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Thüringen als Vorreiter
Erste Kompositionsklasse auf Landesebene

Etüden und Walzer haben zwei Nachwuchskomponisten zur ersten Unterrichtseinheit der Kompositonsklasse des Landes Thüringen mitgebracht. Zehn Mal werden sie sich mit ihren Dozenten in Weimar treffen. Ein bestimmtes Wissenspensum soll dort aber nicht um jeden Preis vermittelt werden.

Von Claus Fischer |
    Opus 3 von Killian Strubel
    Kilian ist zehn Jahre alt und hat zur Kompositionsklasse sein Opus 3 mitgebracht. (Deutschlandradio/Claus Fischer)
    Kilian Strubel ist zehn Jahre alt und kommt aus der Kleinstadt Schleiz in Südthüringen. Für die erste Unterrichtseinheit in der neuen Landes-Kompositionsklasse hat er sich perfekt vorbereitet und eigene Stücke mitgebracht.
    Kilian Strubel sitzt am Klavier
    Kilian Strubel ist einer der Teilnehmer der Kompositionsklasse. (Deutschlandradio/Claus Fischer)
    "Das sind Etüden, also fünf Etüden für Klavier. Ich wollte mal irgendwie was schreiben, wo man auch üben kann, nicht nur spielen, sondern auch üben. Und da bin ich halt auf Etüden gekommen."
    "Ich finde es auf jeden Fall erstaunlich, in dem Alter schon eine ganz konkrete Vorstellung! Er nimmt sich ein Thema und arbeitet damit, find ich wirklich richtig gut geworden."
    Initiator der Kompositionsklasse Thüringen: Peter Helmut Lang
    Peter Helmut Lang, einer der profiliertesten Gegenwartskomponisten Ostdeutschlands und Initiator der Kompositionsklasse Thüringen ist von Kilians Arbeit angetan. Und seinem Kollegen und Mitdozenten Johannes Hildebrandt geht es genau so.
    "Ja, ich bin da richtig begeistert, wie er sich auch schon löst von traditionellen Dingen, ja, und ganz frei und unbekümmert an die Sachen herangeht."
    Kinder und Jugendliche wie Kilian Strubel finden - zumal wenn sie aus ländlichen Regionen kommen - nicht immer optimale Angebote, um ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln, betont Constanze Dahlet, die Geschäftsführerin des Thüringer Landesmusikrates.
    "Was ich persönlich immer ein bisschen schade finde ist, dass - ich gehe von mir selber aus - dass der Musikunterricht gerne so reproduzierend abgelegt ist. Man hat die Noten vor sich und gibt wider. Im Bereich der Bildenden Kunst malt man, in der Literatur kann man einfach schreiben, in der Musik, dieses vielleicht einfach spielerische umgehen find ich einfach spannend! Das haben wir ja auch im Jazz ja, einfach machen!"
    "Gemacht" hat auch bereits der 16-jährige Lukas Pauli. Er komponiert im Moment mit Begeisterung Walzer für Klavier - im Stil von Frédéric Chopin.
    Lukas Pauli sitzt am Klavier.
    Lukas Pauli komponiert derzeit Walzer für Klavier im Stil von Frédéric Chopin. (Deutschlandradio/Claus Fischer)
    "Ich finde, Walzer schreiben ist schwer, aus dem Grund, weil es immer wieder dieser Dreivierteltakt ist. Und dass es da nicht langweilig wird irgendwie, das hat mich gereizt. Ich mag Moll sehr, also die Themen fangen immer in Moll an bei mir. Es gibt dann auch mal einen Dur-Teil, aber ich mag Dur nicht so."
    Wenig Kompositionsunterricht an Musikschulen
    Lukas Pauli und Kilian Strubel sind zwei von acht Kindern und Jugendlichen, die Constanze Dahlet und ihre Mitarbeiter im Thüringer Landesmusikrat für die Kompositionsklasse ausfindig machen konnten. Das war kein leichter Prozess.
    "Diese Nachwuchsschwierigkeiten führen wir jetzt nicht darauf zurück, dass es kein Interesse gibt, sondern, dass einfach die Schwellenangst etwas groß ist. Klar, es gibt einfach viele, die was machen, aber sich dann wirklich zu einem Unterricht anzumelden, ist ja dann noch ein nächster Schritt. Das Problem ist einfach die Tatsache, dass nur noch an wenigen Musikschulen, an kommunalen Musikschulen, wirklich noch Komposition, oder allein Theorieunterricht gegeben wird."
