"Seitdem ich zurückdenken kann, seit meinen ersten Lebensjahren, hatte ich Gespräche mit meinem Vater über Bildungsbenachteiligung."
Erhard Schulte hat in Duisburg den Bücherbus gestartet.
"Ich war immer sehr für das Pragmatische. Man muss positive Beispiele in die Welt setzen. Und wenn man etwas für Migranten und ihre Integration tun will, muss man ihnen direkt auf die Pelle rücken und ihnen verlockende Angebote auch machen, ja? Und das war damit eben geschehen. Die Idee war ja, ein kulturelles Angebot, in diesem Fall den Bücherbus, Migranten direkt vor die Nase zu setzen – mal schauen, wie sie reagieren. Und die Reaktion war positiv und ist sie bis heute."
Bücherbus startete als Angebot für Migranten
Erhard Schulte ist heute 77, ein wacher und aktiver Pensionär, dessen Herz noch immer für sein großes Thema schlägt: die Chancengleichheit. In den 70er-Jahren war er Beamter im Bildungsministerium. Damals hat er den Bücherbus in Duisburg Marxloh ins Leben gerufen. Der Stadtteil war schon damals bekannt für einen hohen Migrantenanteil.
"Damals, das muss man wissen, gab es für die Bundesbildungspolitik eine Art Aufbruch. Denn da war gerade eine Änderung des Grundgesetzes vorgenommen worden und der Bund hatte die Mitwirkungskompetenz bei der Bildungsplanung. Als erstes wurde von Bund und Ländern ein Bildungsgesamtplan entworfen, der ist dann 1973 verabschiedet worden."
"Damals, das muss man wissen, gab es für die Bundesbildungspolitik eine Art Aufbruch. Denn da war gerade eine Änderung des Grundgesetzes vorgenommen worden und der Bund hatte die Mitwirkungskompetenz bei der Bildungsplanung. Als erstes wurde von Bund und Ländern ein Bildungsgesamtplan entworfen, der ist dann 1973 verabschiedet worden."
Erste mobile Büchereien bereits in den 1920er-Jahren
In Nordrhein-Westfalen kündeten Kohle- und Stahlkrise vom baldigen Untergang dieser Industrien und das Land freute sich über Gelder vom Bund. Der forderte im Gegenzug mehr Einfluss. Schulte entdeckte ganz pragmatisch Chancen – und erzählt davon mit verschmitztem Grinsen.
"Als wir den Bildungsgesamtplan schrieben, war es sogar möglich, eine ganz bestimmte Zielsetzung für Fahrbibliotheken im Bildungsgesamtplan zu verankern – selbst solche Dinge!"
Fahrbibliotheken gab es in Deutschland schon seit den 1920er-Jahren. Aber fast nur in den großen Städten. Schulte wollte das Instrument verbreiten.
"Letztlich ist diese Fahrbibliothek in Duisburg auch ein Ergebnis dieser Mitwirkungskompetenz bei der Bildungsplanung, denn das eröffnete uns solche Möglichkeiten."
"Als wir den Bildungsgesamtplan schrieben, war es sogar möglich, eine ganz bestimmte Zielsetzung für Fahrbibliotheken im Bildungsgesamtplan zu verankern – selbst solche Dinge!"
Fahrbibliotheken gab es in Deutschland schon seit den 1920er-Jahren. Aber fast nur in den großen Städten. Schulte wollte das Instrument verbreiten.
"Letztlich ist diese Fahrbibliothek in Duisburg auch ein Ergebnis dieser Mitwirkungskompetenz bei der Bildungsplanung, denn das eröffnete uns solche Möglichkeiten."
Modellprojekt zunächst nur in ländlichen Gebieten
Über drei Jahre lässt Schulte die Fahrbibliotheken, wie die Bücherbusse offiziell heißen, zunächst mal übers platte Land rollen, als Modellprojekt.
