Archiv

Theologie
Der Himmel über Berlin

Die deutsche Hauptstadt bekommt ein Institut für Islamische Theologie, gestern stellte die Humboldt Universität den Gründungsbeauftragten vor. Vielleicht ist das nur eine Zwischenstation auf dem Weg zu einer multi-religiösen Fakultät. Islamische, evangelische, katholische und jüdische Theologie unter einem Dach - ist das wünschenswert?

Von Carsten Dippel |
    Außenansicht der Humboldt-Universität zu Berlin.
    Außenansicht der Humboldt-Universität zu Berlin. (picture-alliance/ ZB)
    Berlin soll künftig ein herausgehobener Ort der Theologie sein. Immerhin kann die Bundeshauptstadt zumindest, was die Ausbildung evangelischer Pfarrer betrifft, auf eine lange Tradition zurückblicken. Ein echter Hotspot der Theologie ist Berlin bislang freilich nicht. Mit der Errichtung eines Instituts für Islamische Theologie will man diesem Ziel nun einen Schritt näher kommen. Die Präsidentin der Humboldt Universität, Sabine Kunst:
    "Wir nehmen uns der Aufgabe sehr gerne an, Islamische Theologie auch hier an der Universität zu etablieren und haben auch große Sympathien für Strukturen, in denen tatsächlich der Dialog der Theologien möglich ist."
    Wo das Institut für Islamische Theologie letztlich beheimatet sein wird und wie verknüpft mit den anderen Theologien, ist derzeit noch offen, sagt Uni-Präsidentin Kunst:
    "Wir werden uns mit den muslimischen Verbänden ein gemeinsames Vorgehen verständigen. Es ist mir wichtig, das mit der entsprechenden Achtung und Wertschätzung gegenüber den muslimischen Verbänden zu tun. Es ist für uns wichtig, tatsächlich hier an diesem Campus auch den Diskurs der Theologien zu ermöglichen und dafür werden wir eine Form finden."
    Bislang gibt es an der Humboldt Universität eine evangelisch-theologische Fakultät, an der Freien Universität ein Seminar für katholische Theologie und daneben in Potsdam die Jüdische Theologie. Doch welchen Stellenwert wird das Institut für Islamische Theologie haben, das nun eingerichtet wird? Wo wird es in welcher Struktur verankert sein? Über diese Fragen ist eine grundsätzliche Debatte entbrannt, die die Gesamtheit der Theologie in Berlin berührt. Überlegungen dazu gibt es schon länger. Durch einen Beitrag des evangelischen Theologen Rolf Schieder in der "Zeit"-Beilage "Christ&Welt" hat die Debatte auch öffentlich an Fahrt aufgenommen. Schieder fragt, ob es nicht gerade jetzt angebracht sei, über eine gemeinsame Fakultät nachzudenken, an der unter einem Dach sowohl evangelische, wie auch katholische, islamische und jüdische Theologie einen Platz fänden.
    Sabine Kunst sagt dazu: "Es hat ja auch was Faszinierendes, in Deutschland einen Ort zu haben, an dem der Diskurs der Theologien miteinander tatsächlich erfolgen kann. Ob das jetzt in Form einer Fakultät sein muss, da sind wir einfach etwas unterschiedlicher Auffassung."
    Signal über Berlin hinaus
    Mit dem Historiker Michael Borgolte wird jetzt ein anerkannter Experte der Beziehungsgeschichte zwischen Christentum, Judentum und Islam die Arbeitsgruppe zur Etablierung des Instituts Islamische Theologie leiten. Er ist selbst ist kein Muslim. Zum Wintersemester 2018 soll der Lehrbetrieb aufgenommen werden. Für den Berliner Senat ein Herzensanliegen. Steffen Krach, Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung in Berlin:
    "Wir als Senat haben ein großes Interesse, dass die Islamische Theologie in Berlin jetzt etabliert wird. Das ist jetzt erstmal das primäre Ziel. Und die darauffolgenden Schritte, ob dann zum Beispiel die katholische Theologie von der Freien Universität an die Humboldt Universität verlagert wird, das werden wir gemeinsam beraten und dann eine Entscheidung treffen."
    Schieders Idee einer religionsübergreifenden Fakultät, findet gleichwohl Gefallen beim Senat:
    "Ich glaube, dass das spannend wäre, die verschiedenen Theologien unter einem Dach zu haben und ich glaube, dass das auch ein Signal wäre weit über den Wissenschaftsstandort Berlin hinaus."
