"Sag mal, warum ist der Bergmann stets froh?" fragt sich der Bergmannschor "Schlegel und Eisen" auf dem Jahresempfang der SPD-Fraktion in Erfurt. "Ich glaub, es kommt von der Arbeit" antworten sich die schon etwas schwächlichen Sänger und Sängerinnen selbst. Die etwa 100 Genossen beklatschen sie und beglückwünschen sich selbst – zu einer guten Regierungsbilanz in der schwarz-roten Koalition der letzten fünf Jahre, zu einem guten Wahlkampf und zu ihrer Spitzenkandidatin, Heike Taubert.
"Ohne die SPD kommt Thüringen nicht voran, dafür stehe ich."
Als sie im Januar nach langem Hin und Her in der Partei zur Spitzendkandidatin gekürt wurde, kannte sie kaum jemand im Freistaat. In den letzten Wochen hat die Sozialministerin immerhin eines erreicht: Bekanntheit und Sympathie.
"Dafür stehen wir; dafür steht die SPD im ganzen Lande. Und ich denke, da werden wir in Thüringen auch erfolgreich sein."
Heike Taubert reist im Wahlkampf mit einem Holzkohlegrill herum und reicht zum politischen Gespräch Bratwürste und gegrillte Tomaten. "Heike grillt" ist vielleicht keine geniale Wahlkampfaktion, aber eine, die zu ihr paßt.
"Techniker sind immer zielorientiert: Die haben ein Problem vor sich und wollen die Lösung finden. Das mag Auswirkungen haben auch auf meine Rede; die ist nicht ganz so geschliffen, rhetorisch und historisch auch nicht so unterfüttert."
Heike Taubert steht für kühle Analysen, für pragmatische Lösungen, für Kompromisse. Nicht für Visionen. Und deswegen ist sie auch genervt, dass sie seit Wochen die immer gleiche Frage gestellt bekommt: Mit wem will die SPD regieren– mit den Linken oder mit der CDU?
"Es geht ja um die Koalitionsaussage in Thüringen. Und da bleibe ich natürlich bei unserer Entscheidung in der SPD, dass wir vorher keine Koalitionsaussage treffen. Das hat gute Gründe. Und wir müssen schauen, was Wählerinnen und Wähler am Ende für uns am 14. September für Koalitionsmöglichkeiten entschieden haben."
"Es geht um Lieberknecht oder Ramelow!"
Man braucht keine politischer Analyst zu sein, um zu wissen:
"Es geht am 14. September – in der Tat: Es geht um Lieberknecht oder Ramelow!", wie der Spitzenkandidat der Linken, Bodo Ramelow, selbstbewußt verkündet. Ob die SPD nun ein paar Prozente mehr oder weniger einfährt – für eine Koalition mit der CDU reicht es allemal, bei Rot-Rot ist es wahrscheinlich, dass die Grünen noch als Partner gebraucht würden.
Aber fest steht: Wenn in Thüringen kein politisches Erdbeben passiert, entscheidet die SPD darüber, wer mit ihr als Juniorpartner Ministerpräsident wird: Christine Lieberknecht oder Bodo Ramelow.
Heike Taubert verkündet zwar immer noch tapfer, dass auch sie das Amt beansprucht, dass sie 25+X Prozent der Wählerstimmen anstrebt, aber angesichts der Umfrageergebnisse ist das eher illusionär als visionär. Von 19 auf 16 Prozent ist die SPD in Umfragen innerhalb weniger Wochen abgerutscht. Möglicherweise, weil das gilt, was die Linke und Ministerpräsidentin Lieberknecht klar sagen:
"Der Wähler kauft sozusagen die Katze im Sack bei der SPD. Und deswegen: Man weiß bei der CDU, was man hat; man weiß bei der Linken, was man kriegt."
Die SPD-Spitze sagt, dass sie allein auf Themen setzen und schauen, mit welcher Partei sie ihre Ziele besser durchsetzen können: Mit der Weiter-So!-CDU oder im "linken Reformbündnis", wie es Bodo Ramelow gern nennt. Pikant ist aber, dass die 4.500 Thüringer SPD-Mitglieder darüber entscheiden sollen, mit wem ihre Partei eine Koalition eingehen soll. Dies soll nach den Sondierungsgesprächen und vor den Koalitionsverhandlungen geschehen, so Parteichef Christoph Matschie.
"Es geht, wenn wir darüber reden, die Mitglieder mit einzubeziehen in unsere Entscheidung, nicht um ein spontanes Bauchgefühl, sondern es geht um klare Kriterien: Wie kommt das Land in den nächsten Jahren am besten voran?"
Nur kann der Parteivorstand die Bäuche der Mitglieder nicht abschalten, wenn sie die schwierige Wahl haben zu entscheiden: Ob sie die seit 24 Jahren ununterbrochen regierende CDU an der Macht halten wollen oder ob sie das riskante Experiment eingehen, unter einem dominanten linken Ministerpräsidenten mitzuregieren.