"Und als das auslief, da wollte ich auf keinen Fall, dass die Sache jetzt einfach verhökert wurde, der Bus, und das Geld wieder an den Finanzminister ging. Ich wollte daraus ein neues gutes Projekt machen und lange schon hatte ich im Hinterkopf: man muss etwas direkt für Migranten tun in Deutschland, man muss ihnen mal ein Bücher-und Informationsangebot direkt vor die Haustür fahren und das ist mir dann gelungen, das in Duisburg zu etablieren."
"Und als das auslief, da wollte ich auf keinen Fall, dass die Sache jetzt einfach verhökert wurde, der Bus, und das Geld wieder an den Finanzminister ging. Ich wollte daraus ein neues gutes Projekt machen und lange schon hatte ich im Hinterkopf: man muss etwas direkt für Migranten tun in Deutschland, man muss ihnen mal ein Bücher-und Informationsangebot direkt vor die Haustür fahren und das ist mir dann gelungen, das in Duisburg zu etablieren."
Besuch von Nobelpreisträger Orhan Pamuk
Der Bücherbus in Duisburg fährt und fährt und fährt. Nicht mehr speziell für Migranten, sondern für alle. "Man hat sogar Kontakte zu großen Autoren hergestellt, zum Beispiel der Orhan Pamuk war auch mal in Duisburg, immerhin Nobelpreisträger für Literatur."
Marxloh gehört nach wie vor zu den 20 Haltestellen, die der Bus 2017 anfährt, erzählt Frank Losse, seit 20 Jahren auf dem Bücherbus.
"Der Bücherbus der hat heute 5.000 Medien im Angebot, sprich Romane, Hör-CDs, Zeitschriften, Comics, DVDs, Konsolenspiele, also von allem etwas."
Der aktuelle Bücherbus ist ein Senior auf der Straße, dieses Jahr wird er 20. Aber sein Nachfolger ist schon bestellt. Die Fahrbibliothek ist also kein Auslaufmodell. Inzwischen pensioniert, schaut Erhart Schulte heute noch gerne auf den Bücherbus.
"Der Bücherbus der hat heute 5.000 Medien im Angebot, sprich Romane, Hör-CDs, Zeitschriften, Comics, DVDs, Konsolenspiele, also von allem etwas."
Der aktuelle Bücherbus ist ein Senior auf der Straße, dieses Jahr wird er 20. Aber sein Nachfolger ist schon bestellt. Die Fahrbibliothek ist also kein Auslaufmodell. Inzwischen pensioniert, schaut Erhart Schulte heute noch gerne auf den Bücherbus.
Lebenslanger Einsatz für die Chancengleichheit
Eigentlich wollte er mal Professor für Altgriechisch werden. Heute ist er froh, dass es anders kam. Stattdessen hat er viele Projekte für Benachteiligte in der Bildung mit angeschoben. Das Thema beschäftigt ihn schon sein ganzes Leben.
"Seitdem ich zurückdenken kann, hatte ich Gespräche mit meinem Vater über Bildungsbenachteiligung – er nannte das nicht so – aber er hat mir immer wieder gesagt: 'Ich als Sohn eines Drahtziehers in einem Industriebetrieb, ich hatte nie die Spur einer Chance, obwohl ich der Beste in der Volksschule war, auf ein Gymnasium zu gehen.' Das hat sich bei mir ganz tief eingeprägt. Ganz tief. Das hat er mir immer wieder klar vor Augen geführt
"Seitdem ich zurückdenken kann, hatte ich Gespräche mit meinem Vater über Bildungsbenachteiligung – er nannte das nicht so – aber er hat mir immer wieder gesagt: 'Ich als Sohn eines Drahtziehers in einem Industriebetrieb, ich hatte nie die Spur einer Chance, obwohl ich der Beste in der Volksschule war, auf ein Gymnasium zu gehen.' Das hat sich bei mir ganz tief eingeprägt. Ganz tief. Das hat er mir immer wieder klar vor Augen geführt