    Innerhalb der Theologischen Fakultät gibt es über die Idee einer Integration der anderen Theologien durchaus Differenzen. Momentan hält man sich mit Stellungnahmen jedoch zurück und verweist auf eine Arbeitsgruppe, die in Ruhe in den Gremien berät. Geduld mahnt auch Uni-Präsidentin Kunst an. Wobei man keine Präferenz für das ein oder andere Modell habe.
    "Mein Wunschmodell ist das Funktionieren, die Form ist nachrangig. Also der Auftrag, den wir als Universität angenommen haben, ist die Etablierung einer funktionalen Entwicklung für islamische Theologie, Ausbildung von Religionspädagogen usw. Wir haben uns nicht verpflichtet, das an einem bestimmten Ort und unter einem bestimmten Dach zu machen."
    Entscheidend ist bei all dem die Frage, was aus der katholischen Theologie wird, die bislang eher ein Schattendasein an der Berliner Freien Universität fristet. Als vergleichsweise kleines katholisches Seminar ist sie dort personell wie institutionell weniger gut aufgestellt, als es ihr vom Land Berlin einst 1986 mit fünf Professuren zugesichert wurde.
    "Es geht jetzt nicht um Goodwill"
    "Ich wünsche von ganzem Herzen, dass diese Frage nicht isoliert als ein islamisch-staatliches Problem gesehen wird, was es zunächst ist, sondern dass man eine größere Perspektive von Anfang an einbaut, die Frage heißt eben: Theologien in Berlin", sagt der Berliner Erzbischof Heiner Koch, der hier eine ganze Reihe von Herausforderungen sieht:
    "Wir brauchen ein Institut, in dem wir qualifiziertes Personal ausbilden. Ohne solch eine personelle Qualitätssicherung wird auf Dauer der interreligiöse Dialog auch in Berlin zu Ende gehen. Es geht jetzt nicht um Goodwill, sondern es geht um Substanz, es geht um inhaltliche Auseinandersetzung, das ist eine Verantwortung gegenüber einer qualitätsvollen Sicherung der Theologie und des Glaubens und seiner intellektuellen Begründung in dieser Stadt Berlin."
    Mit der vor drei Jahren gegründeten School of Jewish Theology in Potsdam existiert eine europaweit einmalige Ausbildungsstätte für Rabbiner und Kantoren an einer staatlichen Universität. Sie ist dort als eigenständiges Institut in die Philosophische Fakultät integriert. Für Rabbiner Walter Homolka, geschäftsführender Direktor des Instituts, bietet die Idee eines gemeinsamen Daches für alle Theologien in Berlin große Chancen.
    "Nun muss man ja sehen, dass international gesehen die Theologien alle sehr viel stärker vernetzt und verbunden sind, so dass also diese denominationelle Unterteilung nach Konfessionen sowieso deutschlandspezifisch ist. Also es ist durchaus ein Trend, wenn man das in einen engeren Zusammenhang brächte", so Homolka.
    An einem wie auch immer konkret ausgestalteten Berliner Projekt wolle man gern mitwirken, wenngleich die Jüdische Theologie auch künftig im Land Brandenburg beheimatet sein solle. Eine Kooperation mit den anderen Theologien in Berlin kann sich Homolka eher im Rahmen eines länderübergreifenden Zentrums vorstellen.
    Homolka: "Das heißt jetzt aber nicht, was manche befürchten, eine Multikulti-Fakultät, sondern eine Naheführung von unterschiedlichen Theologien, die aus diesem Naheverhältnis eine größere Kooperationsfähigkeit gewinnen."
    In die Frage der Ausgestaltung der Theologien in Berlin fließen staatskirchenrechtliche, hochschulpolitische Entscheidungen, strukturelle Überlegungen zusammen, die bei allem Charme der derzeit zirkulierenden Ideen sicher ihre Zeit der Umsetzung brauchen. Das politische Signal, Berlin mit Blick auf die Theologie deutlich aufzuwerten, ist in jedem Fall vorhanden. Letztlich geht es jedoch weit über strukturelle Fragen hinaus, sagt Rabbiner Walter Homolka:
    "Das sind Menschen, die in einer prägenden Phase ihres Lebens sind. Und da ist diese Erfahrung der Gemeinsamkeit wichtig. Auch die Erfahrung, miteinander im Gespräch zu sein. Dass man das Gemeinsame entdeckt, aber auch das Trennende."