Der Journalist Dietmar Dath hat sicher viele Gaben. Mit seiner Schwäche für Pop, Physik und Science Fiction ist er im Feuilleton ein origineller Außenseiter und beweist zudem, dass man auch als Marxist bei der FAZ arbeiten kann - wo das theoretisierend-verwurstelte, hypotaktisch-hyperaktive Schreiben noch immer gern gesehen ist. Von Theater allerdings versteht Dath offenkundig überhaupt gar nichts; Dramaturgie, Personen, Geschichten sind ihm Jacke wie Hose. Macht aber nix: In der Postmoderne kippen wir ja aufs Papier, was uns durchs akademisch vorgebildete Hirn rauscht, verteilen das auf vier Figuren, und fertig ist ein Theaterstück.
"Farbenblinde Arbeit" heißt es, und es wird notdürftig zusammengehalten durch ein wenig Szene-Jargon und die abstruse Geschichte von Sofie, die wegen politischer Inkorrektheiten nicht nur aus dem Filmclub fliegt, sondern auch aus einer WG ausziehen muss. Fortan macht sie Kunst im Knast, sehr emanzipatorisch, während ihre ehemalige feministische Freundin Michelle an einer Brille für Schizophrene arbeitet - durch "affektives Programmieren" soll deren Weltsicht wieder ins Lot gebracht werden.
Irgendwann erklärt Dath uns seine eigene Ratlosigkeit
Später stellt sich heraus, dass Sofies Schwester Dunja im Knast "sexualisierte Gewalt angetan" wurde, so verschwurbelt nennt man das hier, woraufhin sie sich umbrachte. Das muss nun gerächt werden, ein Knastaufstand muss her, weil ja auch das Leben draußen nur ein Dasein im Freiluftgefängnis ist. Der Gefängnisdirektor aber will was von der kunsttherapeutisch tätigen Sofie, außerdem agiert er im Nebenberuf als Göttervater Zeus, keiner weiß warum. Und die aufmüpfige Sofie erklärt uns ihre ganz eigene Grammatikreform.
"Was? - Ich sammle für gegen Rassismus! - Nein, das geht nicht. Für gegen, das ist keine Grammatik. - O doch, das ist schlechte Grammatik! Und schlechte Grammatik ist besser als gar keine Grammatik! - Sind Sie von irgendeiner Organisation? - Ich bin Nelson Mandela…!"
Und so weiter. Von Nelson Mandela geht es zu der linken Tageszeitung "Junge Welt" und dem Ende des Printjournalismus, zu den unsicheren Beschäftigungsverhältnissen der Computergeneration, den Hofer Filmtagen. Selbst zärtliche Rendezvous dienen keinesfalls der Erotik, sondern lediglich der Alibi-Beschaffung. Irgendwann tritt Dietmar Dath selber auf, die Schauspielerin Dascha Trautwein malt sich einen zarten Schnurrbart an, und erklärt uns die Welt bzw. seine eigene Ratlosigkeit.
Die Wirkung ist sedierend
Die Wirkung dieses redundanten Szene-Geschwafels ist derart sedierend, dass man gelegentlich wohlig wegdämmert, bald aber durch das Geschrei auf der Bühne wieder in die trübe Gegenwart geholt wird. Denn Regisseur Robert Teufel vertraut angesichts der amorphen Textmasse auf Lautstärke und Körperlichkeit. Am Anfang schieben die vier Darsteller pantomimisch vier Koffer eine schräge leere Ebene hinan und lassen sie hinter der Bühne ins Nichts fallen. Das wäre im Grunde auch der adäquate Umgang mit der Stückvorlage gewesen. Da man die aber zur Uraufführung angenommen hat, setzt man im weiteren Verlauf auf Kunst.
"Ich bin Künstler. Ich kann nur Kunst. - Meine Mitbewohnerin macht Kunst im Knast. Da könnte er hinpassen. Aber sie wohnt nicht mehr bei mir. Und sie will meine Vorschläge nicht."
Je belangloser der Text, desto artifizieller die Spielweise. Beständiges Over-Acting statt Putzen der Datenbrille. Die vier bedauernswerten Darsteller Isabelle Barth, Dascha Trautwein, Sascha Tuxhorn und Matthias Thömmes agieren irgendwo zwischen Groteske und Kindertheater, es ist ein Graus. Der zahlreich erschienene Dietmar-Dath-Fanclub jedoch machte die Premiere zu einem umjubelten Heimspiel. Dafür, dass das Leben ein Knast ist, war es also richtig gemütlich in Mannheim. Entscheidend aber ist dann die dritte oder vierte Vorstellung: ob da noch jemand kommt?