Dirk-Oliver Heckmann: Zwei Wochen ist es her, dass Verteidigungsminister Thomas de Maizière beim Drohnenprojekt Euro Hawk die Reißleine gezogen hat. Zwei Gründe wurden für die Entscheidung genannt, erstens verfüge der Euro Hawk nicht über einen automatischen Kollisionsschutz, ohne den er niemals eine Zulassung für den europäischen Luftraum bekommen hätte, zweitens hätten die Hersteller sich geweigert, die Baupläne herauszugeben, ohne die eine solche Zulassung auch nicht möglich ist. Beides wurde inzwischen vonseiten des Herstellers bestritten. Welche Seite auch immer recht hat, wer welche Verantwortung für das Millionendebakel trägt, darüber soll der Bericht Auskunft geben, den Thomas de Maizière für den 5. Juni angekündigt hat. Jetzt tauchen aber neue Fragen auf, die dazu führen, dass der Druck auf den Minister nicht nachlässt, im Gegenteil. Dazu jetzt am Telefon Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD der Bundestagsfraktion. Schönen guten Morgen!
Rainer Arnold: Schönen guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Bleiben wir beim Thema Euro Hawk zunächst, Herr Arnold: Der "Spiegel" berichtete, Bundeswehrprüfer hätten bereits im Jahr 2009 Alarm geschlagen, der Hersteller habe keine Bauunterlagen zur Verfügung gestellt, bei einem Test des Kraftstoffsystems sei ihnen der Zutritt verwehrt worden und auf Druck des Verteidigungsministeriums habe ein Beamter die Tests für die Zulassung vorgenommen, obwohl er gar nicht mehr zuständig war. Sind Ihnen diese Vorgänge bekannt und was würde das bedeuten, wenn das sich bewahrheiten würde?
Arnold: Diese Vorgänge sind uns nicht bekannt. Es ist so, dass über all die Jahre dem Parlament überhaupt nichts von Problemen berichtet wurde. Aber wenn man den Vertrag anschaut, der im Jahr 2009 abgeschlossen wurde, ist dort eindeutig gegenüber dem Parlament erklärt, dass die Zulassung, dass die Qualifikation sowohl des Trägersystems, also der Drohne, und des Missionssystems, also dieser Sensorik, komplett erfolgen muss und im Leistungsumfang enthalten ist. Und gleichzeitig wurde uns geschrieben, dass Zahlungen nur erfolgen dürfen, wenn die Systeme auch funktionieren und abgenommen sind. Das heißt, die Frage, warum wurde überhaupt Geld bezahlt, wenn es solche Probleme gibt, die ist eigentlich nicht sehr kompliziert zu beantworten und da warten wir schon drauf, dass der Minister dann in den nächsten Tagen mal was dazu sagt.
Heckmann: Wie ist denn Ihre Antwort?
Arnold: Ich habe die Antwort nicht, wir haben diese Informationen nicht. Wir haben der Bundesregierung jetzt, weil wir nicht so lange warten können – das macht ja keinen Sinn, dass täglich neue Fragen entstehen, aber keine Antworten gegeben werden –, der Bundesregierung Fragen gestellt, die müssen am heutigen Tag beantwortet werden. Wir erwarten also heute die Antwort auf 18 unserer Fragen durch die Bundesregierung.
Heckmann: Die Frage ist ja auch, wie groß ist der Schaden. Es wurde jetzt berichtet am Wochenende von diesen über 500 Millionen Euro Entwicklungskosten plus 94 Millionen Euro offene vertragliche Verpflichtungen, so wurde das genannt. Und jeden Monat überweist die Bundesregierung offenbar 3,3 Millionen Euro an die Herstellerfirma. Müssen diese Zahlungen gestoppt werden?
Arnold: Die Zahlungen müssten gestoppt werden. Wenn die Leistungen nicht erbracht werden – und so hat uns der Staatssekretär Beemelsmans in der letzten Ausschusssitzung berichtet, dass die Leistungen nicht erbracht werden –, dann darf auch kein weiteres Geld mehr fließen. Also, die Erwartung ist schon, dass sofort gestoppt wird, dass auch Regressansprüche natürlich geprüft werden. All die Dinge müssen sofort geschehen und können nicht mehr bis zum Juno warten.
Heckmann: Diese Zahlungen werden ja damit begründet, dass ein Teil des Systems ja noch weiter verwendet werden kann möglicherweise und weiter getestet werden muss, und deswegen erfolgen diese Zahlungen.
