"Hallo, das System wird jetzt aufgestartet."
Ein performativer Audio-Walk beginnt. Die Produktion "Arbeit 4.5" lädt die Zuschauerinnen und Zuschauer zu einem "Hör- und Lauffilm" durch zwei Züricher Stadtbezirke ein, mit der Frage: "Wie wollen wir heute und in Zukunft arbeiten."
"Du, ja du, genau dich meine ich, du der du mir zuhörst."
Nacherleben kann man den Audiowalk, eines der diversen Performance-Formate, die sich in den letzten Jahren etabliert haben, auf der Web-Seite "Spectyou", die sich als erster deutschsprachiger Theaterstreamingdienst versteht. Seine Geschäftsführerin Elisabeth Caesar erklärt den Hintergrund dieses Start-Ups.
"Spectyou als Idee ist entstanden, als ich noch Schauspieldramaturgin war am Stadttheater in Bern. Was mich und meine Kollegen total genervt hat, war, dass wir kein digitales Zuhause für Theater haben. Dass wir nicht die Möglichkeit hatten zu sehen: Was passiert im deutschsprachigen Raum in unserer vielfältigen Theaterlandschaft."
Neue Reichweiten
Videos von Theater- und Tanzaufführungen und Performances sollen zum Herzstück des Online-Angebots werden. Bislang luden Theatergruppen ihre Theatervideos für Promotion-Zwecke passwortgeschützt beispielsweise auf Vimeo hoch. Die werden dort natürlich nur sichtbar, wenn sich jemand aktiv dafür interessiert. Das will die Equipe um Elisabeth Caesar ändern.
"Man kann auf "Spectyou" als Theater oder als freie Gruppe eine komplett andere Reichweite haben. Außerdem wird man auf "Spectyou" Profile anlegen können, sich selber vorstellen können als Produktionsbeteiligte. Genauso wird darüber hinaus ein zeitgenössisches Archiv entstehen, welches belebt sein wird."
Performatives und Klassisches
Bislang finden sich auf der Seite Produktionen insbesondere von Kulturzentren wie der Dampfzentrale und dem Schlachthaus Theater in Bern, dem Berliner Ballhaus Ost und den Sophiensälen, der Roten Fabrik Zürich oder der Salzburger ARGE Kultur. Vor allem viel Performatives. Aber mit dem Theater Oberhausen ist auch ein klassisches Stadttheater vertreten, das hier eine "Salome"-Inszenierung aus dem Jahr 2019 vorstellt.
"Das Neugeborene wird seine Hand in das Nest des Drachen legen und die Löwen führen an seiner Mähne.
Wer ist das denn?
Der Prophet.
Wie heißt er
Jochanaan!"
Wer ist das denn?
Der Prophet.
Wie heißt er
Jochanaan!"
"Natürlich sollen auch die großen Produktionen der staatlichen Theater zu sehen sein, die der Stadttheater wie aber eben auch der freien Szene. Es geht uns ganz klar auch darum, dass hier kein Unterschied gemacht werden soll. Jede Gruppe, jede Institution kann frei wählen, welche Produktionen sie hochladen wollen, egal ob aus dem Bereich Schauspiel, Tanz oder Performance. Es geht uns um eine Form der Demokratisierung. Es geht uns um Gleichberechtigung: dass bekanntere Produktionen neben Unbekannteren und andersherum stehen."
Phantastisch anmutende Abopreise
Vielleicht ist man coronabedingt doch zu früh an den Start gegangen. Denn bislang sind nur 14 Produktionen bei "Spectyou" zu sehen, das einmal eine Mischung aus VOD-Plattform und Theaternetzwerk werden will. Ob die ganz großen Häuser mitspielen werden, wird sich zeigen. Die Beta-Phase ist der sympathisch-übersichtlichen Seite mit erfreulich ruckelfreiem Player noch anzumerken. So enden einige Trailer mit Youtube Videoempfehlungen. Jeder Klick ins Playerfenster führt dann natürlich sofort weg von der "Spectyou"-Seite ins Unergründliche der Videodatenkrake.
Nach dem derzeit kostenlosen Angebot der Einführungsphase will "Spectyou" künftig auf Wunsch einzelne Videos zeigen, setzt aber, wie viele andere VOD–Plattformen auch, vor allem auf das Abonnementsmodell. Etwas phantastisch muten allerdings die Preise an: Nach einer Einführungsphase soll ein Einzelaufruf sechs Euro kosten, das Monatsabo 18 Euro. Für dieses Geld kann man locker Netflix und Amazon Prime abonnieren und kriegt als Zugabe noch das Indie-Dok-Filmlabel Realyz dazu. Die Theatergruppen, deren Content schließlich das Kerngeschäft der Seite begründet, sollen erst Geld sehen, sobald Spectyou Überschüsse erwirtschaftet.