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Theaterstück über Fall Weinstein
Keine Szene ohne Malkovich

John Malkovich spielt in London den Filmmogul Barney Fein, alias Harvey Weinstein. Das Stück "Bitter Wheat" ist zynisch und lustig - viel Neues über Männer wie Weinstein verrät es aber nicht. Im Zentrum steht die männliche Hauptfigur, alle anderen Schauspieler verblassen zu Stichwortgebern.

Von Marten Hahn |
June 13, 2018 - John Malkovich im schwarzen Anzug und weißen Hemd zeigt den Vogel während des Theaterstücks "Bitter Wheat" am Garrick Theatre, London.
John Malkovich im Theaterstück "Bitter Wheat" am Garrick Theatre, London (imago images / ZUMA Press / Brett Cove)
Barney Fein klingt nicht nur wie Harvey Weinstein, er sieht auch so aus. Kugelrund schlurft John Malkovich in "Bitter Wheat" als reicher, vulgärer Filmmogul über die Bühne. Und schon die erste Szene macht klar: Wir haben es mit einem Machtmenschen und Mistkerl zu tun. Da stiehlt der Filmproduzent ein Skript und schickt den Autor zur Hölle, ohne zu bezahlen.
Autor: "I was hired by you to create a script." – Fein: "I say you dogged it. I say you attempted to defraud me. And I say: Fuck you." – "I’ll see you in court." – "You won’t see me. But you’ll get to know my attorney, seeing them in depositions every day for the next fifteen fucking years."
Mächtiger Filmproduzent trifft junge Schauspielerin
Menschen sind Tiere, wird Barney Fein wenig später noch sagen. Tiere, die zur Jagd freigegeben sind. Womit sich das Stück seinem Kern, seinem MeToo-Moment zuwendet. In einem Restaurant trifft der Filmproduzent auf eine junge Frau, eine britisch-koreanische Schauspielerin, gespielt von Ioanna Kimbook.
Yung Kim Li: "Sorry, I’m a bit sleepy and I haven’t eaten." – Fein: "You haven’t eaten on the plane?" – Yung Kim Li: "Not in 27 hours." – Fein: "Let’s get some food into you. You need your strength. Do you like fish?"
Malkovichs Barney Fein überredet die junge Frau schließlich, mit auf sein Hotelzimmer zu kommen. Hier zieht der geschmeidige Manipulator bald andere Seiten auf. Als die Schauspielerin im Sitzen einschläft, beginnt der Filmproduzent sie auszuziehen.
Yung Kim Li: "What are you doing?" – Fein: "I was loosening your belt. You were breathing erratically." – Yung Kim Li: "What?" – Fein: "Now I’m going to drop my pants."
Das Foto zeigt den US-Schauspieler John Malkovich im Anzug in der Rolle des Filmmoguls Barney Fein. Er beugt sich zu einer jungen Schauspielerin, die vor ihm auf einem Sofa sitzt. Es ist die Schauspielerin Ioanna Kimbrook in der Rolle der Yung Kim Li. Es ist eine Szene aus dem Stück "Bitter Wheat" von David Mamet. Das Stück wird am Garrick Theatre in London aufgeführt. 
John Malkovich als Barney Fein alias Harvey Weinstein mit Ioanna Kimbrook als Yung Kim Li in 'Bitter Wheat' von David Mamet (Juni 2019). (picture alliance /dpa/Justin Ng/Retna/Avalon/Photoshot)
Kritik schon vor der Premiere
Schon vorab, noch bevor irgendjemand eine Zeile von "Bitter Wheat" gesehen hatte, hagelte es Kritik. Vor allem an Autor und Regisseur David Mamet arbeiteten sich die Bedenkenträger ab. Mamets öffentlicher Wandel in den letzten Jahren vom Liberalen zum Konservativen dürfte ihm dabei wenig geholfen haben. Dass da ein reicher, mittelalter Mann wie Mamet dem Monster Weinstein ein Theaterstück widme, gehe nicht, hieß es in englischen Medien. MeToo-Stoffe gehörten in die Hände weiblicher Autorinnen.
So bedenklich derart prophylaktische Entrüstung ist: Nach zwei Stunden "Bitter Wheat" ist man geneigt, dem zuzustimmen. Dabei ist das Ganze durchaus unterhaltsam. Wie es sich für einen Mamet gehört, sind die Dialoge poliert. Jeder zweite Satz ist eine Beleidigung, jeder dritte eine Pointe. Kaum jemand spricht länger als fünf Sekunden. Das Ergebnis ist ein verbaler Kugelhagel, ein Pointenfeuerwerk. Egal ob Malkovich mit Doon Mackichan auf der Bühne steht, die die abgebrühte Assistentin des Filmproduzenten spielt, oder mit Ioanna Kimbook.
Fein: "Do you know what I want for you?" – Yung Kim Li: "No." – Fein: "I wanna make you a star." – Yung Kim Li: "Thank you." – Fein: "What do I want from you?" – Yung Kim Li: "What?" – Fein: "I want you to give me a massage." – Yung Kim Li: "I wouldn’t know how." – Fein: "You’re Korean and you can’t give a massage?"
Keine Szene ohne Malkovich
Doch das Komödiantische ist nicht das Problem. Humor kann auch den härtesten Stoff veredeln. Das hat uns jüngst der Film "Three Billboards outside Ebbing, Missouri" wieder gezeigt. Das Problem ist, dass "Bitter Wheat" unterhaltsam, aber nicht raffiniert ist. David Mamet macht hier sehr konventionelles Theater. Das Bühnenbild ist wenig originell. Sehr gegenständlich werden die drei Schauplätze Büro, Restaurant und Hotelzimmer abgebildet. Und die Figur des Barney Fein erzählt uns nichts Neues über Männer wie Weinstein. Da hilft es auch nicht, dass John Malkovich den Filmproduzenten mit einer wunderbaren Mischung aus Aggressivität und Selbstmitleid durchs Stück treibt. Mamet schließt den Charakter nicht auf. Es fehlt an Tiefe.
Wer möchte, kann in "Bitter Wheat" zwei Stunden lang mit und über einen zynischen Menschenfeind lachen. Aber weil Mamet Barney Fein alias Weinstein ins Zentrum seines Stücks stellt – keine Szene ohne Malkovich – gehen auch fast alle Lacher von ihm aus. Alle anderen sechs Schauspieler werden damit zu Stichwortgebern, auch die zwei weiblichen Hauptrollen. Das ist dann doch mehr als unglücklich für ein Stück über das Raubtier Weinstein und üble Machtmänner.