Arnold: Also, ich glaube, dass diese Erklärung eher ein Placebo ist. Dieses System des Getestetwerden-Sollens wird nach unserer Information eben nicht bis Ende September ausgetestet sein, wie uns berichtet wurde, sondern die Qualifikation der Sensorik würde weitere Monate in Anspruch nehmen und würde auch ganz erheblich weiteres Geld kosten. Hier habe ich eher den Eindruck, dass uns die Bundesregierung auch in jüngster Zeit nicht korrekt informiert hat.
Heckmann: Herr Arnold, der Euro Hawk ist Geschichte. Was ist jetzt mit dem Global Hawk, das ist ja auch eine Drohne, die die NATO beschaffen möchte, Deutschland ist da mit 480 Millionen Euro, mit weiteren 480 Millionen Euro beteiligt. Droht da das nächste Debakel?
Arnold: Die Sorge ist sicherlich berechtigt, weil die Frage muss geklärt werden: Darf dieses System Global Hawk, das ja in Sizilien stationiert werden soll, im europäischen Luftraum auch tatsächlich eingesetzt werden? Und die zweite Frage ist, was hat die NATO überhaupt damit vor? Ein unbemanntes Flugzeug ist rechtlich nicht anders zu behandeln, wenn es über fremdes Gebiet fliegt. Das heißt, man braucht überall Überflugrechte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Länder im arabischen Raum der NATO die Überflugrechte für unser Spionagesystem erlauben. Hat die NATO vor, rechtswidrig dieses System im hohen Luftraum einzusetzen? All die Fragen wurden bisher nicht geklärt.
Heckmann: Sie haben ja dem Minister ein miserables Krisenmanagement vorgeworfen, aber mit Rücktrittsforderungen halten Sie sich zurück. Liegt das auch daran, dass es sich um ein altes Projekt handelt, an dem auch Sozialdemokraten beteiligt waren, auch als Verteidigungsminister?
Arnold: Nein, das liegt nicht daran. Der Vertrag wurde übrigens nicht von Sozialdemokraten als Verteidigungsminister abgeschlossen, sondern Minister Jung hat damals zur Zeit der Großen Koalition den Vertrag abgeschlossen. Es liegt ausschließlich daran, dass sich Forderungen nach schnellem Rücktritt auch irgendwie politisch überleben, wenn sie allzu häufig gestellt werden. Wir erinnern den Minister aber schon an seine eigenen Reden: Er selbst spricht ja ständig davon, dass Verantwortung und die Aufgabe jetzt von der Bundeswehr in einer Hand wären, und irgendwann wird er die Verantwortung auch übernehmen müssen. Und ich habe schon den Eindruck, der Punkt kommt näher, wo die Frage ernsthaft diskutiert wird, ob dieser Minister in der Lage ist, bei so einer Situation ein Krisenmanagement zu betreiben. Er hat ja den Ruf, ein guter Administrator zu sein, und jetzt zeigt sich sowohl bei der Drohne wie, ich denke, aber auch insgesamt bei der Reform der Bundeswehr, dass vieles eben nicht funktioniert und der Minister versucht hat, die Probleme immer weit von sich fernzuhalten, statt sich selbst zu kümmern.
Heckmann: In welchem Fall müsste er denn zurücktreten?
Arnold: Er müsste zurücktreten, wenn sichtbar wäre, dass er frühzeitig einbezogen wäre und wissentlich dieses System weiter finanziert und weiter entwickelt worden wäre. Die Frage, wann hat er was gehört, ist eigentlich nicht sehr kompliziert zu beantworten, und da erstaunt mich doch sehr, dass er ein 40-köpfiges Team jetzt einsetzt, um die Situation aufzuarbeiten. Er soll einfach mal sagen, wann hat er zum ersten Mal was gehört, dann sind wir einen Schritt weiter.
Heckmann: Kommen wir zu einem anderen großen Thema, das die Schlagzeilen heute bestimmen dürfte, nämlich zum Thema Syrien: Da treten ja in Brüssel die Außenminister der Europäischen Union zusammen und da geht es darum, um die Frage, ob das Waffenembargo gegen Syrien verlängert werden soll, ja oder nein. Großbritannien und Frankreich, die überlegen ja, ob man die Rebellen nicht mit Waffen versorgen müsste, um da einen Gleichstand herzustellen. Muss man sich nicht langsam dazu entschließen, da wirklich aufseiten der Opposition stärker einzugreifen?
