"Das ist unsere globale Temperaturkurve. Das da ist unsere Emission, also: Wie viel Gigatonnen CO2 stoßen die Menschen nach wie vor aus, seitdem es anfing, klar zu werden, dass das so nicht geht?"
Die Kurven verlaufen steil nach oben. Der Fachvortrag der Professorin Antje Boetius, die das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung leitet, lässt keine Zweifel zu. Die Erderwärmung ist nicht mehr zu stoppen, die Folgen für Natur und Klima sind jetzt schon verheerend. Das Thema ist längst auch im Theater angekommen. Ein Vorreiter war die Gruppe "Rimini Protokoll", die schon vor fünf Jahren am Hamburger Schauspielhaus eine "Weltklimakonferenz" inszenierte:
"Sehr geehrte Damen und Herren, verehrte Delegationen. Herzlich willkommen zur Weltklimakonferenz 2014. Sie sind nicht hier als normaler Hamburger Zuschauer in einem Theaterstück, sondern Sie sind heute Teil von 196 Delegationen in dieser Weltklimakonferenz."
Die Zuschauer mussten in der Produktion die Interessen spezifischer Länder vertreten. Sie wurden von Experten beraten, in Arbeitsgruppen eingeteilt und konnten selbst diplomatisch tätig werden: untereinander verhandeln, Allianzen bilden, Kompromisse finden. Das war ein riesiger theatraler Selbsterfahrungsparcours.
Augenzeugenberichte aus Krisengebieten
Über einen ganz anderen Zugriff auf das Thema berichtete gestern Natalie Driemeyer. Sie ist als Leiterin des Festivals "Odyssee: Klima" auf die Philippinen gereist und hat dort ein Theater besucht, das nach einem schweren Taifun Augenzeugenberichte zusammentrug:
"Wichtig ist in diesem Sinne, dass bestimmte Geschichten erzählt werden, die sonst nicht erzählt werden könnten. Die Produktion wird bis jetzt noch gezeigt und tourt durch die Philippinen."
Denn auch auf den Philippinen ist es so, dass einige Regionen extrem vom Klimawandel betroffen sind, andere nur sehr wenig. Dokumentartheaterproduktionen schaffen Solidarität und ein gemeinsames Problembewusstsein.
Verwelktes Basilikum in Mikrowelle
In Deutschland hat sich Tobias Rausch mit dokumentarischen Theaterproduktionen einen Namen gemacht. Er hat 1997 ein Stück über das Oder-Hochwasser herausgebracht und 2008 eine Recherche zu einer gefährlichen Situation im Kernkraftwerk Greifswald. In diesen Produktionen wurde überwiegend mit Augenzeugenberichten gearbeitet. Heute versucht Tobias Rausch, die Natur selbst zum Akteur zu machen. Am Schauspielhaus Hannover hat er gemeinsam mit der Gruppe "Lunatiks" mehrere Stücke herausgebracht, deren Helden Pflanzen waren. In einem wurden Experimente mit Basilikum durchgeführt.
Tobias Rausch: "Und ganz zum Schluss haben wir die Basilikumpflanze, die wir eine Stunde lang bespielt haben, in eine Mikrowelle gestellt und den Knopf angemacht - und innerhalb von Sekunden verwelkt die."
Genau diese Szene rief kontroverse Zuschauerreaktionen hervor - das findet Tobias Rausch auch mit Blick auf die Klimakrise interessant.
"Vielleicht können wir doch auf der Bühne ein anderes Verhältnis zur Natur [entwickeln]: Die Natur als nicht nur als Kulisse für uns Menschen, sondern als Mit-Geschöpf, das uns nicht egal ist. Vielleicht ist das doch irgendwie möglich."
Politischer Aktivismus
Möglich sind auch Inszenierungen, die zugleich politische Aktionen sind. Bei der Diskussion in der Heinrich-Böll-Stiftung saß auch eine Vertreterin der Gruppe "Ende Gelände" auf dem Podium, die durch die Besetzung von Braunkohle-Tagebauen auf sich aufmerksam gemacht hat.
Nike Mahlhaus: "Ich glaube, was wir brauchen, sind diese ganz großen Erzählungen, das Drama, es sind die großen Fragen, die wir hier verhandeln müssen. Und 'Ende Gelände' schafft diese Erzählungen, indem wir in die Gruben gehen, indem wir diese Bilder erzeugen. Wir haben ja auch einen Antagonismus. Wir sagen: Es gibt die Bösen. Die Regierung ist böse. Die Kohlekonzerne sind böse, weil sie unser Leben riskieren."
Populismus pur. Doch die Aktionsformen, die die Gruppe wählt, sind sehr theatralisch. Vielleicht lässt sich das eine oder andere ja wirklich in eine Inszenierung einbauen. Theaterzuschauer wollen berührt werden, rief Natalie Driemeyer den Diskussionsteilnehmern in der Heinrich-Böll-Stiftung zu. Ein perfektes Schlusswort:
"Deshalb setze ich mich ganz stark dafür ein, dass WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen einfach zusammenarbeiten und genau dieses Wissen mit der Emotion verbunden wird - weil: Sonst kann ich auch Artikel lesen."