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Thomas Steinfeld zum Literaturnobelpreis-Skandal
"Die Krise geht bis an das Fundament der Akademie"

Die Schwedische Akademie und das Ansehen des Literaturpreises hätten durch den Skandal um sexuelle Übergriffe und Korruption schwer gelitten, sagte der Journalist, Übersetzer und Schriftsteller Thomas Steinfeld im Dlf. Den Preis für ein Jahr auszusetzen und die Statuten zu ändern, reiche aber auf keinen Fall aus.

Thomas Steinfeld im Gespräch mit Dina Netz |
    Thomas Steinfeld , aufgenommen am 10.10.2010 auf der 62. Frankfurter Buchmesse in Frankfurt am Main. | Verwendung weltweit
    Nur die Statuten zu ändern reiche nicht, um den Literaturnobelpreis zu rehabilitieren, sagte der Autor und Kulturjournalist Thomas Steinfeld im Dlf (picture alliance / dpa-Zentralbild / Arno Burgi)
    Mittlerweile habe sich die Schwedische Behörde für Wirtschaftsvergehen in den Skandal um Vorteilsnahme und sexuelle Übergriffe eingeschaltet, sagte Thomas Steinfeld. Er gehe davon aus, dass es in mehreren Punkten zu Anklagen kommen könnte. Dann wäre die Schwedische Akademie, die den Literaturnobelpreis jährlich in Stockholm vergibt, noch mehr unter Druck. Der Skandal seien jedoch nicht nur die Vorwürfe und Vorkommnisse selbst:
    "Der Skandal ist auch, wie die Akademie damit umgegangen ist", sagte Steinfeld. Es habe gegenseitige Beschimpfungen gegeben, die zehn verbliebenen Akademiemitglieder hätten jedoch nach dem Motto reagiert: "Wir haben diesen ganzen Rechtsstaatsklimbim nicht nötig."
    Der Literaturnobelpreis werde mittlerweile so hoch gehandelt wie den Nobelpreis für Medizin, Physik oder Chemie und habe etwas ganz Elementares für den literarischen Betrieb, erklärte Steinfeld weiter.
    "Bisher ist es immer so gewesen, dass diese Literaturnobelpreise viel, viel größer waren als die Menschen, die ihn vergaben. Mit dem Sandal aber gerieten die einzelnen Menschen in den Vordergrund. Und es erwies sich, dass das ganz und gar nicht angenehme Menschen sind. Menschen von sehr zweifelhaften Vorlieben und von noch zweifelhafterem Urteil."
    Literaturnobelpreis verliert deutlich an Wert durch den Skandal
    Damit habe der Literaturnobelpreis extrem an Wert verloren.
    "Und das sieht auch die Akademie, auch wenn sie sonst nicht sehr viel sieht", sagte Thomas Steinfeld im Dlf. Darum sei die Entscheidung, den Literaturpreis 2018 vorerst auszusetzen, richtig. "Stellen Sie sich den armen Schriftsteller vor, der im Oktober einen Anruf von der Akademie bekommt. 'Möchten Sie nicht einen Nobelpreis haben?' Mit solchen Leuten möchte man doch eigentlich nichts zu tun haben."
    Bei jeder Preisvergabe würden sich die Autoren fragen: Habe ich diesen Preis bekommen, weil ich so gute Gedichte schreibe oder bekomme ich diesen Preis, weil ich im Laufe des Skandals nichts gesagt habe oder vielleicht sogar noch etwas Freundliches gesagt habe? erklärte Thomas Steinfeld. Und aus Sicht von Steinfeld besteht noch ein weiteres Problem, das eine Rehabilitation des Literaturnobelpreises erschwert:
    "Die zehn Menschen, die noch in der Akademie hocken, die hocken da ja, weil sie ein beträchtliches Maß an Beharrungsvermögen und Rücksichtslosigkeit offenbart haben, von Arroganz und anderen Dingen ganz zu schweigen."
    Die Frage sei, ob man diesen zehn Menschen diese Aufgabe noch anvertrauen wolle, geschweige denn die Aufgabe, acht neue Mitglieder für die Akademie zu suchen.
    "Zumindest einigen der Verbliebenen würde ich überhaupt nicht vertrauen."
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