Archiv

Thomas Vinterbergs "Die Kommune"
Ein Film über den Traum vom Kollektiv

Viel Bier, Nacktheit und Diskussionen: Das war lange die Lebensrealität des dänischen Regisseurs Thomas Vinterberg, der mit seinen Eltern in einer Kommune in Kopenhagen lebte. Der Traum vom Kollektiv - ohne Privateigentum oder Besitzansprüche an den Partner - wird in seinem neuen Film "Die Kommune" auf die Probe gestellt.

Von Sigrid Fischer |
    Trine Dyrholm als Anna in einer Szene des Kinofilms "Die Kommune" (undatierte Filmszene). Der Film kommt am 21.04.2016 in die deutschen Kinos
    Trine Dyrholm als Anna in einer Szene des Kinofilms "Die Kommune" von Thomas Vinterberg (picture-alliance / dpa / Prokino)
    Film: "Also wie machen wir's? Stimmen wir ab? - Ja, abstimmen. Ich bin dafür. - Ich bin auch dafür…"
    "Heute entstehen Kommunen aus pragmatischen Gründen: Junge Leute finden keine Wohnung und ziehen zusammen, haben aber jeder ein eigenes Fach im Kühlschrank. Es ist nicht mehr so verrückt und naiv, so schrill und liebenswert wie in den 70ern. Damals waren sie vielleicht dauernd betrunken und leicht ausgeflippt, aber auch sehr großzügig. Da hat der mit dem meisten Geld vorgeschlagen, die Miete nach Einkommen zu zahlen, was für ihn das Dreifache bedeutete. Davon haben wir uns offensichtlich weg entwickelt."
    Vielleicht sei seine Erinnerung selektiv oder romantisch, hat Thomas Vinterberg an anderer Stelle gesagt, aber sie fühle sich sehr warm an. Und in seinem Film lässt er sie wieder aufleben:
    Film:"Gibt es einen Küchenplan? Wer dran ist, ist dran."
    WGs mit Familiencharakter und politischer Überzeugung
    Thomas Vinterberg: "Man kann genauso fragen: Wie ist es denn, in einer Familie zu leben? Es kommt doch auf die Familie an. Es gab durchgeknallte WGs mit Pädophilen und es gab sehr bürgerliche wie meine. Lehrer, Journalisten, Professoren haben ein Haus miteinander geteilt."
    Vom siebten bis zum neunzehnten Lebensjahr hat Vinterberg in dieser Kommune gelebt. Mit viel Bier, Nacktheit und Diskussionen. In den 1970er-Jahren üblich waren WGs von politischen Überzeugungen getragen, von dem Wunsch nach einer alternativen Lebens- und Gesellschaftsform, wie die berühmte Kommune 1 in Berlin oder die autonome Gemeinde Freistadt Christiania in Kopenhagen.

    Kein Privateigentum, und auch kein Besitzanspruch auf den Beziehungspartner. Genau der wird zur Belastungsprobe für die Film-WG. Als Erik sich in die junge Studentin verliebt, ist Anna zuerst tolerant und lädt die Geliebte ihres Mannes zum Mitwohnen ein.
    Thomas Vinterberg ist der Regisseur des Films "Die Kommune". 
    Thomas Vinterberg, Regisseur von "Die Kommune", hat als Jugendlicher selbst in einer gelebt. (dpa / Britta Pedersen)
    Erik: "Weiß nicht."
    Anna: "Wir sind 'ne Kommune und momentan leben wir sowieso irgendwie alle zusammen, bring sie mit, dann finden wir sicher eine Lösung."
    Aber es funktioniert nicht. Anna wird leiden. Das persönliche Empfinden ist stärker als das Gemeinschaftgefühl. Haben sich in dem Punkt also damals alle etwas vorgemacht? Nicht nur damals, sagt Thomas Vinterberg, der fest an die Zweierbeziehung glaubt:
    Menschliche Schwäche gefährdet die Kommune
    "Untreu sein gilt heute als Verbrechen. Aber alle sind untreu, das ist auch eine Lüge. Damals galt, sich gegenseitig Freiheit zu gewähren. Das hat auch nicht funktioniert. Das Problem ist immer, wenn vorgeschrieben wird, wie man zu leben hat. Es sei denn, zwei Menschen – und nicht mehr – beschließen das aus Liebe zueinander. Und wenn sie nicht miteinander klar kommen, suchen sie sich jemand anderen. Aber nicht wegen der öffentlichen Moral, denn darunter leiden Menschen."
    An den menschlichen Schwächen, die man eigentlich überwinden wollte, ist so manche Kommune gescheitert. Individualität und das Recht auf Privatheit sind aber auch wichtige Werte, sagt Vinterberg heute. Grundsätzlich schätzt er die Idee des Teilens nach wie vor:
    "Ich sehe heute nicht, dass Menschen teilen. Im Internet vielleicht, bei Facebook, aber sie teilen anders, weil alle dauernd unterwegs sind. Sie teilen nicht physisch. Sie haben heute auch viel weniger Sex als damals. Heute sind alle über die Welt verstreut, jeder lebt alleine in seinem Appartement, da teilt man anders."
    Mit Lars von Trier und anderen dänischen Regisseuren hat er vor 20 Jahren die Dogma-Bewegung losgetreten. Auch wenn es die Filmrebellen von damals als Gruppe nicht mehr gibt, gegenseitiger Austausch ist weiterhin wichtig für sie. Dass der dänische Film heute recht stark dasteht, liegt unter anderem daran, glaubt Thomas Vinterberg:
    "Wir hängen sehr viel zusammen, wir helfen und fordern uns gegenseitig. Und sind schonungslos offen miteinander. Wir kennen uns aus vielen Situationen. Ich habe alles gesehen, was Lars macht und umgekehrt. Das schweißt zusammen. Und dieses Gemeinschaftsgefühl macht stark."