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Therapie gehen Internet- und Computerspielsucht

Bis zu zehn Prozent aller Jugendlichen könnten nach vorsichtigen Schätzungen die klinischen Kriterien für eine exzessive Computernutzung erfüllen. Auf diese Entwicklung reagiert die neue Ambulanz für Spielsucht an der Mainzer Uni-Klinik. Doch der Umgang mit der Computerspielsucht ist schwierig, denn das Krankheitsbild ist noch nicht klar definiert.

Von Christoph Gehring |
    Es ist ein schwieriger Gegner, den sich die neue Ambulanz für Spielsucht an der Mainzer Uni-Klinik ausgesucht hat, denn ihr Schwerpunkt liegt auf der Behandlung von Internet- und Computerspielsucht. Und über die wissen Ärzte und Psychologen verhältnismäßig wenig, weil die Suchtgefahren, die vom Internet ausgehen, lange nicht ernst genommen wurden.

    Inzwischen ist klar, dass es eine Verhaltenssucht gibt, die vom Computer ausgeht. Doch das Bild ist noch unklar, so Professor Manfred E. Beutel, der Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Universität Mainz:

    "Die Computerspielsucht ist als Krankheitsbild noch nicht definiert. Es gab einen Vorstoß der American Medical Association, dies in das internationale Diagnoseinventar aufzunehmen, aber das ist erst mal abgelehnt worden aus dem Grund, dass es nicht genug Daten gibt. Aber immerhin gibt es einen Vorstoß und das ist jetzt in der Diskussion und ich denke, das wird sich in den nächsten Jahren dann auch präzisieren. "

    Neurowissenschaftliche Befunde deuten darauf hin, dass sich bei Computerspiel- und Internetsüchtigen Veränderungen im Gehirn abspielen, sogenannte "dysfunktionale Plastizitätsprozesse", wie sie auch bei Alkoholkranken und Cannabisabhängigen nachzuweisen sind. Die Krankheit wirkt sich auf die Psyche, auf den Körper und auf das soziale Umfeld aus, erklärt Klaus Wölfling, der Psychologische Leiter der neuen Suchtambulanz in Mainz.

    "Die psychischen Beeinträchtigungen sind also vor allem eine dysphorische Stimmung, also eine aggressive Stimmung insbesondere bei Verhinderung des Computerspiels, Unruhe, Nervosität. Körperlich haben wir so was wie die Veränderung des Schlaf-Wach-Rhythmus, Fehl- oder Mangelernährung. Und im sozialen Bereich haben wir Leistungseinbußen in der Schule oder im beruflichen Bereich und den Rückzug von Freunden, Bekannten – die melden sich noch drei-, viermal aber irgendwann nicht mehr wenn sie sehen, der Betreffende hängt immer nur noch vor dem Computer rum. "

    Es sind zu 85 Prozent männliche Jugendliche, die sich in den Internetwelten wie "Second Life" und "World of Warcraft" verlieren. Dort streifen sie sich ihr digitales Ich über und werden zusammen mit Tausenden von Mitspielern weltweit das, was sie im wirklichen Leben meistens nicht sind: Coole Jungs, reiche Macker, mutige Helden. Allerdings kann in der virtuellen Welt nur der Sozialprestige erlangen, der möglichst viel Zeit dort verbringt – eine Spielregel, die der Abhängigkeit Vorschub leistet.

    In einer ambulanten Gruppentherapie sollen die Patienten in Mainz den Weg in die Realität zurückfinde. Sie lernen, ihr Suchtverhalten zu analysieren und die Suchthandlung – also das Einloggen ins Internet und dessen Paralleluniversen – zu kontrollieren. Bewusst werden die Therapieteilnehmer jeden Tag wieder nach Hause entlassen, wo sie mit ihrem Suchtmittel – dem PC und dem DSL-Anschluss – konfrontiert sind. Das Ziel der Behandlung ist allerdings nicht ein Leben ohne Internet und ohne Computerspiele, denn...

    "...man kann nicht abstinent von PC und Internet, und ich denke man sollte auch nicht abstinent von Spielen sein, sondern es geht mehr darum, einen funktionalen Umgang damit wiederzuerlangen. "

    ...so Klaus Wölfling, der Psychologische Leiter. Auf 100 computerspiel- und internetsüchtige Patienten im Jahr ist die Mainzer Sucht-Ambulanz vorbereitet. Doch es könnten bald mehr werden: Verschiedene – allerdings nicht repräsentative – Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass bis zu zehn Prozent aller Jugendlichen die klinischen Kriterien für eine exzessive Computernutzung erfüllen, also abhängig sind. Klinikdirektor Manfred E. Beutel ist deswegen für die Zukunft wenig optimistisch:

    "Bereits unter den Grundschülern finden sich ja exzessive Computernutzer in großer Zahl, und wenn man mal die Zahlen anschaut der Internetnutzung – das hat ja explosiv zugenommen unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen – da ist meine Prognose sicher, dass das Problem noch erheblich zunehmen wird. "