Arnold: Ich fürchte, es gibt keine einfache Antwort. Sowohl Briten und Franzosen haben ein Stück weit recht, wenn sie sagen, man muss die Rebellen auch so ausstatten, dass sie nicht hoffnungslos unterlegen sind gegenüber Assad, der mit Kampfflugzeugen und schweren Waffen gegen seine eigene Bevölkerung antritt. Die andere Seite ist, an wen gehen solche Waffen? Es ist ja schon so, dass bei den Aufständischen viele Gruppierungen sind, die es nicht unbedingt auch gut mit uns meinen und die Situation in der Region eher verschlimmern und das Land weiter in den Bürgerkrieg ziehen, der möglicherweise sogar regionale Auswirkungen hat. Ich hoffe aber doch sehr, dass die EU in diesem Spannungsfeld heute einen Kompromiss finden wird. Weil ganz schlecht wäre es, wenn Europa nicht mit einer Sprache spricht und dieses Waffenembargo dann völlig automatisch Ende des Monats Mai ausläuft.
Heckmann: Ein Kompromiss, der wie aussehen könnte?
Arnold: Dass bestimmte Waffen an bestimmte Leute möglicherweise geliefert werden, Waffen, die eher dazu da sind, Menschen zu schützen als aggressiv vorzugehen. Über all die Dinge werden die Außenminister heute hoffentlich reden und eine Lösung finden. Europa gespalten in einer kriegerischen Situation vor unserer Haustüre, das wäre ein fatales, ein schlechtes Signal.
Heckmann: Ist es nicht wenigstens Zeit, eine Flugverbotszone einzurichten, um die Zivilbevölkerung zu schützen?
Arnold: Für eine Flugverbotszone benötigt man ein Mandat der Vereinten Nationen. Und Russland und China haben sich bisher nicht bewegt. Ich hoffe aber sehr, dass Russland inzwischen doch auch merkt, dass die Situation in Syrien langfristig nicht zu ihrem Vorteil sein wird, sondern dass Russland im Grunde genommen mit seinen Interessen auch durch alle Möglichkeiten fällt. Und deshalb setze ich schon darauf, dass vor allen Dingen die Verhandlungen, die ja stattfinden sollen nächstens in Bagdad, tatsächlich einen Schritt nach vorne bringen, weil die Vereinigten Staaten, weil Russland mit am Tisch sitzen. Und ich glaube, im Augenblick wäre es gut, wenn Europa Druck ausüben würde, und zwar Druck auf beide Seiten, seriöse und ernsthafte Verhandlungen anzustreben. Dazu können Androhungen von Waffenlieferungen sicherlich auch helfen. Auf der anderen Seite müssen die Rebellen wissen, dass, wenn sie nicht teilnehmen, natürlich auch keinerlei Unterstützung mehr erfahren. Also, jetzt Druck aufzubauen ist das Richtige, und dazu braucht es aber ein Europa, das mit einer Stimme spricht.
Heckmann: Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Rainer Arnold war das hier live im Deutschlandfunk. Herr Arnold, ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Rainer Arnold: Schönen guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Bleiben wir beim Thema Euro Hawk zunächst, Herr Arnold: Der "Spiegel" berichtete, Bundeswehrprüfer hätten bereits im Jahr 2009 Alarm geschlagen, der Hersteller habe keine Bauunterlagen zur Verfügung gestellt, bei einem Test des Kraftstoffsystems sei ihnen der Zutritt verwehrt worden und auf Druck des Verteidigungsministeriums habe ein Beamter die Tests für die Zulassung vorgenommen, obwohl er gar nicht mehr zuständig war. Sind Ihnen diese Vorgänge bekannt und was würde das bedeuten, wenn das sich bewahrheiten würde?
Arnold: Diese Vorgänge sind uns nicht bekannt. Es ist so, dass über all die Jahre dem Parlament überhaupt nichts von Problemen berichtet wurde. Aber wenn man den Vertrag anschaut, der im Jahr 2009 abgeschlossen wurde, ist dort eindeutig gegenüber dem Parlament erklärt, dass die Zulassung, dass die Qualifikation sowohl des Trägersystems, also der Drohne, und des Missionssystems, also dieser Sensorik, komplett erfolgen muss und im Leistungsumfang enthalten ist. Und gleichzeitig wurde uns geschrieben, dass Zahlungen nur erfolgen dürfen, wenn die Systeme auch funktionieren und abgenommen sind. Das heißt, die Frage, warum wurde überhaupt Geld bezahlt, wenn es solche Probleme gibt, die ist eigentlich nicht sehr kompliziert zu beantworten und da warten wir schon drauf, dass der Minister dann in den nächsten Tagen mal was dazu sagt.
Heckmann: Wie ist denn Ihre Antwort?
