Kommentar zur Brombeer-Koalition
Für Thüringen hätte es schlimmer kommen können

CDU, BSW und SPD haben sich in Thüringen auf einen Koalitionsvertrag geeinigt, in dem öfter vom "Frieden" die Rede ist. Er dient als billiges Schlagwort, um das Wertvolle zu sichern: eine halbwegs stabile Koalition.

Von Herny Bernhard |
    Katja Wolf, BSW-Fraktionschefin, Georg Maier, Thüringer SPD-Parteichef und geschäftsführender Innenminister und Mario Voigt, CDU-Fraktionschef von Thüringen kommen zu einer Pressekonferenz im Landtag. (v. l. n. r.)
    Mit strahlenden Gesichtern kommen Katja Wolf (BSW), Georg Maier (SPD) und Mario Voigt (CDU) zur Pressekonferenz im Thüringer Landtag, bei der sie den Koalitionsvertrag vorstellen. (picture alliance / dpa / Bodo Schackow)
    Was in Omas Kohle-Badeofen die Opferanode war, ist dem Koalitionsvertrag der Lehrstuhl für Friedens- und Konfliktforschung. Zur Erklärung: Eine Opferanode ist ein vergleichsweise unedles Metall, Aluminium oder Magnesium, das etwa in einem Badeofen angebracht wird, um das edlere Metall, meist Stahl, vor Korrosion zu bewahren. Die Opferanode verbraucht sich dabei. Man opfert das Billige, um das Wertvolle zu schützen.

    Die Rede vom "Frieden"

    Im Thüringer Koalitionsvertrag zwischen CDU, BSW und SPD gibt es Ähnliches zu besichtigen. Das Wort „Frieden“ taucht immer mal wieder auf. Zudem werden „Lehr- und Forschungskapazitäten für Friedens- und Konfliktforschungen an Hochschulen“ „angestrebt“. Das Wort „Frieden“ kostet nichts, „anstreben“ auch nichts, beides wird in spätestens fünf Jahren mit dem Koalitionsvertrag dem Papiermüll zugeführt; über Lehrstühle entscheiden die Universitäten in ihrer Autonomie ohnehin selbst.
    CDU, SPD und vielleicht auch die Verhandler vom BSW verwenden billige Schlagworte, um das Wertvolle zu sichern: eine halbwegs stabile Koalition zu zimmern und das Land voranzubringen.
    CDU und SPD haben sich ansonsten nicht Sahra Wagenknechts absurder „Friedens“-Rhetorik unterworfen, wie es Dietmar Woidke und seine Genossen in Brandenburg tun. In der heiklen Frage der Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen wurde eine kryptische Formulierung gefunden, die beide Seiten gleichermaßen befriedigt wie verärgert und am Ende nichts aussagt. Es sei an die Opferanode im Badeofen erinnert.
    Der „Zarin im Kreml“, wie Sahra Wagenknecht nicht nur von Gegnern ihrer Partei gelegentlich genannt wird, scheint es zu genügen. Angesichts der vorgezogenen Bundestagswahl und ihrer schlechten Umfragewerte hat sie schlicht andere Probleme. Schon vor Tagen hat sie bei „Maischberger“ im Ton einer strengen Grundschullehrerin mit Züchtigungsberechtigung ihren Segen über den Koalitionsvertrag ausgegossen.

    Corona-Bußgeld-Amnestie und Genderverbot

    Noch ein paar mehr Punkte konnte das BSW machen. Am schmerzlichsten dürfte für CDU und SPD die Amnestie für Corona-Bußgeld-Gestrafte sein, da die ja die Corona-Politik dieser Parteien nachträglich in Frage stellen. Aber wenn der Bundestag auch Jahre nach der Amnestie nicht die Kraft zu einer Enquetekommission zu Corona auf die Reihe kriegt, werden die damaligen und zukünftigen Regierenden in Bund und Land, CDU und SPD, zu Recht gestraft. An Thüringer Schulen sollen künftig die Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung gelten. Auf Deutsch: ein Genderverbot. Damit dürften die allermeisten Eltern und somit Wähler einverstanden sein, das zeigen Umfragen.
    Dass Kinder an der Grundschule Rechnen und Schreiben lernen sollen, ist eine Binse, dass es dennoch in einem Koalitionsvertrag stehen muss, zeigt die Versäumnisse der Bildungspolitik der letzten Jahre auf. Wenn das Handyverbot dabei helfen kann, warum nicht?
    Eine Unterrichtsgarantie ist so schnell gegeben wie gebrochen: Keine Koalition kann Lehrer backen. „Ja, mach nur einen Plan …“ schrieb Bertolt Brecht schon in der Dreigroschenoper.
    Die Wirtschaft entlasten, weniger Bürokratie, da treffen sich CDU und BSW. Auch in der Migrationspolitik musste der kleinste Koalitionspartner, die sechs Prozent leichte SPD, Zugeständnisse machen.

    Patt-Regierung für Thüringen

    Viel Prosa, viel Hoffnung, viel Gestaltungswille - die finanziellen Realitäten werden die Koalition ausbremsen wie schon andere zuvor. Und ebenso die Pattsituation im Erfurter Landtag. 44 Sitzen der Koalition stehen 44 der Opposition gegenüber: eine AfD, die Obstruktion auf ihren Fahnen stehen hat, eine Linke, die ihre Zustimmung nicht verschenken will.
    Für Thüringen hätte es schlimmer kommen können. Dennoch müssen sich CDU und SPD bewusst sein, dass die erhoffte Stabilität für Thüringen einen Preis hat: Die Koalition ebnet einer absurd zentralistisch geführten Kaderpartei den Weg auf die Regierungsbühne. Einer Partei, die dafür steht, Putin zu nützen, die Ukraine im Bombenregen stehen zu lassen und den Westen zu schwächen. Ob diese Patt-Regierung das kleinere Übel gegenüber einer Minderheitsregierung ist, wie sie Sachsen nun anstrebt, muss sich erst zeigen. Ebenso, welche Freiheitsgrade Wagenknecht ihren lokalen Franchise-Nehmern läßt.
    Einen Erfolg der „Brombeer“-Koalition aus CDU, BSW und SPD würde sich Sahra Wagenknecht auf die Fahnen schreiben und mit diesen in den Wahlkampf ziehen, um bundespolitisch Unheil zu stiften. Einen Misserfolg wohl ebenso. Es werden sich schon genügend Talkshows finden, wo sie das mit schneidender Stimme verkünden kann. Da hilft auch keine Opferanode.