamen Bergmystikers, der aus dem Schnürboden heruntergeklettert kommt, lange Blicke der Männerbündler, dazwischen Besäufnis, Geraufe und Intrigen in und vor der Holzhütte. Mehr Wildschütz Jennerwein als Finanztrickser. Schade.