    Der Erfolg kam schließlich dadurch, dass man sämtlichen Teilnehmern beim Thüringer Landeswettbewerb "Jugend musiziert" ein Informationsblatt in die Hand gedrückt hat, rund 400 waren es insgesamt. Acht Festanmeldungen für den ersten Kurs ist da kein schlechtes Ergebnis. Dass man Weimar als Unterrichtsort ausgewählt hat, ist einerseits dem Standort des Landesmusikrats geschuldet, andererseits liegt die Stadt aber auch so zentral, dass sie von überall her im Land in höchstens anderthalb Stunden zu erreichen ist.
    "Es ist natürlich ein kleines Wagnis, es sind jetzt angesetzt zehn Termine. Das ist ja auch für die Eltern der Kleineren nicht selbstverständlich, dass sie in Weimar herumsitzen, aber wir versuchen es."
    Unterschiedliche Vorkenntnisse der Teilnehmer
    Zwischen zehn und 22 Jahren sind die Teilnehmer alt, lediglich ein Mädchen ist dabei. Das entspricht momentan in etwa der Statistik der etablierten Komponistenschaft in Deutschland, wird sich aber sicherlich in Zukunft ändern. Die Vorkenntnisse der Teilnehmer sind, betont Initiator und Dozent Peter Helmut Lang, natürlich unterschiedlich, was aber nicht unbedingt mit deren Alter zusammenhängen muss. So haben er und sein Kollege Johannes Hildebrandt sich auch nicht vorgenommen, um jeden Preis ein bestimmtes Wissenspensum zu vermitteln, nach dem Motto: Erst kommt die serielle Kompositionstechnik, dann die aliatorische und womöglich noch die elektronische.
    "Das wird natürlich alles eine Rolle spielen, aber es wird dann auftauchen, wenn der Zusammenhang da ist, wenn die Fragen auch auftauchen. Wir müssen erstmal schauen: Wo sind die Probleme, mit denen die Jugendlichen sich gerade beschäftigen, an welchem Punkt hängen sie? Und da muss man immer ansetzen."
    "Na, es gibt viele Möglichkeiten, wie man heute komponieren kann. Und es ist auch so, dass sehr Vieles ineinander hineinwächst und sich verzweigt, und dass da die Grenzen und Mauern auch nicht mehr unverrückbar sind."
    Kein konkretes Ziel mit Abschluss der Klasse
    Wenn die Teilnehmer die zehn Unterrichtseinheiten in der Kompositionsklasse Thüringen absolviert haben, dann besteht die Möglichkeit, dass sie am Wettbewerb "Jugend komponiert", der von den Ländern Thüringen und Hessen gemeinsam ausgerichtet wird, teilnehmen. Das, so Komponist und Dozent Peter Helmut Lang, muss aber nicht unbedingt sein.
    "Also es gibt natürlich jetzt nicht ein konkretes Ziel, was mit einem Abschluss in einem halben Jahr erreicht werden soll. Es geht natürlich darum, die Jugendlichen in ihrer Entwicklung zu begleiten und wenn dann Werke rauskommen, dann überlegen wir, ob wir die bei einem Wettbewerb einreichen usw."
    Die fünf Etüden für Klavier von Kilian Strubel wären in jedem Fall schon jetzt für einen Kompositionswettbewerb geeignet. Die erste Unterrichtseinheit in der Kompositionsklasse Thüringen hat dem zehnjährigen sichtbar Spaß gemacht.
    "Na, ich wollte mal Grundlagen für Komposition oder auch ein paar Tipps mal hören, weil ich nicht so richtig wusste, wie man dass jetzt macht, ich hab einfach mal drauflos komponiert. Und so weiß ich jetzt auch, wie man es macht."
    Sowohl Kilian als auch der 16-jährige Lukas Pauli haben bereits relativ genaue Vorstellungen über ihre Zukunft.
    "Musik studieren, ja das ist klar. Also ich möchte auch was mit Musik machen, ich weiß noch nicht, was genau. Aber ich erhoffe mir auch, an Wettbewerben teilzunehmen.
    "Also ich glaube, das hört nie auf das Lernen, man lernt immer noch was dazu."