Kurz vor der Bundesrats-Abstimmung hatten sich die Anzeichen gemehrt, dass die Länder das umstrittene Vorhaben zumindest verzögern könnten - indem sie den Vermittlungsausschuss anrufen. Sowohl der federführende Verkehrs- als auch der Finanzausschuss der Länderkammer hatten sich zwei Tage vor der Bundesratssitzung nach dpa-Informationen noch für einen solchen Schritt ausgesprochen, um Änderungen durchzusetzen.
Doch dazu kam es bei der Abstimmung am Freitag nicht. Die notwendige Mehrheit von 35 Stimmen für die Einsetzung eines Vermittlungsschusses wurde verfehlt - 35 Ja-Stimmen wären dafür nötig gewesen, am Ende waren es 31. Das Land Thüringen mit seinen insgesamt vier Stimmen hatte sich überraschend enthalten und anders verhalten, als am Vortag noch angekündigt. Offiziell, weil CSU-Chef Seehofer Druck gemacht haben soll. Der Erfurter Staatskanzleiminister Benjamin-Immanuel Hoff sagte, man habe abwägen müssen, nachdem die CSU signalisierte, Pkw-Maut und Länder-Finanz-Verhandlungen miteinander verbinden zu wollen.
Enthaltung nach Förderversprechen?
Doch längst wird über eine noch direktere Art der Überzeugung spekuliert. Demnach hat sich Bundesverkehrsminister Dobrindt persönlich eingeschaltet. Mehrere Medien berichten, Dobrindt habe Thüringens Ministerpräsidenten Ramelow in der Nacht unmittelbar vor der Abstimmung die Zusage für ein regionales Bahnprojekt gegeben. Der CSU-Politiker solle zugesagt haben, dass der Bund schnell Geld für den Ausbau der "Mitte-Deutschland-Verbindung", einer wichtigen Bahnstrecke in Thüringen bereitstellen werde. Über das Förderversprechen hatte zuerst die Bild-Zeitung berichtet.
Ramelow selbst verteidigte seine Entscheidung nach der Abstimmung im Kurznachrichtendienst Twitter: Die Anrufung des Vermittlungsausschusses hätte nur zu Detailänderungen an der Pkw-Maut führen können, diese aber nicht völlig verhindert, argumentierte er.
Ramelows Partei ist seit jeher gegen die Pkw-Maut und hatte erst vor wenigen Wochen beantragt, das Vorhaben aufzugeben.
Der Ostthüringer Zeitung sagte Ramelow, Dobrindt habe zugesagt, dass die Mitte-Deutschland-Verbindung zwischen Weimar und Gößnitz zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert werde. Noch in dieser Legislaturperiode wolle Dobrindt die Voraussetzungen für einen Planungsstart schaffen. Bislang war das Bauprojekt nicht im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes enthalten.
Die Maut kommt, der Gang zum EuGH wohl auch
Unmittelbar nach der Maut-Entscheidung im Bundesrat hat Österreich Klage gegen die sogenannte Infrastrukturabgabe angekündigt - sehr zur Verärgerung des Bundesverkehrsministers. Dobrindt sagte dem Münchner Merkur, es scheint sich bei den Österreichern um einen schweren Fall von Maut-Schizophrenie zu handeln. Er habe "nullkommanull Verständnis" dafür, dass Österreich selbst Maut kassiere, aber in Deutschland nicht zur Infrastrukturfinanzierung beitragen wolle.
Die Opposition im Bundestag begrüßte dagegen die angekündigte Klage aus Österreich. Sobald diese eingereicht sei, müssten alle Vorbereitungen für die Maut sofort eingestellt werden, sagte der Linke-Verkehrsexperte Behrens. Grünen-Fraktionsvize Krischer erklärte, da CDU und SPD leider nicht in der Lage seien, den "Irrsinn" zu stoppen, müssten dies nun Nachbarn in Europa tun. Auch die Niederlande behalten sich eine Klage vor - wollen aber wie auch Österreich die Stellungnahme der EU-Kommission abwarten.
Der deutsche Europarechts-Experte Mayer rechnet in jedem Fall damit, dass sich der Europäische Gerichtshof mit der deutschen PKW-Maut beschäftigen und diese letztlich auch kassieren wird. Mayer sagte im DLF, die PKW-Maut seit "ganz klar" unvereinbar mit EU-Recht, weil sie EU-Ausländer diskriminiere. Spätestens der erste betroffene EU-Ausländer, der die Maut nicht zahlen wolle, werde vor Gericht ziehen und sich durch die Instanzen klagen, so Mayer - und zwar mit Erfolg.