Eine gesetzlich vorgeschriebene Impfpflicht könnte Abhilfe schaffen, sagen viele Ärzte und Gesundheitspolitiker; andere halten die Impfpflicht für unnötig und kontraproduktiv. Braucht Deutschland eine Impfpflicht? Es streiten der Virologe und Sozialmediziner Dr. Jan Leidel und der Kinder- und Jugendarzt Dr. Thomas Fischbach.
Die Positionen:
Dr. Thomas Fischbach
Kinder- und Jugendarzt
Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Köln
Kinder- und Jugendarzt
Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Köln
"Impfungen zählen zu den größten Errungenschaften der modernen Medizin. Während zurzeit der Volksseuchen die Menschen weite Wege zurücklegten, um sich beispielsweise gegen Pocken oder Kinderlähmung impfen zu lassen, verunsichern heute ideologisierende Impfgegner mit wissenschaftlichen nicht haltbaren Pseudoargumenten und lächerlichen Verschwörungstheorien die Bevölkerung. In den fast 30 Jahren meiner Tätigkeit als Kinder- und Jugendarzt musste ich erkennen, dass alle ehrlichen Bemühungen um ein erreichen notwendiger Impfraten keinen ausreichenden Erfolg hatten. Wie lange und worauf wollen wir noch warten? Bis weitere Menschen sterben? Kinder sind nicht der Besitz ihrer Eltern, sondern haben nach unserem Grundgesetz und der Kinderrechtecharta der UN einen eigenen Anspruch auf körperliche Unversehrtheit. Daher fordert der BVKJ seit 2006 die Impfpflicht vor Kindergarteneintritt."
Dr. Jan Leidel
Virologe und Sozialmediziner
Ehemaliger Leiter der "Ständigen Impfkommission" am Robert Koch Institut Berlin
Virologe und Sozialmediziner
Ehemaliger Leiter der "Ständigen Impfkommission" am Robert Koch Institut Berlin
"Abgesehen von erheblichen Zweifeln an der rechtlichen Zulässigkeit halte ich eine Impfpflicht weder für erforderlich noch für geeignet, eine deutlich höhere Impfbeteiligung zu erzielen. Eine solche Pflicht kann - wenn überhaupt - immer nur das letzte Mittel sein. Tatsächlich gibt es aber eine ganze Reihe von strukturellen und bürokratischen Impfhindernissen, die beseitigt werden müssten, bevor man an eine Impfpflicht denkt. Außerdem sind nicht die jungen Kinder unser Problem, sondern Jugendliche und junge Erwachsene, die von einer Impfpflicht kaum erfasst werden könnten. Und schließlich haben wissenschaftliche Untersuchungen zeigen können, dass bei Einführung einer partiellen Impfpflicht die Teilnahme an den nicht verpflichtenden Impfungen vor allem bei Impfskeptikern drastisch zurückgehen würde."