Nach Auseinandersetzungen mit Flüchtlingen haben fremdenfeindliche Demonstrationen in Cottbus im vergangenen Jahr tausende Wutbürger auf die Straße gebracht. Organisiert vom Verein "Zukunft Heimat", Seite an Seite mit Neonazis und Hooligans. Mit dabei: Die AfD, laut Umfragen zweitstärkste Kraft in Brandenburg.
Zu einer Gegendemonstration von denjenigen, die anders über die Flüchtlinge in ihrer Stadt denken, kam auch Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch. Die SPD-Politikerin stammt aus Cottbus:
Zu einer Gegendemonstration von denjenigen, die anders über die Flüchtlinge in ihrer Stadt denken, kam auch Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch. Die SPD-Politikerin stammt aus Cottbus:
"Wir sind viele und wir wollen ohne Gewalt, ohne Hass und ohne Angst miteinander leben. Wir brauchen einen langen Atem, damit Cottbus das wird, was wir wollen: eine offene, eine gewaltfreie, eine fröhliche, eine bunte Stadt. Danke, dass Ihr da seid. Und jetzt marschieren wir los."
Die AfD auf Konfrontationskurs
Unterdessen ist die AfD im Brandenburger Landtag auf Konfrontationskurs mit der Kultur gegangen. Unmittelbar betroffen ist das Cottbuser Piccolo Theater für Kinder und Jugendliche. Stein des Anstoßes ist das Stück "KRG-Krieg" des Theaterjugendklubs, das sich mit dem Faschismus auseinandersetzt. In einer Kleinen Anfrage erkundigt sich AfD-Fraktions- und Parteichef Andreas Kalbitz, "wie viele Stücke mit dezidiert aktuellem gesellschaftlichen und oder politischem Bezug ähnlich dem Theaterstück ,KRG‘ in dieser Legislaturperiode im Piccolo aufgeführt" wurden.
Das Stück wurde wesentlich von den Jugendlichen selbst erarbeitet. Und viele der Jugendklub-Mitglieder sind auch außerhalb des Piccolo politisch aktiv. Theaterleiter Reinhard Drogla: "Das hat etwas zu tun mit dem demokratischen Grundverständnis. Und das demokratische Grundverständnis macht bei den Jugendlichen Bewusstsein: 'Ich beteilige mich an gesellschaftlichen Prozessen und an gesellschaftlicher Diskussion.' Das ist überhaupt nicht links. Das ist die Grundwertebasis, auf der wir arbeiten."
Soll die Kunst sich mit Politik beschäftigen...
Während viele Brandenburger Politiker die AfD-Anfrage klar als Angriff auf die Freiheit der Kunst werten, bleibt ein Aufschrei von Seiten anderer Cottbuser Künstler weitgehend aus. So wie die Kulturszene auf den Rechtsruck der Stadt und die Aufmärsche von Rechtsextremisten überhaupt bislang kaum reagiert habe, sagt Piccolo-Chef Drogla:
"Das ist meine Wahrnehmung. Ich erlebe relativ stark eine Tendenz hin zur Unterhaltung, zur Zerstreuung. Ich glaube nicht, dass man sich jeden Tag mit bestimmten Parteien beschäftigen muss. Ich denke, man muss sich aber viel stärker mit Demokratie und Humanismus beschäftigen. Die Kunst hat einfach den Auftrag, der Politik vorneweg zu laufen, Marken zu setzen. Und wenn diese Angebote fehlen, dann fehlt der Gesellschaft etwas."
"Das ist meine Wahrnehmung. Ich erlebe relativ stark eine Tendenz hin zur Unterhaltung, zur Zerstreuung. Ich glaube nicht, dass man sich jeden Tag mit bestimmten Parteien beschäftigen muss. Ich denke, man muss sich aber viel stärker mit Demokratie und Humanismus beschäftigen. Die Kunst hat einfach den Auftrag, der Politik vorneweg zu laufen, Marken zu setzen. Und wenn diese Angebote fehlen, dann fehlt der Gesellschaft etwas."
