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"Things I Found In Records"
Ein Instagram-Account für Vinyl-Freaks

Ein Instagram-Projekt zeigt verlorene Schätze, die Plattenliebhaber in ihrer Albumhülle vergessen haben: Scheidungspapiere, Drogen, Liebesbriefe oder Fotos. Der amerikanische Schallplattenhändler Jeff Ogiba hat die Objekte beim Durchforsten alter Plattensammlungen entdeckt und aufbereitet.

Von Sonja Beeker |
    Ein Screenshot des Instagram-Accounts
    Sorgt für Aufsehen - der Instagram-Account "things I found in records" (Deutschlandradio / Screenshot)
    "I don't know what we are going to find here - there is a strange photo – a man and a woman in a photo booth."
    Jeff Ogiba sitzt im Hinterzimmer seines Plattenladens Black Gold Record in Brooklyn. Er ist umgeben von meterhohen Stapeln alter Schallplatten, die noch sortiert werden müssen. Ogiba blättert in einem Ordner loser Papiere, Zeitungsschnipsel und Zeichnungen. Sein Blick bleibt auf einem Farbfoto aus den 80er-Jahren hängen, eine Portraitaufnahme.
    "Hier, guck Dir diesen jungen Kerl an, ein Junge in seinem Lieblingsfootballshirt. Er posiert für den Schulfotografen."
    Der Soundtrack zum Foto: Eine Single von den Temptations. Und automatisch kommen beim Betrachter Fragen auf. Wer ist der Junge auf dem Foto? Gehörte die Platte ihm? War er verliebt? Lebt er noch?
    Einblick in fremde Vergangenheiten
    Bei Instagram ist ein Foto zusehen, das Fundstück und Album zusammen zeigt, das Porträt des Jungen drapiert auf der Temptationsplatte. Fast 15.000 Follower hat Ogiba bereits. Das ist das Faszinierende an seinem Projekt. Der Betrachter gewinnt einen winzigen Einblick in die Vergangenheit eines wildfremden Menschen. Und den Rest versucht er sich zurecht zu reimen.
    Die Idee für Jeffs "things i found in records" Instagram-Projekt kam ihm, als er in einem Popeye-Album für Kinder eine alte vergilbte Zeitungsannonce entdeckte:
    "Gesucht: Weiblicher Zwergpudel, blind. Verloren im Cloves Lake Park – Ein alter blinder Pudel! Ich fand das herzzerreißend."
    Neben der Annonce fand Jeff eine Todesanzeige und menschliche Haare. Sein Interesse war geweckt und er begann zu recherchieren
    "Vielleicht hat der Besitzer sich diese Platte immer mit seinem Vater zusammen angehört? Ich hab rausgefunden, dass der Mann in der Todesanzeige in den 80ern ein Radioreporter war und dass sein Sohn nur wenig später auch gestorben ist. Das macht alles noch verrückter."
    "Eine Wissenschaft für sich"
    Bei einem Großteil der Schallplattenfunde handelt es sich um ausgeschnittene Zeitungsartikel. Die interessanteren Stücke sind die persönlichen Dinge, Scheidungspapiere, Haftbefehle, Fotos und Liebesbriefe. Jeff Ogiba hat über die Jahre einen siebten Sinn entwickelt für den Menschen, der hinter einer Plattensammlung steckt. Der 36-Jährige sieht sein Projekt als eine Art Schallplattenarchäologie.
    "Es macht Spaß, ist aber auch eine Wissenschaft für sich. Du guckst Dir ihre gesammelten Alben an und lernst viel über ihren Musikgeschmack, wann sie Musik gehört haben, wie sie drauf waren und wie sie sich verändert haben."
    Jeff Ogiba möchte noch eine Weile weiter sammeln und dann aus seinem Instagram-Blog ein Buch machen. Anfragen dafür gibt es schon, aber vorher will er die einzelnen Fundstücke noch genauer unter die Lupe neben. Ob die Dinge echt sind, dass hinterfragt Ogiba nicht. Er verlässt sich dabei auf die Aufrichtigkeit seiner Follower. Allerdings entpuppt sich vieles, was ihm Schallplattenliebhaber aus aller Welt zusenden, nach einiger Recherche als unspektakulär.
    "Viele Leute kontaktieren mich und sind total aufgeregt, weil sie etwas ganz besonderes gefunden haben wollen. Und dann stellt sich raus, dass die Postkarte von John Lennon zur Albumauflage dazu gehörte. Da gab es schon ein paar peinliche Momente."