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Theater-Festivals
Performance-Kultur bei "Foreign Affairs"

Das Tanz- und Theaterfestival "Foreign Affaires" widmet sich vor allem Spiel-Stilen jenseits des deutschen Stadttheaters und will Grenzgänge zwischen den Künsten präsentieren. Kreative Begegnungen von Musik, Theater und Performance gab es von der polnischen Sprech-Choreografin Marta Górnicka.

Von Michael Laages |
    Ein roter Theatervorhang
    Das Festival fand zum dritten Mal staat und ging über drei Wochen. (picture alliance / dpa - Marcus Brandt)
    Bis zum letzten Tag heute blieben verkohlte Reste der ehedem sechs Meter hohen Skulptur aus Stahl und Papier präsent am Eingang zum Festspielhaus in Berlin. Die Figur, eine Arbeit der Petersburger Kunst-Aktivisten, die die eigene Gruppe "Schto Delatj" nennen (nach Lenins programmatischer Revolutionsschrift von 1902), war in Wien zur Zeit der Festwochen entstanden und zeigte eine Art weiblichen Anti-Kriegs-Engel. Warum sie brannte? Wer sie angezündet hatte? Die Berliner Festspiele behielten bis zum Schluss die These aufrecht, dass es sich um ein politisch motiviertes Attentat handeln könnte, Polizei und Staatsschutz ermittelten angeblich, so die offizielle Lesart. Erheblich wahrscheinlicher aber ist spätestens seit gestern, dass "Schto Delatj" selbst im Spiel und die Verbrennung Teil des Berliner Projektes war – denn zum Finale inszenierte die Petersburger Gruppe eine Art szenischer Recherche über die verbrannte Skulptur.
    Fakten, Fiktion und Fantasie
    Wie diese Rosemarie (die sich hier in Position setzt zur Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche um die Ecke wie zum Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar) mimten knapp zwei Dutzend Workshop-Teilnehmer mögliche Attentäter; nachdem sie zuvor herum gefragt hatten im Saal nach möglichen Motiven für den Brand. Ein wenig arg schülertheaterhaft mischten die Petersburger auf diese Weise Fakten, Fiktion und Fantasie – und fügten dem eigenen, durch den neuen russischen Nationalismus motivierten Forschen über die zeitgenössische Bedeutung von monströsen Denkmalen eine eher schwachbrüstige Facette hinzu: mit viel Theorie, aber wenig Zeug zum Highlight.
    Erstaunlich dünn auch Julien Gosselins französische Fassung der "Elementarteilchen", also von Michel Houellebecqs schon etwas betagtem Skandal-Roman - wie hier im Anrufbeantwortertext von Bruno Clement, einer der Hauptfiguren in diesem Zeit- und Epochen-Panorama auf familiärem Fundament, arbeitet die Inszenierung aus Rennes eher brav und bieder die Materialien des Romans ab. Und schnell kommt Sehnsucht auf nach deutschen Versionen, von Frank Castorf etwa oder Johan Simons. Der amerikanische Autor, Regisseur und Selbst-Darsteller Zachary Oberzan bietet da das spektakulärere Frankreich Zitat.
    In Karaoke-Manier bringt er das Publikum dazu, "Je t'aime" mitzusingen, den Stöhn-Song von Jane Birkin und Serge Gainsbourg selig - der kollektive Chor ist Teil einer schön unübersichtlichen Beschwörung eigener Ängste und Krankheiten auf der Basis amerikanischer Pop-Musik, mit Whitney Houston, Paul Simon und Buddy Holly, Bruce Lee oder Jack Nicholson als Nebendarstellern. Allemal war das kurz vor Schluss eine der kreativeren Mixturen von Theater, Performance und Musik - ansonsten hatten "Foreign Affairs" mit diesem Schwerpunkt eher dokumentiert, wie geschickt mittlerweile avanciertere Pop-Bands Image und Aura des Theaters nutzen. Eigentlich stellen sie nur die neue CD vor; mit ein bisschen "Performance"-Garnitur allerdings stoßen sie aus der Kommerzialität in die öffentlich besser geförderte Hoch-Kultur vor. Diese Chuzpe hat mittlerweile Methode.
    Dabei gibt es natürlich die kreative Begegnung von Musik, Theater und Performance - etwa bei der polnischen Sprech-Choreografin Marta Górnicka.
    Marta Górnicka
    "Magnificat", Górnickas Chor-Arbeit mit Frauen, die die eigene Rolle in Polen kollektiv gegen Macht und Einfluss der Kirche stellten, war schon die Sensation beim Braunschweiger Regie-Festival "Fast Forward"; mit "Requiemaszyna" geht sie noch weiter - und montiert mit Texten aus der Zeit der großen Wirtschaftsdepression vor bald 100 Jahren den Kampf des Menschen mit der Maschine.
    Die Debatte um den selbstbewussten Menschen im Zeitalter immer noch besserer Maschinen wäre ein starkes Thema: für ein besseres Festival.