... oder sich gerade von ihr emanzipieren?
Damit ist auch Jo Fabian angesprochen, Regisseur, multimedialer Künstler und seit anderthalb Jahren Schauspiel-Chef am Staatstheater Cottbus. Kritiker monieren, in seinem Haus sei kaum eine Auseinandersetzung mit den aktuellen politischen Prozessen wahrzunehmen. Jo Fabian sieht das auch nicht als seine Aufgabe: "Den politischen Prozessen kann die Kunst sowieso nicht Herr werden. Die Wichtigkeit der Kunst ist ja gerade die Emanzipation von politischen Prozessen in der Wirklichkeit. Die Kunst beschäftigt sich im Moment mit dem Zeitraum in zehn bis in 20 Jahren. Das, denke ich, ist unsere Aufgabe."
Das sieht Bettina Jahnke ganz anders, die neue Intendantin des Hans-Otto-Theaters in der Landeshauptstadt Potsdam. Jahnke will jetzt ein Bündnis der Brandenburger Kulturschaffenden schmieden, um sich der Berliner "Erklärung der Vielen" anzuschließen: "Und ich finde das auch ganz wichtig, dass wir nicht nur als Künstler persönlich Haltung zeigen, sondern auch als Theater anhand unseres Spielplanes. Wir haben zum Beispiel von Stefano Massini ‚Occident Express‘ auf dem Spielplan, die Geschichte einer Flüchtlingsfrau. Ja, unser Spielplan ist politisch geworden, politischer als er vorher war und er wird auch noch politischer werden müssen."
Das sieht Bettina Jahnke ganz anders, die neue Intendantin des Hans-Otto-Theaters in der Landeshauptstadt Potsdam. Jahnke will jetzt ein Bündnis der Brandenburger Kulturschaffenden schmieden, um sich der Berliner "Erklärung der Vielen" anzuschließen: "Und ich finde das auch ganz wichtig, dass wir nicht nur als Künstler persönlich Haltung zeigen, sondern auch als Theater anhand unseres Spielplanes. Wir haben zum Beispiel von Stefano Massini ‚Occident Express‘ auf dem Spielplan, die Geschichte einer Flüchtlingsfrau. Ja, unser Spielplan ist politisch geworden, politischer als er vorher war und er wird auch noch politischer werden müssen."
... oder die Lebenswirklichkeit der AfD-Wähler ernst nehmen?
Rechtspopulisten und ihre Anhänger aus dem kulturellen Leben auszugrenzen, das hält Bettina Jahnke für den falschen Ansatz: "Mit Fakten werden wir sie nicht zurückholen, auch nicht, indem wir sagen: Wie könnt ihr so doof sein, die AfD zu wählen? Sondern wir müssen versuchen, ihre Lebenswirklichkeit ernst zu nehmen, wahrzunehmen. Nicht nur die Politik, auch wir Künstler müssen dahin schauen und bei allem Bio-Kaffee und Latte und bei aller schönen bürgerlichen Gemütlichkeit eben auch gucken, dass da nicht alle Menschen dran teilnehmen können."
Die Auseinandersetzung mit der AfD hat die Gesellschaft zumindest im Süden Brandenburgs gespalten und die Kunstszene nicht minder. Ob die philosophische Auseinandersetzung ausreicht, die sich nicht lautstark artikuliert? Im Sinne der Freiheit der Kunst wird auch jeder Künstler das für sich entscheiden müssen.
Die Auseinandersetzung mit der AfD hat die Gesellschaft zumindest im Süden Brandenburgs gespalten und die Kunstszene nicht minder. Ob die philosophische Auseinandersetzung ausreicht, die sich nicht lautstark artikuliert? Im Sinne der Freiheit der Kunst wird auch jeder Künstler das für sich entscheiden müssen.