Eigentlich hat Bettina Löbl genug Arbeit auf dem Tisch. Sie ist Leiterin der Kindertagesstätte "Springmäuse" in Erfurt. 96 Kinder werden hier betreut. Sie kümmert sich auch, wenn ein Lichtschalter kaputt ist, vor allem aber verantwortet sie, dass der Alltag reibungslos funktioniert.
Doch derzeit macht sie sich Sorgen. Denn im Thüringer Wahlkampf wird derzeit hitzig über die Qualität der Kinderbetreuung debattiert. Der kommunale Beirat - dem CDU-Finanzministerium unterstellt - schlägt vor, ein Drittel der Erzieher durch Sozialassistenten zu ersetzen. 4000 Erzieher müssten dann entlassen werden, auch die Kita "Springmäuse" könnte betroffen sein. Zudem ließ die CDU auf ihrem letzten Parteitag verlauten, geschaffene Standards in Kindertagesstätten prüfen zu wollen, um die Kosten zu senken. Für Bettina Löbl ist das eine Katastrophe.
"Weil wir keine Luft nach unten in den Kindergärten haben. Wir können uns einen Standardabbau nicht leisten. Wenn wir im internationalen Vergleich standhalten wollen, dann müssen wir noch einiges tun. Deshalb war es uns wichtig, einen Standarderhalt zu machen und nie wieder dahinter zurück zu gehen. Vor allem kommunale Politiker müssen begreifen, dass Kindergärten keine Sparbüchsen sind."
Seit vielen Jahren kämpft die ausgebildete Erzieherin für gute Qualität in der Kinderbetreuung. 2007/2008 initiierte sie mit ihren Mitstreitern ein Volksbegehren, um die damalige CDU-Alleinregierung unter Druck zu setzen. Das wurde zwar vom Verfassungsgericht gestoppt, das Kita-Gesetz aber 2010 reformiert. Seitdem gibt es Fortbildungen für Erzieher, zudem kümmern sich mehr Erzieher um weniger Kinder. Das soll sich nicht ändern, sagt Dr. Mario Vogt, Vorsitzender des CDU-Bildungsausschusses. Er will nur realistisch planen.
Laut Gesetz stehen jedem Kind ab drei Jahre 2,5 Quadratmeter zu
"Aber wo wir schauen müssen ist, dass aus Erfurt heraus nicht der letzte Garderobenhaken geregelt wird, sondern dass Kindertagesstätten im ländlichen Raum auch erhalten werden können, selbst wenn sie die Raumgrößen aus dem Kita-Gesetz nicht eins zu eins erfüllen, weil dann müssten zwei Drittel der Kindertagesstätten zumachen. Das wollen wir nicht, weil für uns im Grundsatz gilt: kleine Füße, kurze Wege."
Wer schon einmal dabei war, wenn ein Kind eine Holzeisenbahn aufbaut, weiß wie viel Platz dabei draufgeht. Laut Gesetz stehen jedem Kind ab drei Jahre 2,5 Quadratmeter zu. Weniger kann sich Birgit Neubert nicht vorstellen. Sie ist seit über 30 Jahren Erzieherin. Sie liebt ihren Job und sie leidet unter ihm, denn Elterngespräche und Nachbearbeitung erledigt sie in ihrer Freizeit. Wenn eine Erzieherin krank wird oder Urlaub macht, gibt es keinen Ersatz. Auch nicht, wenn in den kleineren Gruppen Personal ausfällt und Birgit Neubert aushilft, weil sie hier noch dringender gebraucht wird. Diese Ausnahmefälle sind Normalität, die Kinder leiden am meisten darunter, so Neubert.
"Natürlich steht die Betreuung im Vordergrund. Aber manchmal ist es dann wirklich so, dass Aufsicht an erster Stelle steht. Und das ist ja das Schlimme, was man alles machen könnte und die Zeit vergeht und man kanns dann nicht machen. Manchmal kommt man da ganz schön an seine Grenzen. Wenn einer alleine ist, kann man sich nicht so um die Kinder kümmern wie man möchte, um alle Kinder wirklich am Tag mal gesprochen zu haben, sag ich mal so."
In Thüringen ist eine Erzieherin für sechs Kinder zwischen ein und zwei Jahren verantwortlich, in Baden-Württemberg nur für 3,5 Kinder. Der Betreuungsschlüssel ist im Osten schlechter als im Westen. Dafür lassen mehr Eltern ihre Kinder fremd betreuen und das kostet - eine halbe Milliarde Euro allein in Thüringen. 21 Millionen Euro würden durch den Austausch von Erziehern durch Sozialassistenten frei. Geld, was an der falschen Stelle gespart wird, sagt die Thüringer SPD-Familienpolitikerin Birgit Pelke.
"Das ist uns ganz wichtig, dass wir gut ausgebildete Erzieher haben, dass an dem Personalschlüssel nichts gerüttelt wird, und dass wir keine Ersatzkräfte für ausgebildete Erzieher haben wollen. Da spielt jeder mit dem Feuer, der da dran geht. Wenn es in die Richtung gehen sollte, dass wir dann ein neues Volksbegehren haben werden - und das wird meine Partei mit unterstützen und ich glaube, da haben wir Eltern und Großeltern auf unserer Seite."
Die Stimmung ist aufgeladen. Die SPD, die schon das letzte Volksbegehren unterstützte, heizt den Wahlkampf derweil mit dem Vorschlag um gebührenfreie Kitas an. Die Finanzierung ist ohne die Unterstützung vom Bund unrealistisch und führt den Wähler in die falsche Richtung. Bis zu den Wahlen im Mai und September müssen sich die Parteien also noch klar werden, mit welchen Argumenten sie die Wähler auf ihre Seite ziehen wollen.