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"This is London calling"

In Nigeria, den Vereinigten Staaten oder Australien ist das Radioprogramm zu hören: BBC World Service sendet weltweit und in 33 Sprachen. Vor 75 Jahren startete der Sender.

Von Henning Hoff | 15.12.2007
    Vor 75 Jahren, am 19. Dezember 1932, rief London zum ersten Mal die Welt. Der damals noch "Empire Service" genannte Auslandsdienst der British Broadcasting Corporation, BBC, nahm seinen Betrieb auf. Gründer und Ahnherr des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Sir John Reith, trat selbst vor das Mikrofon. Radio, sagte Reith, sei nicht länger ein Medium im Experimentierstadium, es werde einen wichtigen Platz rund um die Welt einnehmen.

    Reith hatte vor allem die "weißen" Dominions des britischen Weltreiches im Blick: Australien, Neuseeland und Kanada sollten die Bindung ans Mutterland nicht verlieren, doch schon Georg der Fünfte sprach wenige Tage später zu allen seinen Untertanen, und etablierte die Tradition der königlichen Weihnachtsansprache, die bis heute fortlebt.

    "Through one of the marvels of modern science, I am enabled, this Christmas Day, to speak to all my people throughout the Empire.”"

    Wegen des Aufstiegs Nazi-Deutschlands und Italiens und der zunehmenden Kriegsgefahr in Europa wuchsen dem Service bald neue Aufgaben zu. Der faschistischen Radio-Propaganda sollte die BBC mit Nachrichten und Information entgegentreten. Dazu wurde1938 ein arabischsprachiger Dienst gegründet, Sendungen in Spanisch und Portugiesisch für Lateinamerika folgten.

    Im Zweiten Weltkrieg entwickelte sich der BBC World Service dann mit Sprachprogrammen in babylonischer Vielfalt zur wichtigsten Nachrichtenquellen der Welt. Der "German Service" versorgte beispielsweise Hitlers Reich mit verlässlichen Informationen. Auf "London hören" stand die Todesstrafe, trotzdem schalteten wohl Millionen ein und schmunzelten bitter über den trockenen Witz von "Kurt und Willi", die den Deutschen 1944 die wahre Lage vor Augen führten.

    ""Heil Hitler, Kurt!"

    "Abend, Willi! Nimm Platz, bin gleich fertig."

    "Was machst du denn da, eine Landkarte? Du sondierst wohl die Lage?"

    "Jawoll, eine Niederlage."

    Mit Beginn des Kalten Kriegs machte der "BBC World Service" fast nahtlos weiter und konzentrierte sich nun auf die "gefangenen Zuhörerschaften" jenseits des Eisernen Vorhangs. Während das britische Weltreich Stück für Stück verloren ging, blieb der World Service häufig Nummer Eins für Nachrichten und Unterhaltung, gerade in Afrika und Indien. William Shakespeare klang in Hindi nicht weniger dramatisch als in Englisch.

    Dass 1989 die Berliner Mauer fiel und die Sowjetunion unterging, daran hatte wohl auch der BBC World Service einen gewissen Anteil, sagt Jerry Timmins, einer der drei Regionalchefs des Senders, verantwortlich für Afrika und den Mittleren Osten:

    "Wir haben natürlich eine Rolle gespielt bei der Verbreitung von Informationen, eine riesige Rolle in Bezug auf Osteuropa. Aber wir sahen es nie als unser Ziel an, die Sowjetunion zu Fall zu bringen oder so etwas in der Art."

    Mit dem Ende des Kalten Kriegs begann für den BBC World Service eine erst schleichende, dann rapide Transformation. Zahlreiche europäische Sprachdienste wurden geschlossen, darunter 1999 auch der deutsche. Dies hatte aber weniger mit den veränderten politischen Umständen als mit der Umwälzung der Medienlandschaften zutun. Prognosen über den weltweiten Gebrauch von Kurzwellen-Empfängern sagten dem Sender rapide sinkende Zuhörerschaften voraus. Der World Service drohte, aus dem Spur zu geraten.

    Die BBC hielt dagegen und baute unter anderem ihre UKW-Sender aus. Vor zwei Jahren begann dann der "Plan 2010": Zehn weitere Sprachdienste wurden kurzfristig eingestellt, vor allem osteuropäische Sprachen sowie Kasachisch und Thailändisch. Heute sendet der World Service neben Englisch nur noch in 32 Sprachen.

    Stattdessen wurde ein arabischer Rund-um-die-Uhr-Fernseh-Nachrichtenkanal für 2007 und einer in Persisch für das kommende Jahr angekündigt. "BBC Arabic", das Fernsehen, Hörfunk und Internetangebot vollkommen integrieren soll, startet nun aber wohl erst nach dem Jahreswechsel.

    Die Veränderungen sind wegweisend für den ganzen Dienst, sagt Jerry Timmins.

    "Der grundlegende Wandel, der mit dem ’Plan 2010’ angestoßen wurde, war die Einsicht, dass wir kein Radiosender mehr sind. Wir brauchen Radio nach wie vor in Teilen der Welt, wo es das vorherrschende Medium ist, aber in vielen anderen Teilen der Erde, wie dem Mittleren Osten, ist Fernsehen längst die erste Nachrichtenquelle. Wir haben gemerkt, dass wir eine Strategie brauchen, die Radio, Online und Fernsehen umfasst, um realistischer Weise darauf hoffen zu können, mit unseren Zuhörern in Kontakt zu bleiben und ihre Zahl langfristig zu vergrößern."

    Selbst wenn der World Service mit "BBC Arabic" nun hinterherhängt, die Strategie scheint aufzugehen. Mit zuletzt 183 Millionen wöchentlich weltweit hat der Sender so viele Zuhörer wie nie zuvor in seiner Geschichte. Besonders hohe Zuwachsraten verzeichnete der World Service zuletzt in Nigeria und in den Vereinigten Staaten. Zudem profitiert der World Service von der Globalisierung, der immer größeren Verbreitung des Englischen und dem Hunger nach internationalen Nachrichten.

    Im arabischsprachigen Raum macht er bald Sendern wie "Al-Jazeera" und "Al-Arabiya" Konkurrenz und wird, so die Hoffnung, gemeinsam die journalistischen Standards weiter heben.

    Die Herausforderung bleibt, sagt Jerry Timmins, sich weiterhin schnell anzupassen und stets die neueste Technik zu verwenden. Würde Lord Reith seine Schöpfung heute noch wiedererkennen?

    "Ich denke, ja, denn die Werte und Ziele haben sich seit den frühen Tagen kaum verändert. Eine der großen Stärken der BBC war stets, dass sie von Anfang an sehr klar gesagt hat, was ihre Mission ist, nämlich die Wahrheit zu sagen."