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Thüringen
Ramelow ist Ministerpräsident

Thüringen schreibt Geschichte: Mit Bodo Ramelow ist erstmals ein Politiker der Linken zum Ministerpräsidenten eines deutschen Bundeslandes gewählt worden. Im zweiten Wahlgang erhielt er die nötigen 46 Stimmen.

    Bodo Ramelow (Die Linke) kommt am 05.12.2014 in den Landtag in Erfurt (Thüringen).
    Erhielt im zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit: Linke-Politiker Bodo Ramelow. (pa/dpa/Schutt)
    Der 58-jährige Regierungschef einer rot-rot-grünen Koalition in Thüringen erhielt im Landtag in Erfurt im zweiten Anlauf 46 von 90 gültigen Stimmen. Direkt nach der Wahl legte Ramelow seinen Amtseid ab. Ramelow löst Christine Lieberknecht (CDU) als Regierungschef ab.
    Trotz aller Differenzen ist mir an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Opposition gelegen", sagte Ramelow in seiner Antrittsrede. Die Geschichte lehre, dass ein fairer und respektvoller Umgang nicht selbstverständlich sei. Daran müsse jeden Tag aktiv gearbeitet werden. Er werde sich an dem Leitspruch "Versöhnen statt spalten" messen lassen müssen.
    Ramelow verspricht Aufarbeitung
    Weiter ging Ramelow auf die Vorbehalte gegenüber der Linken als Nachfolgepartei der SED ein. Die drei Regierungsparteien werden sich intensiv mit der Aufarbeitung der DDR beschäftigen, sagte er und verwies auf den Koalitionsvertrag. "Wir müssen gemeinsam den Weg der Aufarbeitung gehen."
    Im ersten Durchgang war Ramelow noch durchgefallen, weil er nur 45 Ja-Stimmen erhalten hatte. Eine Stimme war ungültig. 45 Abgeordnete votierten gegen Ramelow. Genauso viele Mandate haben CDU und AfD. Die CDU, die Thüringen seit 24 Jahren regiert hatte, schickte im ersten und zweiten Wahlgang keinen Kandidaten ins Rennen.
    Umfassendes Regierungsprogramm
    Ramelow will noch heute sein Kabinett ernennen. Den Koalitionsvertrag hatten Linke, SPD und Grüne bereits gestern unterschrieben. Das Regierungsprogramm für die nächsten fünf Jahre war zuvor von den Mitgliedern der drei Parteien mit großer Mehrheit gebilligt worden. Es sieht unter anderem ein kostenloses Kita-Jahr, einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor und die Einstellung von jährlich 500 Lehrern vor. Zudem sollen V-Leute im Thüringer Verfassungsschutz weitgehend abgeschaltet und der erneuerbare Energien ausgebaut werden. Zudem will Rot-Rot-Grün ohne neue Schulden auskommen.
    Rot-Rot-Grün ist umstritten. Bei einer Kundgebung am Landtag in Erfurt hatten gestern Abend etwa 1.500 Menschen mit Kerzen und "Stasi raus!"-Parolen gegen das Bündnis unter Führung der SED-Nachfolgepartei protestiert. Der Veranstalter hatte die Kundgebung für bis zu 4.000 angemeldet.
    Thüringens Ex-Regierungschef Bernhard Vogel (CDU) warnte vor langfristigen Folgen einer rot-rot-grünen Regierung für die Bundespolitik. "Ich rechne mit der Auswirkung, dass Herr Ramelow mit leisen Sohlen in den ersten beiden Jahren alles tun wird, um in Berlin zu signalisieren: 'Man kann auch mit uns'", sagte Vogel im Deutschlandfunk. "Das möchte ich nicht haben."
    Kritik am Projekt
    Viele Opfer des DDR-Regimes sehen die Regierungsübernahme der Linkspartei in Thüringen nach Worten des SED-Forschers Hubertus Knabe mit großer Sorge. "Sie spüren, dass die Lehren aus der Geschichte in Vergessenheit geraten", sagte der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, der Oldenburger "Nordwest-Zeitung". Und sie hätten das Gefühl, dass diejenigen zurück an die Macht kämen, die vor 25 Jahren entmachtet worden waren. Auch Bundespräsident Joachim Gauck hatte Verständnis für Vorbehalte gegenüber einem linken Ministerpräsidenten geäußert.
    (fwa/tj)