"Humanity is born in rebellion."
Mit dieser ebenso simplen wie grundlegenden Feststellung und mit dem Verweis auf immerhin Adam und Eva und Prometheus als den ersten Rebellen der Geschichte, eröffnete der griechische Geschichtsphilosoph Costas Douzinas bei "Wake up", der "Versammlung für ein anderes Europa" in der Münchner Muffathalle seinen Vortrag über Subjekte und Perspektiven des Widerstands.
Ein Bürger zu sein, heißt vor allem den Gehorsam zu verweigern, zu widersprechen und Demokratie überlebt gerade deshalb, weil sie einen integralen aufrührerischen Moment in sich trägt. Staatsbürgerschaft ist paradox, sie ist entweder konfliktiv oder sie existiert nicht.
Widerstand also nicht nur als Bürgerrecht, sondern als Bürgerpflicht. Wenn es denn angesichts der desolaten Zustände vor allem in den südeuropäischen Ländern, überhaupt positive Aspekte der europäischen Krise gibt, das wurde bei "Wake up" sehr deutlich, dann sind dies: ein neues Nachdenken über ein anderes, ein noch einmal zu denkendes Europa und: der sich neu artikuliert habende Widerstand. Und so standen denn auch vor allem die verschiedenen Formen des Protests im Mittelpunkt der Performances, Werkstattgespräche, Podiumsdiskussionen und Vorträge.
En la puta vida ...: "Du wirst in deinem verdammten Leben niemals ein Haus besitzen." Außerhalb Spaniens denkt man noch immer, alle Spanier hätten lange Zeit über ihre Verhältnisse gelebt und wären wie die Lemminge in die Immobilienblase gelaufen. Dabei formierte sich schon früh ein Spanien weiter Protest, der etwa bereits 2006 erfolgreich zu Demonstrationen vor den Rathäusern der Städte aufrief, um den Aufschrei "En la puta vida ..." mit der Lautstärke von Massenchören als eine Art Guinness-Rekord zu etablieren und damit auf ironische Weise auf eben diese Immobilienblase hinzuweisen. Es sind diese Projekte zwischen Kunst und Aktivismus, mit denen sich der Spanier Leonidas Martín Saura zusammen mit seinem Kulturkollektiv Enmedio internationales Renommee erworben hat.
Humorvoll, gewaltfrei, kreativ: So haben sich die neuen Formen der Störung und des Protests im Zuge der Krise etabliert, vor allem auch in der spanischen Bewegung des 15 de Mayo.
Dass die Debatte über die Neuorganisation und Neuorientierung der Gesellschaft dringend von Nöten ist, das haben die Proteste der jüngsten Vergangenheit zur Genüge gezeigt, ebenso wie die Tatsache, dass diese Debatte auch jenseits der etablierten Politik stattfinden muss. Und so ist es nur bezeichnend, dass die bisher sich eher wenig artikulierende Masse hinaus auf die Plätze geht, die seit Jahrtausenden die Orte sind für gesellschaftliche Kommunikation und Organisation. Passend dazu rief der griechische Geschichtsphilosoph Costas Douzinas bei "Wake up - der Versammlung für ein anderes Europa" schon mal das Ende einer Epoche aus:
"Womit wir in Südeuropa konfrontiert sind, und hier allen voran in Griechenland ist das Ende eines Machtsystems. Radikale Veränderungen können immer dann gelingen, wenn ein solches System am Ende ist und sich als obsolet erwiesen hat. Hegel hat das gesagt in Bezug auf die Französische Revolution. Ich sage nicht, dass sich morgen alles verändern wird, aber wir sind jetzt an einem historischen Punkt angelangt, an dem ein altes Kräftesystem am Ende ist und nur noch überleben kann in Form des 'dead man walking', mit anderen Worten, als jemand der überleben kann mit Hilfe von Kanzlerin Merkel, aber nach seinem Tod und damit: als Zombie."