Arnold: Ich habe die Antwort nicht, wir haben diese Informationen nicht. Wir haben der Bundesregierung jetzt, weil wir nicht so lange warten können – das macht ja keinen Sinn, dass täglich neue Fragen entstehen, aber keine Antworten gegeben werden –, der Bundesregierung Fragen gestellt, die müssen am heutigen Tag beantwortet werden. Wir erwarten also heute die Antwort auf 18 unserer Fragen durch die Bundesregierung.
Heckmann: Die Frage ist ja auch, wie groß ist der Schaden. Es wurde jetzt berichtet am Wochenende von diesen über 500 Millionen Euro Entwicklungskosten plus 94 Millionen Euro offene vertragliche Verpflichtungen, so wurde das genannt. Und jeden Monat überweist die Bundesregierung offenbar 3,3 Millionen Euro an die Herstellerfirma. Müssen diese Zahlungen gestoppt werden?
Arnold: Die Zahlungen müssten gestoppt werden. Wenn die Leistungen nicht erbracht werden – und so hat uns der Staatssekretär Beemelsmans in der letzten Ausschusssitzung berichtet, dass die Leistungen nicht erbracht werden –, dann darf auch kein weiteres Geld mehr fließen. Also, die Erwartung ist schon, dass sofort gestoppt wird, dass auch Regressansprüche natürlich geprüft werden. All die Dinge müssen sofort geschehen und können nicht mehr bis zum Juno warten.
Heckmann: Diese Zahlungen werden ja damit begründet, dass ein Teil des Systems ja noch weiter verwendet werden kann möglicherweise und weiter getestet werden muss, und deswegen erfolgen diese Zahlungen.
Arnold: Also, ich glaube, dass diese Erklärung eher ein Placebo ist. Dieses System des Getestetwerden-Sollens wird nach unserer Information eben nicht bis Ende September ausgetestet sein, wie uns berichtet wurde, sondern die Qualifikation der Sensorik würde weitere Monate in Anspruch nehmen und würde auch ganz erheblich weiteres Geld kosten. Hier habe ich eher den Eindruck, dass uns die Bundesregierung auch in jüngster Zeit nicht korrekt informiert hat.
Heckmann: Herr Arnold, der Euro Hawk ist Geschichte. Was ist jetzt mit dem Global Hawk, das ist ja auch eine Drohne, die die NATO beschaffen möchte, Deutschland ist da mit 480 Millionen Euro, mit weiteren 480 Millionen Euro beteiligt. Droht da das nächste Debakel?
Arnold: Die Sorge ist sicherlich berechtigt, weil die Frage muss geklärt werden: Darf dieses System Global Hawk, das ja in Sizilien stationiert werden soll, im europäischen Luftraum auch tatsächlich eingesetzt werden? Und die zweite Frage ist, was hat die NATO überhaupt damit vor? Ein unbemanntes Flugzeug ist rechtlich nicht anders zu behandeln, wenn es über fremdes Gebiet fliegt. Das heißt, man braucht überall Überflugrechte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Länder im arabischen Raum der NATO die Überflugrechte für unser Spionagesystem erlauben. Hat die NATO vor, rechtswidrig dieses System im hohen Luftraum einzusetzen? All die Fragen wurden bisher nicht geklärt.
Heckmann: Sie haben ja dem Minister ein miserables Krisenmanagement vorgeworfen, aber mit Rücktrittsforderungen halten Sie sich zurück. Liegt das auch daran, dass es sich um ein altes Projekt handelt, an dem auch Sozialdemokraten beteiligt waren, auch als Verteidigungsminister?
Arnold: Nein, das liegt nicht daran. Der Vertrag wurde übrigens nicht von Sozialdemokraten als Verteidigungsminister abgeschlossen, sondern Minister Jung hat damals zur Zeit der Großen Koalition den Vertrag abgeschlossen. Es liegt ausschließlich daran, dass sich Forderungen nach schnellem Rücktritt auch irgendwie politisch überleben, wenn sie allzu häufig gestellt werden. Wir erinnern den Minister aber schon an seine eigenen Reden: Er selbst spricht ja ständig davon, dass Verantwortung und die Aufgabe jetzt von der Bundeswehr in einer Hand wären, und irgendwann wird er die Verantwortung auch übernehmen müssen. Und ich habe schon den Eindruck, der Punkt kommt näher, wo die Frage ernsthaft diskutiert wird, ob dieser Minister in der Lage ist, bei so einer Situation ein Krisenmanagement zu betreiben. Er hat ja den Ruf, ein guter Administrator zu sein, und jetzt zeigt sich sowohl bei der Drohne wie, ich denke, aber auch insgesamt bei der Reform der Bundeswehr, dass vieles eben nicht funktioniert und der Minister versucht hat, die Probleme immer weit von sich fernzuhalten, statt sich selbst zu kümmern.
