"Heute Abend lassen wir zwei Geschichten aufeinander los, die hundert Jahre auseinanderliegen. Wedekinds "Frühlings Erwachen" aus dem Jahr 1891 – "Möchte doch wissen, wozu wir überhaupt auf der Welt sind" – und Kids. Ein Film von Larry Clark, der 1995 in die Kinos kam. - "Hast du sie gefickt oder was?" - "Natürlich hab ich sie gefickt, Mann."
Jugendliche von heute treffen auf ein Dutzend grauhaariger Damen und Herren um die siebzig. Die verkörpern quasi das gealterte Personal aus Wedekinds "Frühlings Erwachen": den selbstbewussten Melchior, seine Schulkameradin Wendla, die ungewollt von ihm schwanger wird, und Moritz, der sich aus Angst vor Schulversagen erschießt. Mit blutüberströmtem Gesicht und gen Himmel gereckter Pistole entsteigt er als Greis seinem Grab – gleich zu Beginn und nicht wie bei Wedekind erst am Ende des Stücks. Regisseur Daniel Wahl hat die Szenen und Textbausteine munter durcheinandergeworfen und neu gruppiert, um das zentrale Thema des Abends auf den Punkt zu bringen: die Einsamkeit der Jugendlichen, ganz gleich ob damals in einer Welt sexueller Unterdrückung oder heute unter dem Druck einer übersexualisierten Medienwelt.
"Wo ist Mami denn? Nein, ich kann mich jetzt nicht mit dir unterhalten. Ach, ist auch nicht so wichtig, geh ruhig wieder fernsehen."
Die 13-jährige Jenny in Larry Clarks New-York-Film "Kids" ist in einer ganz ähnlichen Notlage wie die 14-jährige Wendla in Wedekinds Drama: Ihr "erstes Mal" geschieht eher gegen ihren Willen. Und es hat lebensbedrohliche Folgen. Denn der 15-jährige Terry hat Jenny mit Aids infiziert. Die beiden parallelen Handlungen, Theaterstück und Filmszenen, spielen abwechselnd vor überlebensgroßen Schwarz-Weiß-Porträts der Jugendlichen. So als würden wir einer Trauerfeier für die zu früh Gestorbenen beiwohnen. Bei Wedekind nehmen sie sich das Leben, bei Larry Clark sind sie innerlich tot.
"Jungfrauen find ich geil, die will ich ficken." - "Terry Mann, Darcy ist erst dreizehn." - "Ja ich weiß, aber Jungfrauen find ich einfach geil. Keine Krankheiten, keine ausgeleierte Muschi, kein Gestank, einfach nur reines Vergnügen. Ich bin süchtig nach der Scheiße, ich denk kaum noch an anderes."
Die drastischen Dialoge aus "Kids" erzielen eine ähnliche Schockwirkung wie vor hundert Jahren Wedekinds als obszön geltendes Jugenddrama. Soweit ist das Ganze klug kalkuliert. Aber es soll mehr sein, ein Abend für die ganze Familie: Das Zusammentreffen der Generationen auf der Bühne, Unter-Achtzehn und Fünfundsechzig-Plus, soll auch die verschiedenen Generationen im Publikum miteinander ins Gespräch bringen. Doch gerade die jungen Zuschauer sind enttäuscht.
"Meiner Meinung nach ist die Jugend zu oberflächlich dargestellt worden. Weil die Jugend sich nicht nur mit Sex und harten Schimpfwörtern auseinandersetzt, sondern mit viel mehr. Und ich finde, das ist ein bisschen verfehlt worden."
Staatstheater, bleib bei deinem Leisten, möchte man ausrufen. Das Schauspielhaus macht hervorragendes Jugendtheater auf seiner kleinen Bühne. Stücke von Ad de Bont oder Lutz Hübner begeistern und berühren dort weit mehr als das groß angelegte Laienexperiment gestern Abend. Laiendarstellern eine Bühne zu bieten, ist gerade in Mode. Aber zumindest dem Schauspielhaus steht es weitaus besser, sich auf seine klassischen Qualitäten zu besinnen.
Jugendliche von heute treffen auf ein Dutzend grauhaariger Damen und Herren um die siebzig. Die verkörpern quasi das gealterte Personal aus Wedekinds "Frühlings Erwachen": den selbstbewussten Melchior, seine Schulkameradin Wendla, die ungewollt von ihm schwanger wird, und Moritz, der sich aus Angst vor Schulversagen erschießt. Mit blutüberströmtem Gesicht und gen Himmel gereckter Pistole entsteigt er als Greis seinem Grab – gleich zu Beginn und nicht wie bei Wedekind erst am Ende des Stücks. Regisseur Daniel Wahl hat die Szenen und Textbausteine munter durcheinandergeworfen und neu gruppiert, um das zentrale Thema des Abends auf den Punkt zu bringen: die Einsamkeit der Jugendlichen, ganz gleich ob damals in einer Welt sexueller Unterdrückung oder heute unter dem Druck einer übersexualisierten Medienwelt.
"Wo ist Mami denn? Nein, ich kann mich jetzt nicht mit dir unterhalten. Ach, ist auch nicht so wichtig, geh ruhig wieder fernsehen."
Die 13-jährige Jenny in Larry Clarks New-York-Film "Kids" ist in einer ganz ähnlichen Notlage wie die 14-jährige Wendla in Wedekinds Drama: Ihr "erstes Mal" geschieht eher gegen ihren Willen. Und es hat lebensbedrohliche Folgen. Denn der 15-jährige Terry hat Jenny mit Aids infiziert. Die beiden parallelen Handlungen, Theaterstück und Filmszenen, spielen abwechselnd vor überlebensgroßen Schwarz-Weiß-Porträts der Jugendlichen. So als würden wir einer Trauerfeier für die zu früh Gestorbenen beiwohnen. Bei Wedekind nehmen sie sich das Leben, bei Larry Clark sind sie innerlich tot.
"Jungfrauen find ich geil, die will ich ficken." - "Terry Mann, Darcy ist erst dreizehn." - "Ja ich weiß, aber Jungfrauen find ich einfach geil. Keine Krankheiten, keine ausgeleierte Muschi, kein Gestank, einfach nur reines Vergnügen. Ich bin süchtig nach der Scheiße, ich denk kaum noch an anderes."
Die drastischen Dialoge aus "Kids" erzielen eine ähnliche Schockwirkung wie vor hundert Jahren Wedekinds als obszön geltendes Jugenddrama. Soweit ist das Ganze klug kalkuliert. Aber es soll mehr sein, ein Abend für die ganze Familie: Das Zusammentreffen der Generationen auf der Bühne, Unter-Achtzehn und Fünfundsechzig-Plus, soll auch die verschiedenen Generationen im Publikum miteinander ins Gespräch bringen. Doch gerade die jungen Zuschauer sind enttäuscht.
"Meiner Meinung nach ist die Jugend zu oberflächlich dargestellt worden. Weil die Jugend sich nicht nur mit Sex und harten Schimpfwörtern auseinandersetzt, sondern mit viel mehr. Und ich finde, das ist ein bisschen verfehlt worden."
Staatstheater, bleib bei deinem Leisten, möchte man ausrufen. Das Schauspielhaus macht hervorragendes Jugendtheater auf seiner kleinen Bühne. Stücke von Ad de Bont oder Lutz Hübner begeistern und berühren dort weit mehr als das groß angelegte Laienexperiment gestern Abend. Laiendarstellern eine Bühne zu bieten, ist gerade in Mode. Aber zumindest dem Schauspielhaus steht es weitaus besser, sich auf seine klassischen Qualitäten zu besinnen.