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Thüringen
SPD hält Bündnis mit CDU für möglich

In den Sondierungsgesprächen zur Bildung einer Landesregierung in Thüringen haben sich CDU und SPD angenährt. SPD-Verhandlungsführer Andreas Bauswein hält jetzt auch eine Große Koalition für möglich. Die Entscheidung der Sozialdemokraten soll am Montag fallen.

Von Henry Bernhard |
    Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) und Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) stehen am 17.10.2014 zu Beginn der letzten vorgesehenen Sondierungsrunde zwischen beiden Parteien in Erfurt (Thüringen) nebeneinander.
    Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) und Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) sehen nach der Sondierung gute Chancen für eine Große Koalition. (dpa / picture-alliance / Michael Reichel)
    Freitag, 17.10.2014, 19.30 Uhr. Die thüringische Ministerpräsidentin und der Erfurter Oberbürgermeister treten vor die Presse. Christine Lieberknecht und Andreas Bausewein sind Verhandlungsführer der CDU beziehungsweise der SPD in den Sondierungen. Es ist der letzte Termin - und er ist noch nicht vorbei. "Erst mal guten Abend allerseits. Jetzt ist es halb acht. Wir tagen, wir tagen. Es dauert noch ein bisschen länger. Wir tagen seit viereinhalb Stunden, wir haben uns das große Ziel vorgenommen, noch mal die elf Stunden von vorgestern zu toppen", sagt Andreas Bausewein.
    Es ist nur ein Zwischenbericht für die Zeitungen, der Redaktionsschluß ist nahe. Sie verkünden, wie weit sie gekommen sind. Thema Flüchtlingspolitik: "Also, Vorrang für dezentrale Unterbringung, ganz klar! Das ist ein Feld, da haben wir in den letzten Jahren viel gestritten. Und umso bemerkenswerter ist, dass wir doch in der Sondierungskommission von beiden Seiten sehr geeint jetzt mit diesem Thema vor ihnen stehen", sagt Christine Lieberknecht. Ähnlich sieht es mit der Kommunalstruktur aus: Wo die CDU jahrelang blockiert hat, eröffnen sich plötzlich neue Wege. Bausewein: "Wir werden - was ich auch für sehr bemerkenswert erachte - zwei Pilotprojekte auf den Weg bringen. Und zwar das Ziel, die Städte Eisenach und Suhl - die kreisfreien Städte - in die umliegenden Landkreise zu überführen.
    CDU zu Kompromissen bereit
    Die CDU ist bereit, vieles aufzugeben, was jahrelang unumstößlich schien: das Landeserziehungsgeld, die Residenzpflicht für Ausländer, die Freiheit der Wälder von Windrädern. Kurz vor Mitternacht dann ist die letzte Thüringer Sondierung zu Ende, knapp fünf Wochen nach der Wahl. Lieberknecht: "Alle präsent wieder hier. So viele!" Die Noch-Ministerpräsidentin verkündet, dass Schwarz-Rot auch in den kommenden fünf Jahren keine neuen Schulden aufnehmen würde. Anders als bei der Rot-Rot-Grünen Sondierung ist auch von Schuldentilgung die Rede.
    Bausewein versprach wie schon zwei Tage zuvor bei der Rot-Rot-Grünen Sondierung den Kommunen einen warmen Geldregen. "Es sind beides gute Tage! Es sind beides gute Tage für die Kommunen! Wir könnten vielleicht den 17. Oktober 2014 als Tag der kommunalen Beglückung ausrufen." Auch hier musste die CDU Zugeständnisse machen, die in den vergangenen Jahren den Kommunen mitunter das Wasser abgegraben hat.
    SPD muss Koalitionsentscheidung treffen
    Nun liegt es an der SPD, sich zu entscheiden. Für eine Koalition mit der CDU oder ein Bündnis mit den Linken und den Grünen. Dieses Rot-Rot-Grüne Bündnis gilt in Thüringen als wahrscheinlicher, da die inhaltlichen Schnittmengen größer sind. Aber der designierte SPD-Vorsitzende Bausewein warnt vor zu schnellen Schlüssen: "Ich glaube, der heutige Tag und die Ergebnisse, auf die wir uns verständigt haben, sind eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Entscheidung am Montag auch lauten kann: CDU. Und das trifft nicht nur auf den letzten Tag zu. Wir haben die letzten fünf Runden in vielen Themenbereichen, wo uns eigentlich niemand eine Einigung zugetraut hat, eine Einigung hinbekommen. Und das betrachte ich schon als sehr bemerkenswert."
    Und als sei das noch nicht alles verworren genug, brachten Lieberknecht und Bausewein noch einmal die Grünen ins Spiel: Die würden eine Schwarz-Rote Regierung, die genauso wie eine Rot-Rot-Grüne nur eine Stimme Mehrheit im Landtag hätten, erst richtig stabil machen. Bausewein: Ich hab immer gesagt: Ich kann mir auch in der Konstellation Gespräche mit den Grünen vorstellen. Aber der Part an der Stelle liegt eindeutig im Feld der Grünen!
    Grüne schließen Gespräche mit der CDU nicht aus
    Und was sagen die Grünen dazu? Fraktionschefin Anja Siegesmund bekennt sich eindeutig zur Rot-Rot-Grünen Präferenz, aber: "Es ist keine Tür zu! Wenn es eine neue Gesprächssituation auf Augenhöhe gibt, muss man dann jeweils entscheiden, ob das sinnvoll ist oder nicht." Am Montag entscheidet die SPD, mit wem sie koalieren will. Doch ein ausgehandelter Koalitionsvertrag bedeutet bei einer Ein-Stimmen-Mehrheit im Parlament noch lange nicht, dass auch ein Ministerpräsident gewählt wird. Alles offen also in Thüringen.