Heckmann: In welchem Fall müsste er denn zurücktreten?
Arnold: Er müsste zurücktreten, wenn sichtbar wäre, dass er frühzeitig einbezogen wäre und wissentlich dieses System weiter finanziert und weiter entwickelt worden wäre. Die Frage, wann hat er was gehört, ist eigentlich nicht sehr kompliziert zu beantworten, und da erstaunt mich doch sehr, dass er ein 40-köpfiges Team jetzt einsetzt, um die Situation aufzuarbeiten. Er soll einfach mal sagen, wann hat er zum ersten Mal was gehört, dann sind wir einen Schritt weiter.
Heckmann: Kommen wir zu einem anderen großen Thema, das die Schlagzeilen heute bestimmen dürfte, nämlich zum Thema Syrien: Da treten ja in Brüssel die Außenminister der Europäischen Union zusammen und da geht es darum, um die Frage, ob das Waffenembargo gegen Syrien verlängert werden soll, ja oder nein. Großbritannien und Frankreich, die überlegen ja, ob man die Rebellen nicht mit Waffen versorgen müsste, um da einen Gleichstand herzustellen. Muss man sich nicht langsam dazu entschließen, da wirklich aufseiten der Opposition stärker einzugreifen?
Arnold: Ich fürchte, es gibt keine einfache Antwort. Sowohl Briten und Franzosen haben ein Stück weit recht, wenn sie sagen, man muss die Rebellen auch so ausstatten, dass sie nicht hoffnungslos unterlegen sind gegenüber Assad, der mit Kampfflugzeugen und schweren Waffen gegen seine eigene Bevölkerung antritt. Die andere Seite ist, an wen gehen solche Waffen? Es ist ja schon so, dass bei den Aufständischen viele Gruppierungen sind, die es nicht unbedingt auch gut mit uns meinen und die Situation in der Region eher verschlimmern und das Land weiter in den Bürgerkrieg ziehen, der möglicherweise sogar regionale Auswirkungen hat. Ich hoffe aber doch sehr, dass die EU in diesem Spannungsfeld heute einen Kompromiss finden wird. Weil ganz schlecht wäre es, wenn Europa nicht mit einer Sprache spricht und dieses Waffenembargo dann völlig automatisch Ende des Monats Mai ausläuft.
Heckmann: Ein Kompromiss, der wie aussehen könnte?
Arnold: Dass bestimmte Waffen an bestimmte Leute möglicherweise geliefert werden, Waffen, die eher dazu da sind, Menschen zu schützen als aggressiv vorzugehen. Über all die Dinge werden die Außenminister heute hoffentlich reden und eine Lösung finden. Europa gespalten in einer kriegerischen Situation vor unserer Haustüre, das wäre ein fatales, ein schlechtes Signal.
Heckmann: Ist es nicht wenigstens Zeit, eine Flugverbotszone einzurichten, um die Zivilbevölkerung zu schützen?
Arnold: Für eine Flugverbotszone benötigt man ein Mandat der Vereinten Nationen. Und Russland und China haben sich bisher nicht bewegt. Ich hoffe aber sehr, dass Russland inzwischen doch auch merkt, dass die Situation in Syrien langfristig nicht zu ihrem Vorteil sein wird, sondern dass Russland im Grunde genommen mit seinen Interessen auch durch alle Möglichkeiten fällt. Und deshalb setze ich schon darauf, dass vor allen Dingen die Verhandlungen, die ja stattfinden sollen nächstens in Bagdad, tatsächlich einen Schritt nach vorne bringen, weil die Vereinigten Staaten, weil Russland mit am Tisch sitzen. Und ich glaube, im Augenblick wäre es gut, wenn Europa Druck ausüben würde, und zwar Druck auf beide Seiten, seriöse und ernsthafte Verhandlungen anzustreben. Dazu können Androhungen von Waffenlieferungen sicherlich auch helfen. Auf der anderen Seite müssen die Rebellen wissen, dass, wenn sie nicht teilnehmen, natürlich auch keinerlei Unterstützung mehr erfahren. Also, jetzt Druck aufzubauen ist das Richtige, und dazu braucht es aber ein Europa, das mit einer Stimme spricht.
Heckmann: Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Rainer Arnold war das hier live im Deutschlandfunk. Herr Arnold, ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.